Bahnen sich Umbrüche an? Ist bald Schluß mit dem Dieselverbotswahn? Mehr als 700 aufgebrachte Bürger demonstrierten am Wochenende in Stuttgart an Deutschlands berüchtigtster Luftmeßstelle Neckartor, viele davon in gelben Westen. Das in der Stadt der geduldigen Bürger? Dort befindet sich die „gefährlichste“ Ecke Deutschlands. Schenkt man Grünen, Deutscher Umwelthilfe und der EU Glauben, gibt es Tausende vorzeitige Tote, wenn mal ein wenig mehr als jene 40 millionstel Gramm Stickstoffdioxid (NO2) in einem Kubikmeter Luft enthalten ist – dem derzeitigen Grenzwert.
Seit dem 1. Januar gilt im gesamten Stadtgebiet Stuttgarts ein Fahrverbot für ältere Dieselfahrzeuge. Aus der Stadt, in der das Auto erfunden wurde, soll es jetzt verbannt werden. Matthias Klingner vom Fraunhofer-Institut für Verkehrs- und Infrastruktursysteme demonstrierte jüngst wieder in der ARD-Dokumentation „Diesel-Desaster“ mit Genuß, wie Spaghettikochen auf einem Gasherd den NO2-Gehalt schnell auf 1.300 Mikrogramm pro Kubikmeter (µg/m3) Luft ansteigen läßt – ohne daß die Bewohner tot umfallen. Der Aufenthalt im Kölner Dom ist übrigens auch sehr gefährlich. Dort registrierten Wuppertaler Wissenschaftler Werte bis zu 200 µg/m3 NO2. Ursache: die Opferkerzen der Gläubigen.
Viele sind auf das Auto angewiesen
Die Grenzwerte sind zufällig ausgewählt worden und nichts anderes als barer Unsinn. Mehr als zweifelhaft ist zudem die Lage vieler Meßstationen. Die am Stuttgarter Neckartor steht laut EU-Richtlinie wie viele andere falsch. Sie wurde so aufgestellt, daß sie der grünen Politik möglichst hohe Werte liefert. FDP-Vertreter im Stuttgarter Gemeinderat forderten bereits, die grauen Kästen EU-vorschriftsgemäß aufzustellen. Die Grünen waren dagegen, wäre doch ihr hübsches Panikargument flötengegangen.
Die Axt wird an die Schlüsselindustrie Deutschlands gelegt, an seine wirtschaftliche Lebensader. Die ersten Folgen sind schon zu sehen. Abermillionen an Werten wurden bereits vernichtet, viele Autohändler stehen vor der Pleite. Autobesitzer tragen bisher erstaunlich gutmütig die gewaltigen Wertverluste ihrer Fahrzeuge. Die Folgen werden Städte und Bundesländer in den kommenden Jahren in ihren Haushalten spüren, wenn die Gewerbesteuereinnahmen ausbleiben.
Wir erleben zugleich einen Frontalangriff auf die individuelle Mobilität, die Industriegesellschaft und die arbeitenden Menschen. Viele leben außerhalb der Ballungsräume und sind auf das Auto angewiesen. Trotz aller Beteuerungen ist der Nahverkehr vielfach ausgetrocknet. Bahnstrecken sind stillgelegt, Busse fahren häufig nur zwei- bis dreimal am Tag über Land. Es ist eben teurer, fast leere große Busse außerhalb der Stoßzeiten fahren zu lassen als bedarfsgerecht kleine Autos dann, wenn jemand tatsächlich fahren will.
In den USA sind die Grenzwerte mehr als doppelt so hoch
Was tun? Die formale Grundlage, die irrwitzig niedrigen Grenzwerte, müßte wieder auf ein vernünftiges Maß gestutzt und die Meßstellen überprüft werden. Doch danach sieht es im Augenblick nicht aus. Normen sind der ideale Hebel, um eine Industrielandschaft zu zerstören. Die Grundlagen für das jetzige Desaster wurden bereits vor Jahrzehnten gelegt, als in Brüssel neue Normen mit entsprechenden weiteren verschärfenden Stufen festgesetzt wurden. Kein Autohersteller konnte sie seinerzeit einhalten. Die Technik gab es schlicht nicht. Sie griffen zu den bekannten Tricks.
Und wenn die Proteste jetzt nicht stärker werden, geht der Irrsinn weiter. Die EU hat im vergangenen Jahr die Grenzwerte für den Flottenverbrauch noch einmal heruntergeschraubt. Sie sind nicht mehr mit Verbrennungsmotoren einzuhalten, sondern nur mit Elektroautos. Die Bundesregierung hat übrigens nicht widersprochen. Für Verwaltungsrichter ist die Lage klar: Norm überschritten – Fahrverbot her. Für sie spielt keine Rolle, daß es der Gesundheit gleichgültig ist, ob ein Jahresmittelwert von 40 oder 50 µg/m3 Stickstoffdioxide in der Luft gemessen werden. Ein Richter fragt nicht nach dem Sinn dieser Zahlen. Bei den in Sachen Luft pingeligen Amerikanern liegt derselbe Grenzwert außer in Kalifornien übrigens bei 103 Mikrogramm.
Die Luft in den Innenstädten ist gegenüber den 1960er und 1970er Jahren beeindruckend sauber geworden. Überschreitungen selbst der windigsten Meßwerte sind, das zeigen die Datenreihen des Umweltbundesamtes, selten geworden. Das ist auch ein beeindruckender Erfolg technischer Entwicklungen. Kraftwerke wurden mit Filtern und Katalysatoren ausgerüstet, Automotoren mit einer aufwendigen und teuren Chemiefabrik zur Reinigung der Abgase unter dem Wagenboden ausgerüstet. Aus einem Diesel der neuesten Euronorm 6d-temp kommt dank Rußfilter, Katalysatoren und Einsatz von Harnstoff praktisch nur noch CO2 heraus. Alles andere wird weggefiltert.
Erst der Diesel, dann der Benziner
Doch es geht nicht nur gegen den Diesel. Wenn der weg ist, kommt der Benziner dran. Es geht um den Umbau der Gesellschaft, um die „große Transformation“. Dabei soll die individuelle Mobilität auf der Strecke bleiben, jene großartige Errungenschaft der Moderne. Willig machen die meisten Medien mit und verbreiten kritiklos das Märchen vom Klimawandel aufgrund des menschengemachten CO2-Ausstoßes. Die Luft könne nur wieder sauber werden ohne Auto. Verzicht predigen satte Bürgerkinder in der Großstadt.
Auf einem Plakat in Stuttgart stand: „Ich bin wütend!“ Das sind mittlerweile viele. Vielleicht reicht es ja jetzt zu einer breiten Protestbewegung.
———————–
Holger Douglas ist Wissenschafts- und Technikjournalist, arbeitete für das ZDF und Al Jazeera. 2018 erschien sein Buch „Die Diesel-Lüge“.
JF 05/19