Heute ist ein schöner Tag für einen Aufstand. Einen kleinen, der nicht weh tut, aber doch von Bedeutung wäre. Eine kleine Rebellion gegen undurchsichtige Absprachen von Parteifunktionären und Fraktionsmanagern. Heute ist der Tag, um der deutschen Einheit ein würdiges Denkmal zu bescheren – oder besser gesagt: um eine Katastrophe zu verhindern. Denn es geht um die Wippe.
Im Reichstag steht heute die Entscheidung darüber an, ob in Berlin künftig tatsächlich eine überdimensionale Wippe an die erhabensten und glücklichsten Momente der jüngeren deutschen Geschichte erinnern soll: an den Freiheitskampf der Deutschen in der DDR gegen die Diktatur des SED-Regimes und an die Wiedervereinigung Deutschlands nach 40 Jahren Teilung.
Gespött der ganzen Welt
Noch können die Abgeordneten des Bundestages Deutschland vor dieser Blamage bewahren. Mit einem deutlichen Votum gegen die Wippe können sie verhindern, daß sich das wichtigste Land in Europa mit einer infantilen Spielerei in der Mitte seiner Hauptstadt zum Gespött der ganzen Welt macht.
Die heutige Abstimmung im Bundestag ist der dramatische Höhepunkt einer quälenden und typisch bundesrepublikanisch verkopften und verklemmten Debatte. Eine Jury hatte 2011 entschieden, vor dem wiederaufgebauten Berliner Stadtschloß eine 50 Meter lange und 18 Meter hohe Wippe in Form einer Schale als Einheits- und Freiheitsdenkmal zu errichten.
Der kindische Clou: Je nachdem, auf welcher Seite sich mehr Menschen versammeln, neigt sich das Ungetüm gemächlich in eine Richtung – natürlich ist das ganze auch noch barrierefrei. Mehr Worte will und kann man über diese absurde Idee nicht verlieren. Doch den Kopf hängen zu lassen, verbietet sich auch, solange die endgültige Entscheidung noch nicht gefallen ist. Bis heute Abend besteht noch Hoffnung.
Obstschale oder Bundesbanane
Denn Ende vergangenen Jahres sah es für einen kurzen Augenblick schon einmal so aus, als ob die ungeliebte Wippe in letzter Minute doch noch verhindert werden könnte und auf dem bereits jetzt schon gut gefüllten Schrottplatz der deutschen Gedenkkultur landen würde. Der Haushaltsausschuß des Bundestages hatte in einem tollkühnen Beschluß aus heiterem Himmel 18,5 Millionen Euro bewilligt, um der Wippe im wahrsten Sinne des Wortes den Weg zu verbauen und statt dessen die Kolonnaden des wilhelminischen Kaiser-Wilhelm-Nationaldenkmals wieder zu errichten, das an dieser Stelle bis 1950 die deutsche Einheit von 1871 feierte.
Doch die Freude währte nur kurz. Schnell wurden die aufmüpfigen Abgeordneten wieder diszipliniert und auf die ausgetretenen Pfade der bundesrepublikanischen Gedenkkultur zurückgezwungen. Und nun droht uns also endgültig das bereits jetzt von den Berlinern wahlweise als Obstschale oder Bundesbanane verspottete Ungetüm.
Es braucht lediglich etwas Mut
Aber noch ist es ja nicht zu spät! Noch sind einige Stunden Zeit, diese Kinderei zu verhindern und sich doch noch auf ein würdiges, dem Gedenken an die Wiedervereinigung angemessenes Denkmal zu einigen. Die Abgeordneten brauchen lediglich etwas Mut, den Vorgaben ihrer Fraktionsführungen zu widersprechen. Dieses eine mal nur.
Das Volk hätten die Volksvertreter dabei auf ihrer Seite. In einer Umfrage sprach sich jüngst die Mehrheit der Deutschen gegen die Einheitswippe aus. Vielleicht hilft dieses Votum ja bei der Entscheidung, die darüber bestimmt, ob wir uns und unserer Geschichte an einem der wichtigsten und schönsten Plätze der Hauptstadt für die nächsten Generationen der Lächerlichkeit preisgeben werden. Darum und um nichts weniger geht es heute in Berlin.