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Der DJV auf Twitter: Neutralität als frommer Wunsch

Der DJV auf Twitter: Neutralität als frommer Wunsch

Der DJV auf Twitter: Neutralität als frommer Wunsch

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Demonstrant mit DJV-Jacke 2018 auf einer Verdi-Kundgebung in München Foto: imago images / ZUMA Press
Der DJV auf Twitter
 

Neutralität als frommer Wunsch

Daß aus großer Macht große Verantwortung erwächst, weiß die Menschheit spätestens seit den frühen Spiderman-Comics. Beim Deutschen Journalisten Verband (DJV) hingegen scheint sich diese Weisheit nicht herumgesprochen zu haben. Ein Kommentar von Boris T. Kaiser.
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Daß aus großer Macht große Verantwortung erwächst, weiß die Menschheit spätestens seit den frühen Spiderman-Comics. Beim Deutschen Journalisten Verband (DJV) sollte man sich die alten Druckerzeugnisse der amerikanischen „Trivialliteratur“ vielleicht bei Gelegenheit mal wieder zur Gemüte führen. Die Journalisten-Gewerkschaft zeigt seit geraumer Zeit einen immer deutlicher werdenden Mangel an Verantwortungsbewußtsein im Umgang mit dem Einfluß, der sich aus der Öffentlichkeitswirksamkeit einer so großen journalistischen Organisation ergibt.

Grundlage dieser Leichtfertigkeit, die man mit Fug und Recht auch als eine Art elitärer Arroganz bezeichnen könnte, ist ganz offenkundig das in gewissen Medienkreisen weit verbreitete Gefühl der geistigen und vor allem moralischen Überlegenheit. Dies zeigt sich nicht nur beim Lesen der täglichen Artikel vieler der rund 33.000 Mitglieder des Verbands oder beim Hören und Ansehen ihrer Rundfunkbeiträge, sondern auch beim Verfolgen des DJV-Twitter-Accounts. Dieser hat, wie unzählige seiner Tweets belegen, eine ziemlich klare links-grüne politische Agenda und ist journalistisch in etwa so neutral wie der Berliner „Wettkönig“ Robert Hoyzer einst als Schiedsrichter.

Wahrheit ist, was das Staatsfernsehen verkündet

An all das hat man sich längst gewöhnt und nur unverbesserliche Idealisten empören sich noch wirklich über die lange schon verlorengegangene Unschuld des Journalismus, der sich einst nie „gemein machen“ wollte „mit einer Sache, auch nicht mit einer guten“, wie es die Reporterlegende Hanns Joachim Friedrichs einmal formulierte.

Auch an die oft unterschlagene und deshalb weniger bekannte Fortsetzung des Friedrichs-Zitat – „nicht in öffentliche Betroffenheit versinken, im Umgang mit Katastrophen cool bleiben, ohne kalt zu sein“, hält sich heute, wie spätestens die Berichterstattung während der sogenannten Corona-Pandemie gezeigt hat, kaum noch ein Journalist.

Vielleicht auch deshalb nicht, weil vor allem auch die Vertreter des öffentlich-rechtlichen Rundfunks gelernt haben, daß, anders als von ihrem berühmten Vorreiter vermutet, man es eben nicht nur auf diese Weise schafft, daß die Zuschauer einem „vertrauen“ und zu „einem Familienmitglied machen“, das sie „jeden Abend einschalten“.

Breite Teile der Bevölkerung glauben auch im Zeitalter des Internets alles, was das Staatsfernsehen als offizielle Wahrheit verkündet, selbst wenn diese „Wahrheit“ noch so aufgeregt vorgetragen wird – oder vielleicht sogar gerade dann. Der DJV ist so gesehen tatsächlich nur die konsequente Vertretung dieser Journalisten und dieser Form von Journalismus.

Nur ein frommer Wunsch

Wenn sich der eingetragene Verein, der laut Eigendefinition eine „Kombination von Gewerkschaft und Berufsverband“ ist, aber dennoch auf seine Fahne und offizielle Internetseite schreibt, er sei „politisch unabhängig“ und immer wieder seinen Einsatz für die Meinungs- und Pressefreiheit betont, darf man erwarten, daß er bei der Erfüllung dieser selbstauferlegten Kriterien doch wenigstens einen gewissen Mindestanspruch erfüllt. Beim Twitter-Account des DJV bleibt aber selbst dieser doch wirklich recht bescheidene Wunsch nach einem fair-journalistischen Minimum ein sehr frommer.

Die „Zeit, in der das wünschen wieder hilft“, liegt hier offensichtlich in weiter Ferne. Statt für echte Presse- und Meinungsfreiheit zu kämpfen, versteht der DJV sich offenbar vor allem als ein Interessenvertreter der etablierten Medien und sogar der Politik und schließt sich deren Kampf gegen sogenannte Fake-News oder vermeintliche Haßrede im Netz an.

Dabei wird der Verband auch schon mal selbst als Twitter-Blockwart aktiv und meldet politisch unliebsame Tweets und Accounts den Netzgesetz-Durchsetzern, um sich hinterher über die Löschung der Nutzer zu freuen und jeden zu verspotten, der ein solches Verhalten von einem Journalistenverband irgendwie merkwürdig findet.

Erst mal so richtig in Jagdlaune schreckte der Betreuer des DJV-Twitter-Accounts, der Journalismus offenbar vor allem als eine Form des betreuten Denkens versteht, die den Leser vor Verwirrung durch zu viel Meinungsvielfalt schützen soll, nicht einmal mehr davor zurück, einen User öffentlich an den Pranger zu stellen und ihn, inklusive der Verlinkung seines Arbeitgebers, einer süddeutschen Polizeidienststelle, erzieherisch zurechtzuweisen.

Dieser hatte es gewagt, einer jungen Pressevertreterin, die in Berlin Kreuzberg von einem Polizisten verletzt worden sein soll, abzusprechen, sie könne mit 22 Jahren kaum eine vollausgebildete, hauptberufliche Journalistin sein. Das von linken Journalisten sonst so gerne kritisierte Machtgefälle könnte zwischen einem einfachen Twitter-Nutzer und der größten Journalisten-Organisation Europas wohl kaum größer sein. Aber das eigene Handeln sieht man beim DJV eben erheblich unkritischer als das der anderen.

Demonstrant mit DJV-Jacke 2018 auf einer Verdi-Kundgebung in München Foto: imago images / ZUMA Press
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