KARSLRUHE. Das Bundesverfassungsgericht hat drastische Kürzungen von Hartz-IV-Leistungen bei Pflichtverletzungen für grundgesetzwidrig erklärt. Hält sich ein Sozialhilfeempfänger nicht an Absprachen oder Auflagen, sind nur Kürzungen um maximal 30 Prozent möglich, entschieden die Karlsruher Richter am Dienstag.
Der Erste Senat begründete das Urteil in erster Linie mit „strengen Anforderungen der Verhältnismäßigkeit“. Je länger die entsprechenden Regelungen in kraft seien, umso weniger könne sich der Gesetzgeber allein auf Annahmen stützen. Das Arbeitslosengeld II, meist Hartz IV genannt, war 2005 eingeführt worden. Überdies müsse es den Betroffenen möglich sein, „in zumutbarer Weise die Voraussetzungen dafür zu schaffen, die Leistung nach einer Minderung wieder zu erhalten“, teilte das Gericht mit.
Unter 25jährige von Entscheid nicht betroffen
Bislang war es Jobcentern möglich, Hartz-IV-Empfängern die Gelder um 60 Prozent und mehr zu streichen, wenn sie zumutbare Arbeitsplatz- oder Förderungsangebote ausschlagen. Wer innerhalb eines Jahres mehrfach auffällt, dem können auch die Kosten für Unterkunft und Heizung gestrichen werden. Eine verhängte Sanktion gilt jeweils drei Monate. Die Hartz-IV-Leistungen betragen aktuell 424 Euro für Alleinstehende. Im Oktober 2019 gab es rund 3,8 Millionen erwerbsfähige Hartz-IV-Bezieher.
Bei dem Entscheid ging es nur um die Regelungen für über 25jährige. Für jüngere Hartz-IV-Empfänger bestehen laut der Nachrichtenagentur Reuters härtere Sanktionen. Nicht überprüft wurde demnach auch der Leistungsabzug von zehn Prozent, der erfolgt, wenn ein Bezieher nicht zu einem Termin im Jobcenter erscheint.
Hintergrund des Entscheids ist eine Vorlage des Sozialgerichts im thüringischen Gotha. In dem Fall hatte das Jobcenter Erfurt dem Arbeitslosen 234,60 Euro im Monat gestrichen, weil er ein Stellenangebot abgelehnt und Probearbeit verweigert hatte. (ls)