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Meinung: Der alte, neue Traum

Meinung: Der alte, neue Traum

Meinung: Der alte, neue Traum

Einfamilienhaus
Einfamilienhaus
Heim, Familie, Beruf: Der alte Traum ist in Deutschland nur noch schwer zu realisieren Foto: picture alliance/dpa Themendienst
Meinung
 

Der alte, neue Traum

Es ist der Traum vieler: Ein Haus in der Vorstadt, als Vater und Mutter die nächste Generation begründen, gute Schulen für die eigenen Kinder, Montag bis Freitag arbeiten und am Wochenende mit Freunden im Garten grillen. Dieser alte Traum ist nicht tot, aber er liegt im Sterben – zumindest in Deutschland. Von Dushan Wegner.
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Es gibt ein Wort in der jüdischen Gedankenwelt, das sich mir (und vielen anderen, ich bin darin nicht besonders) bereits beim ersten Hören eingeprägt hat: Altneu. Wir begegnen dem Wort Altneu etwa im Roman Altneuland von Theodor Herzl. Zum Besuch von Prag gehört auch ein Besuch der Altneuschul, Europas ältester aktiver Synagoge.

Zur Herkunft des Wortes „Altneu“ existieren verschiedene Ansätze. Man könnte es etwa aus dem Hebräischen „al tnay“ herleiten, „unter der Bedingung“. Entscheidend ist für mich (und wieder die meisten anderen Hörer) die Bedeutung, die es ganz offensichtlich zu tragen scheint: Altes und Neues, zu einem verbunden. Und so wird es auch ins Englische übersetzt: Old-New.

Haßbild mancher Großstadt-was-mit-Medien-Vordenker

Als wir Wegners aus der damaligen Tschechoslowakei in den Westen kamen, hatten wir einen Traum, von einem neuen, alten Leben. Die Hoffnung meiner Eltern und Großeltern steckte auch uns Kinder an: Man freute sich auf all die Dinge, die Deutschland möglich machen würde. Wir Kinder besuchten Schulen, die Eltern fanden anständige Arbeit.

Unser Traum war praktisch deckungsgleich mit dem heutigem Haßbild mancher Großstadt-was-mit-Medien-Vordenker: Ein Haus in der Vorstadt, als Vater und Mutter die nächste Generation begründen, gute Schulen für die eigenen Kinder und dazu eine Musikschule, Montag bis Freitag arbeiten, am Wochenende mit Freunden im Garten grillen und über neue Bücher diskutieren. Ich weiß, daß wir diesen Traum mit Millionen Deutschen teilten.

Dieser alte Traum ist nicht tot, aber er liegt im Sterben – zumindest in Deutschland. Öffentliche Kulturschaffende verachten geradezu dieses alte Bild von Vater-Mutter-Kinder. Sie haben sogar einen Namen für ihren Haß: Familismus. Meist kinderlose Medienschaffende predigen, der moderne Mensch habe in zerrissenen Patchwork-Familien zu leben. Die Politik auf der anderen Seite macht die Städte gefährlich, so daß man es sich zweimal überlegt, in das neue Sicherheitsklima hinein eine Familie zu gründen.

Der alte Traum will noch immer gelebt werden

Der alte Traum will weitergelebt werden. Immer mehr Menschen haben aber Zweifel, ob es unter den gegenwärtigen Bedingungen wirklich möglich ist. Ich kenne einige, die ziehen aus den Städten wieder hinaus in ländliche Regionen. Ich kenne andere, die verstärken ihre Türen und Fenster und bauen sich automatische Garagenöffner ein, denn sie wollen vom Leben um ihr eigenes Haus herum so wenig wie möglich mitbekommen, wenn sie morgens die Kinder im SUV zur Privatschule fahren.

Ich kenne Menschen, die sind aus Deutschland ausgewandert. An manchen Orten der Schweiz, in Spanien oder auch in den USA hat man das Gefühl, mehr Deutsche auf der Straße zu treffen als in gewissen Stadtteilen Deutschlands.

Der alte Traum will noch immer gelebt werden. Sein Kern bleibt derselbe: Leben, lieben, lernen und die nächste Generation vorbereiten. Wie und wo aber der alte, neue Traum gelebt wird, das wird sich ändern – das ändert sich bereits.

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Dushan Wegner ist freier Autor.

Heim, Familie, Beruf: Der alte Traum ist in Deutschland nur noch schwer zu realisieren Foto: picture alliance/dpa Themendienst
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