Ob Bayern, Nordrhein-Westfalen oder Baden-Württemberg: In mehreren Bundesländern herrschen Streit und chaotische Zustände in der AfD. Die JUNGE FREIHEIT hat mit Parteichef Jörg Meuthen über den „Flügel“, die Wiederwahl Doris von Sayn-Wittgensteins, die Rolle des Bundesvorstands und den am Mittwoch veröffentlichten Appell der Kritiker von Thüringens Landeschef Björn Höcke gesprochen.
Der Bundesvorstand warnt in einem Schreiben an das Bundesschiedsgericht, der AfD drohe die Gefahr, „von Rechtsextremisten unterwandert zu werden“ und in Folge „politisch zu implodieren“. Wie akut ist diese Gefahr?
Meuthen: Dieses Schreiben stammt nicht vom Bundesvorstand, sondern vom Prozeßbevollmächtigten des Vorstands im Parteiausschlußverfahren gegen Doris von Sayn-Wittgenstein. Die Gefahr einer Implosion sehe ich nicht. Die Gefahr von Unterwanderung ist nicht akut, sondern chronisch und auch normal, und wir wissen, ihr angemessen zu begegnen.
Der Bundesvorstand hat die Wiederwahl von Doris von Sayn-Wittgenstein als Landesvorsitzende in Schleswig-Holstein deutlich kritisiert. Warum halten Sie die Wahl für falsch und wollen das Ausschlußverfahren aufrechterhalten?
Meuthen: Der Bundesvorstand hat sich die Entscheidung für ein Ausschlußverfahren nicht leichtgemacht. Es lagen und liegen unverändert hierfür aber handfeste Gründe vor, die den Schritt unausweichlich machten. Diese Gründe können in einem laufenden Verfahren nicht öffentlich gemacht werden. Wären alle Hintergründe bekannt, wäre die Entscheidung der Mitglieder auf dem Landesparteitag in Schleswig-Holstein höchstwahrscheinlich anders ausgefallen.
„Umstürzler und Extremisten haben in der AfD keinen Platz“
Ob Bayern, Nordrhein-Westfalen oder Baden-Württemberg: In vielen Landesverbänden herrschen Streit und chaotische Zustände, muß der Bundesvorstand hier nicht stärker ordnend eingreifen?
Meuthen: Wir haben großes Vertrauen in die Fähigkeit unserer Mitglieder in den Landesverbänden, die allermeisten Konflikte letztlich in eigener Regie lösen zu können. Ein Eingreifen des Bundesvorstands soll und kann insoweit nur die ultima ratio sein, wenn dezentrale Mechanismen der Konfliktbewältigung nicht erfolgreich sind.
Das bayerische Landesschiedsgericht hat den „Flügel“ kürzlich als seine „mit der Partei konkurrierenden politischen Organisation“ bezeichnet. Teilen Sie diese Ansicht?
Meuthen: Ich verstehe den sogenannten „Flügel“ als einen losen Zusammenschluß von Mitgliedern unserer Partei. Solange dieser sich als Bündnis national-konservativer Kräfte versteht, ist dagegen nichts einzuwenden. Umstürzler und Extremisten haben jedoch in der AfD keinen Platz. Hier ist auch der „Flügel“ in der Pflicht, solchen Strömungen in seinen Reihen keinen Raum zu geben.
Nachvollziehbarer Unmut über Höcke
Björn Höcke ließ sich beim „Kyffhäusertreffen“ als „unser Anführer“ feiern und kündigte an, bei der Wahl des Bundesvorstands dafür zu sorgen, daß dieser in seiner jetzigen Zusammensetzung nicht wiedergewählt wird. Ist das nicht eine direkte Kampfansage?
Meuthen: Ich halte dieses Verhalten jedenfalls für nicht klug. Die entsprechende und mir nachvollziehbare Reaktion vieler Mitglieder zeigt, welchen Unmut Höckes Äußerungen hervorrufen.
Heute wurde ein Appell mit deutlicher Kritik an Höcke und dem Flügel veröffentlicht. Sie selbst haben ihn nicht unterzeichnet, aber erklärten, der Unmut wundere Sie nicht. Warum?
Meuthen: Wie ich öffentlich schon erklärt habe: Die massive Kritik über das Auftreten und manche Äußerungen des thüringischen Landesvorsitzenden ist in der Partei sehr vernehmlich – und nachvollziehbar. Der Appell bestätigt für mich den Eindruck, dass er mit seiner auch aus meiner Sicht unzutreffenden Kritik an der Arbeit des Bundesvorstandes und der Schiedsgerichte über keinerlei Mehrheiten in der Partei verfügt und der von ihm zuweilen betriebene Personenkult nicht zu unserer Partei passt. Ich würde mir wünschen und bin zuversichtlich, dass er sich stattdessen intensiv ganz dem wichtigen aufziehenden Landtagswahlkampf widmet.“
Warum haben Sie nicht selbst unterschrieben?
Meuthen: Meine Aufgabe ist, die Partei zu führen und nicht Appelle zu unterzeichnen. Meine Auffassung habe ich klar zum Ausdruck gebracht.
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Prof. Dr. Jörg Meuthen ist einer von zwei Bundesvorsitzenden der AfD und Abgeordneter im EU-Parlament.