BERLIN. Der Beschluß der Thüringer CDU, für den Linken-Politiker Bodo Ramelow als Ministerpräsidenten zu stimmen, hat in der Partei ein geteiltes Echo und zum Teil heftige Kritik hervorgerufen. CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak betonte, wer von der CDU Ramelow wähle, verstoße gegen die Beschlüsse der Partei, berichtete die Nachrichtenagentur dpa.
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) kritisierte die Entscheidung scharf. „Eine Wahl von Bodo Ramelow durch die CDU lehne ich ab. Wir sind als Union in einer Vertrauenskrise. Die letzten Wendungen aus Thüringen kosten weiteres Vertrauen“, schrieb er auf Twitter. Es gehe jetzt um die Substanz der Partei – nicht nur in Thüringen. Der Anwärter auf den CDU-Vorsitz riet seinen Thüringer Parteifreunden zu Neuwahlen. Dabei müsse dann gemeinsam gekämpft werden.
Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) lehnte den Schritt der Thüringer CDU ebenfalls ab. „Die Linkspartei ist rechtlich noch die alte SED“, erinnerte er gegenüber dem Handelsblatt. Schäuble betonte, der Kampf gegen den Kommunismus sei ein Teil der CDU. Zugleich äußerte er, daß es noch „Kollegen im Bundestag“ gebe, „die Opfer der Stasi gewesen sind“. Auch angesichts der außenpolitischen Ziele könne es keine Zusammenarbeit mit der Linkspartei geben, die einen Nato-Austritt fordert.
400 demonstrieren in Erfurt gegen Kooperation
Der ehemalige CDU-Generalsekretär Ruprecht Polenz hingegen nannte die Einigung mit der Linkspartei auf Twitter einen „vertretbaren Weg aus der Krise“. Ein Anhalten der unklaren Situation hätte nur die Linke und die AfD gestärkt.
Thüringens Ex-Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht (CDU) schloß sich dieser Ansicht an. Den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland sagte sie, es sei ein „vertretbarer Weg aus der Krise“ gefunden worden. Die nun hergestellte „Verläßlichkeit in der Wahl des Ministerpräsidenten“ ermögliche „Stabilität für das Regierungshandeln“.
Unterdessen demonstrierten am Samstag in Erfurt 400 Bürger gegen die Zusammenarbeit der CDU mit der Linkspartei. Der Sprecher des Bündnisses „Bürger für Thüringen“, das zu dem Protest aufgerufen hatte, Clarsen Rutz, sagte der JUNGEN FREIHEIT, die politische Mitte müsse wieder gegenüber den Rändern gestärkt werden. „Unser Land darf nie wieder Krieg, Sozialismus oder Faschismus erleben.“
Linke sieht Stärkung des „antifaschistischen Konsens“
Vizekanzler Olaf Scholz (SPD) sprach von einem Erfolg, auf den die Sozialdemokraten stolz seien. Es sei folgerichtig neue Wege für eine Mehrheitsregierung ohne die AfD zu finden, sagte er laut Nachrichtenagentur dpa.
Die Vorsitzende der Linkspartei, Katja Kipping, lobte den Schritt der Union auf Twitter. „Daß CDU endlich die Ausgrenzung linker Ideen korrigiert, ist eine gute Nachricht für den antifaschistischen Konsens des Grundgesetzes.“
Neuwahlen soll es im April 2021 geben
Der Bundesgeschäftsführer der Grünen, Michael Kellner, konterte die Kritik Spahns auf Twitter. Es gehe nicht um das Vertrauen in die CDU. Bei der Thüringer Einigung gehe es „um das Vertrauen in unsere Demokratie“.
Die Christdemokraten in Thüringen hatten sich am Freitag mit Linken, SPD und Grünen darauf geeinigt, Ramelow für eine begrenzte Zeit eine Regierungsmehrheit zu sichern. Am 4. März soll er erneut zum Ministerpräsidenten gewählt werden. Die nächste Landtagswahl soll am 25. April 2021 stattfinden. (ag)