Mitten in die Erschütterung, die Europa in diesen Tagen heimsucht, platzte eine weitere Nachricht von paneuropäischer Tragweite: Albert Uderzo, der „Vater“ von Asterix, ist im Alter von 92 Jahren im Pariser Vorort Neuilly verstorben. Mag der Name des Zeichners auch längst nicht jedem bekannt sein, die von ihm und René Goscinny erfundenen aufmüpfigen Gallier Asterix und Obelix kennt in Westeuropa fast jeder.
Die Erfolgsgeschichte, die 1959 im französischen Comic-Magazin Pilote des Verlagshauses Dargaud begann, setzte sich rasch in anderen Ländern fort. In Deutschland begann die Karriere von Asterix und Obelix mit dem etwas unglücklichen Versuch, die beiden Gallier in Germanen umzuwandeln: Als „Siggi und Babarras“ erlebten sie in den sechziger Jahren ihre deutsche Erstveröffentlichung bei Rolf Kaukas Verlag, in dem auch Fix und Foxi erschienen.
Doch erst die Veröffentlichung bei der Konkurrenz, der heutigen Egmont-Ehapa-Mediengruppe, verhalf Asterix in der Bundesrepublik zum Durchbruch. Hier wurde auf die peinliche Eindeutschung verzichtet. Asterix hatte immer ein sehr französisches Gepräge und ist bis heute einer der größten Exportschlager Frankreichs – einschließlich einer Reihe von Verfilmungen, zunächst als klassischer Zeichentrickfilm. Dann folgte die Realverfilmung mit Gérard Depardieu und schließlich kam zeitgemäß mit Computertrick im vergangenen Jahr mit „Asterix und das Geheimnis des Zaubertranks“ der zweite CGI-Film mit den gallischen Helden in die Kinos.
Asterix ist eine anti-imperiale Widerstandssaga
Blasierten Besserwissern mit ihrer Großmannssucht ungestraft einen vor den Latz knallen zu dürfen – es war wohl eines der besonderen Erfolgsrezepte von Asterix, daß diese heimliche Sehnsucht des kleinen Mannes in den Comics immer wieder befriedigt wurde. Sie waren die späte Rache der Gallier an ihren römischen Besatzern. Die italienisch-französische Dauerfehde war Uderzo gleichsam in die Wiege gelegt: Der Zeichner war der Sohn italienischer Einwanderer.
Zum Erfolgsrezept der Comicreihe zählte aber mindestens so sehr wie Uderzos knollennasige Gallier der subversive Witz des bereits 1977 verstorbenen Texters René Goscinny, der auch die Geschichten um den Westernhelden Lucky Luke und die Abenteuer des Möchtegernkalifen Isnogud ersonnen hat.
Die von Albert Uderzo ins Bild gesetzten Gallier-Geschichten haben von Anfang an bei ihren Lesern einen Nerv getroffen: Es ist ein natürliches Bedürfnis – gerade des einfachen Mannes – Heimat und Identität dort zu finden und zu erhalten, wo er unter seinesgleichen ist. Oder um es mit Asterix zu sagen: dort, wo alle die gleichen Schnauzbärte tragen, wo alle dieselbe Sprache sprechen, wo man gemeinsam an Teutates und Belenus glaubt, wo man sich kennt und versteht. Asterix ist eine anti-imperiale Widerstandssaga und ganz gewiß keine EU-Werbung.
Der Verlust von Texter Goscinny ließ sich nicht ersetzen
Der Tod von René Goscinny war eine schmerzhafte Zäsur für das Asterix-Universum. Rasch wurde klar, dass Uderzo als Texter nicht in gleicher Weise begnadet war wie als Zeichner. Viele Leser vermißten schon im ersten Band, den Uderzo ohne seinen Szenaristen anfertigte, „Der große Graben“ (Band XXV), den tiefsinnigen Witz des verstorbenen Autors. Uderzo behalf sich, indem er Figuren der Zeitgeschichte wie Sean Connery oder Jean Gabin als Karikaturen auftreten ließ.
1979 gründete er, an das Verlagshaus Dargaud in Neuilly-sur-Seine nicht mehr vertraglich gebunden, die Editions Albert René, mit denen sichergestellt wurde, daß die Millioneneinnahmen, die die Abenteuer der unbeugsamen Helden inzwischen weltweit einbrachten, ihm in erheblich größerem Umfang zugute kamen als in seiner alten Rolle als Verlagsautor.
Als Tiefpunkt der Post-Goscinny-Ära gilt Asterix-Anhängern der 33. Band der Reihe, „Gallien in Gefahr“, in dem in einem wirren Szenario sogar Außerirdische auftauchen. Mit Band 35, „Asterix bei den Pikten“, stellte Uderzo 2013 – nicht ohne Streit mit seinen Erben – die Weichen dafür, daß Asterix und Obelix ihn überleben würden. Das Album entstand ohne seine Mitwirkung. Das Gespann Jean-Yves Ferri und Didier Conrad hatte übernommen und führt seither die Reihe im bewährten Zeichenstil fort.
Asterix und seine Mistreiter lieben Heimat, Nation und Tradition
Uderzo war ein verbissener Verteidiger der Markenrechte, die mit dem Asterix-Universum verbunden sind. Wer es etwa wagte, seine Weinhandlung marktwirksam mit einer Illustration der beiden Gallier zu garnieren, mußte damit rechnen, Post von seinen international tätigen Anwälten zu bekommen. Das eifersüchtige Wachen des Zeichners über sein Imperium bekamen in den achtziger Jahren auch die Kreise von Atomkraftgegnern und Linksautonomen zu spüren. Gegen die von ihnen erschaffenen Plagiate wie „Asterix und das Atomkraftwerk“ oder „Asterix im Hüttendorf“ ließ Uderzo gerichtlich vorgehen.
Die Sympathie linker Aktivisten für den beharrlichen Widerstandsgeist der unbotmäßigen Gallier beruhte auf einem grandiosen Mißverständnis. Sie hatten schlicht übersehen, daß Asterix und die Männer aus seinem Dorf mit ihrer Vorliebe für Heimat, Nation und Tradition nur vordergründig als Botschafter für den Öko-Sozialismus taugen.