LONDON. Die britische Premierministerin Theresa May muß sich am Mittwoch abend einem Mißtrauensvotum stellen. 48 der 315 Abgeordneten ihrer Konservativen Partei im Unterhaus haben laut britischen Medienberichten dem Vorsitzenden des „1922 Kommitees“, Graham Brady, ein entsprechendes Schreiben zukommen lassen.
Dieser setzte daraufhin ein Votum zwischen 18 und 20 Uhr britischer Zeit an. Laut den Regeln der Partei müssen sich mindestens 15 Prozent der Abgeordneten schriftlich für eine Absetzung der Premierministerin aussprechen, um eine entsprechende Abstimmung herbeizuführen.
Javid oder Johnson mögliche Nachfolger
Durch den Brief des Abgeordneten Owen Paterson, der Brady gestern erreichte, wurde dieses Quorum erfüllt. Sollte May am Abend keine Mehrheit erhalten, würde sie bis zu Neuwahl eines Premierministers geschäftsführend im Amt bleiben. Als aussichtsreiche Kandidaten der Tories für die Nachfolge Mays gelten derzeit Innenminister Sajid Javid und der frühere Außenminister Boris Johnson. Auch die zurückgetretenen Minister Dominic Raab und Esther McVey sind Kandidaten für Nummer 10 Downing Street.
May kündigte aber an, um ihr Amt zu kämpfen und sich dem Votum „entgegenzustellen“. Sollte May die Abstimmung gewinnen, kann sie in den nächsten zwölf Monaten nicht mehr aus den Reihen ihrer eigenen Fraktion heraus gestürzt werden. Allerdings ist unklar, ob sich May bei einem knappen Sieg an der Spitze der Regierung halten kann.
Grund für den Wunsch zahlreicher Abgeordneter nach einer Absetzung Mays ist die Unzufriedenheit über den Brexit-Kompromiß, den die Premierministerin mit der EU ausgehandelt hat. Konservative Brexit-Befürworter um den Abgeordneten Jacob Rees-Mogg kritisieren, dadurch würde Großbritannien auf absehbare Zeit weiter de facto unter der Kontrolle der Europäischen Union bleiben.
May blitzt in Brüssel ab
Zuvor hatte May in Gesprächen mit europäischen Politikern auf Nachverhandlungen des Brexit-Kompromisses gedrungen. Dem erteilten EU-Kommissionpräsident Jean-Claude Juncker und EU-Ratspräsident Donald Tusk eine Absage. „Es gibt überhaupt keinen Raum für Neuverhandlungen“, betonte Juncker. Tusk versicherte, die EU wolle May natürlich helfen. „Die Frage ist nur wie.“ May verließ die Begegnungen hingegen mit einem anderen Eindruck. Es gebe eine „gemeinsame Entschlossenheit mit dieser Frage umzugehen und sich mit diesem Problem zu befassen“, konstatierte sie. (tb)