BERLIN. Die Anti-Terror-Fahnder des Berliner Landeskriminalamtes (LKA) haben Medienberichten zufolge bereits lange vor dem Amri-Attentat im Dezember 2016 nicht mehr ordnungsgemäß ermittelt. Hintergrund sei die völlige Überlastung der Beamten gewesen, berichten rbb und Berliner Morgenpost.
Demnach beschwerte sich ein Kommissariatsleiter des LKA 54, daß zuständig für islamistische Kriminalität ist, bereits im Oktober 2015 über fehlende Mitarbeiter in seinem Dezernat. Eine sachgerechte Bearbeitung der Verfahren sei nicht mehr gewährleistet, heißt es in dem internen Schreiben an seine Vorgesetzten. Wegen fehlender Mitarbeiter könne „Qualität und Tiefe von Ermittlungsmaßnahmen nicht in allen Fällen dem Optimum entsprechen“.
Gleichzeitig habe er in einer sogenannten Überlastungsanzeige detailliert aufgelistet, in welchen Fällen er und seine Kollegen nicht mehr ordnungsgemäß ermitteln könnten. Die Liste beinhalte mehrere Verfahren gemäß Paragraph 89a STGB – der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat.
Überlastetes Kommissariat war auch für Amri zuständig
Wenige Monate später sei dieses Kommissariat auch für die Ermittlungen gegen den späteren Attentäter Anis Amri zuständig gewesen. Nach rbb-Informationen wurde Polizeipräsident Klaus Kandt bis dahin nicht über den Personalmangel informiert.
Auch nach dem Anschlag vom Breitscheidplatz seien die Personalnöte der Anti-Terror-Fahnder im Berliner Landeskriminalamt groß gewesen. Ein Vermerk zur „Arbeitsbelastung des LKA 54“ zeige, daß die zuständigen Beamten in den ersten Wochen nach dem Anschlag fast ausschließlich mit Fragen zu Versäumnissen und Fehleinschätzungen im Fall Amri befaßt waren.
Ermittlungen gegen andere potenzielle Terroristen seien auf der Strecke geblieben. „Eine operative Bearbeitung der Gefährder, für die 544 zuständig ist, erfolgt momentan nicht“, heißt es über eines der Anti-Terror-Kommissariate (LKA 544) wörtlich. Gleichzeitig sei die bundesweit verpflichtende Aktualisierung sogenannter Personagramme mit Informationen über islamistische Gefährder in 20 von gut 70 Fällen „überfällig“ gewesen.
Weiterleitung an den Innensenator erfolgte nicht
„Die Überlastungsanzeige war ein ultimativer Hilferuf. Die Verantwortlichen hätten darauf reagieren und zeitnah Personal abordnen müssen“, kritisierte der Berliner Sprecher der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Benjamin Jendro. „Im Zweifel hätte das bis zum Innensenator gehen müssen“. Nach Auskunft der Polizei und der Innenverwaltung sei eine Weiterleitung jedoch nicht erfolgt.
Innenpolitiker der Oppositions- und Regierungsfraktionen haben dem Bericht zufolge bereits angekündigt, Kandt und den Berliner LKA-Chef Christian Steiof im laufenden Amri-Untersuchungsausschuß zu den Vorwürfen zu befragen. (ha)