Die Forderung des Schulleiterverbandes Niedersachsen, wegen der Corona-Pandemie in diesem Jahr keine Abitur-Prüfungen abzuhalten, kam überraschend. „Wir stecken gerade in den Vorbereitungen für die Prüfungen“, berichtete ein Lehrer einer niedersächsischen Gesamtschule der JUNGEN FREIHEIT (die im Beitrag zitierten Lehrer sind der Redaktion bekannt, wollen aber anonym bleiben). Derzeit werde alles getan, um das Schulgebäude so sicher wie möglich zu machen. Für ihn kommt der Appell des Verbandes etwas zu spät, angesichts der bereits investierten Arbeit.
So sollen die Schüler an seiner Schule am 11. Mai, wenn die Prüfungen beginnen sollen, durch separate Eingänge ins Gebäude kommen. Die Prüfungsräume sollen jeden Tag desinfiziert werden, für Handschuhe sei gesorgt. Außerdem stünden für Abiturienten mit Vorerkrankungen Einzelzimmer bereit und für alle Eventualitäten behalte man weitere Räume als Reserve vor, schildert der Pädagoge. „Wir versuchen, die Ansteckungsgefahr so gering wie möglich zu halten.“
Sicherheitsabstand – „Was ist mit dem Schulweg?“
Daß sich die angehenden Absolventen an die Schutzmaßnahmen zur Eindämmung des Virus halten, davon ist der Lehrer überzeugt. Skeptischer ist er jedoch mit Blick auf jüngere Schüler, die in den nächsten Wochen wieder in die Klassen kommen sollen. Das werde „ganz, ganz schwierig“. Er rechne damit, daß Anweisungen zum Mindestabstand nach wenigen Minuten schon vergessen sein könnten.
Außerdem gibt er zu bedenken: „Was ist mit dem Schulweg?“ Abstand halten und nicht in Gruppen zu gehen, werde sich bei elf-, zwölf- oder 13jährigen kaum unterbinden lassen.
Dem schließt sich auch der Lehrer von einer niedersächsischen Realschule an. „Gerade bei Schülern der niedrigeren Klassen halte ich das Ganze für nahezu unmöglich.“ Auch in den Gebäuden sei es oft aufgrund des begrenzten Raumes nicht immer machbar, auf Abstand zu bleiben.
Im benachbarten Hessen verkündete das Kultusministerium, in diesem Jahr werde kein Schüler sitzenbleiben. Die Sanktion für leistungsschwache Schüler werde wegen der außergewöhnlichen Situation ausgesetzt. Der Realschullehrer aus einer norddeutschen Stadt hält diesen Schritt für folgerichtig. Wo keine Abschlußprüfung anstehe, sollte niemand sitzenbleiben.
Lehrer sehnen sich nach normalem Schulalltag
Andere Sorgen treiben einen Gymnasiallehrer aus Bayern um. Im Gespräch mit der JF äußert er seinen Unmut über das sogenannte Home-Schooling. Es sei mit hohem Aufwand verbunden, Unterrichtsmaterial für die Schüler digital aufzubereiten und im Internet bereit zu stellen. Wenn dies gelungen sei, mache schnell die Technik einen Strich durch die Rechnung, wenn etwa der Schulserver wegen Überlastung zusammenbricht, ärgert er sich.
Auch sei die Vermittlung von Unterrichtstoff an die Schüler unter den gegebenen Umständen mehr als fraglich. „Wir dürfen den Kindern keine neuen Inhalte vorgeben, sondern sie sollen nur den bisherigen Stoff wiederholen – seit vier Wochen.“ Da derzeit keine Noten vergeben werden, könne er auch Lernverweigerer nicht bestrafen. „Und als Strafe ein vertiefendes Lernen aufzugeben, ist ja gerade sowieso Quatsch“, kommentiert er ernüchternd.
Wie auch seine Kollegen aus Niedersachsen, so hofft auch der bayerische Lehrer auf eine zeitnahe Rückkehr zur Normalität. „Ich sehne mich wieder nach dem normalen Schulalltag.“