Mecklenburg-Vorpommern, Donnerstag abend: Im Schweriner Landtag wird über das Gesundheitssystem debattiert. Ein AfD-Abgeordneter tritt ans Rednerpult und setzt zur Begrüßung an. Was dann geschieht, jagt einem kalte Schauer über den Rücken.
Silvia Bretschneider (SPD) wirkt geschockt: Man kann der Landtagspräsidenten von Mecklenburg-Vorpommern sichtlich ansehen, wie sie um Fassung ringt und nach den passenden Worten sucht, um das, was eben im Schweriner Landtag geschehen ist, zu verurteilen.
Wieder einmal hat die AfD gezielt den Tabubruch gesucht. Deren Abgeordnete nutzen das Plenum seit ihrem Einzug in den Landtag regelmäßig für ihre Provokationen. Manchmal versteckt, manchmal aber auch ganz offen und ungeniert. So wie am gestrigen Donnerstag.
Der AfD-Abgeordnete Gunter Jess macht gleich zu Beginn seiner Rede zum Öffentlichen Gesundheitsdienst im Land klar, daß es ihm nicht um das Thema, sondern ganz allein um den großen Eklat geht. Entsprechend provokativ beginnt er seinen Beitrag: „Frau Präsidentin, verehrte Abgeordnetenkollegen, liebe Landsleute und Gäste.“
Provokationsrede des AfD-Abgeordneten Gunter Jess
Padautz! Hat er das wirklich gesagt? Landsleute? Schockstarre, ungläubige Blicke in den Reihen der Präsidiumsbank. Dann ist es Landtagspräsidentin Bretschneider, die als erste wieder ihre Stimme findet und dem AfD-Mann die Leviten liest.
Man habe wiederholt zur Kenntnis nehmen müssen, beginnt die SPD-Politikerin ihre Standpauke, daß die AfD-Fraktion nicht bereit sei, sich bei der Eröffnung ihrer Redebeiträge an die Gepflogenheiten des Hauses zu halten. Dann wird Bretschneider deutlich: „Aber daß hier nun, sage ich mal, neben Bürgern und was weiß ich wem allen noch, nun noch Landsleute begrüßt werden: Das gehört sich nicht! Das gehört nicht hierher!“
Jess möchte etwas erwidern, doch Bretschneider macht ihm unmißverständlich klar: „Sie haben das jetzt nicht zu kommentieren.“ Das hat gesessen. Und sie legt noch einen drauf: „Es gibt ganz klare Regeln des Anstandes, die gelten auch für die Fraktion der AfD!“
Provokateur gibt sich uneinsichtig
Klare Worte. Jeder halbwegs anständige Parlamentarier würde sich angesichts einer solchen Ermahnung beschämt zurückziehen und um Entschuldigung bitten. Nicht aber Provokateur Jess. Der gibt sich renitent: „Ich kann diese Einmischung der Landtagspräsidentin überhaupt nicht nachvollziehen“, zeigt sich der AfD-Mann gegenüber der JUNGEN FREIHEIT uneinsichtig.
„Ich habe bisher in meinen Reden immer unsere ‘Landsleute’ begrüßt und werde das auch weiterhin machen.“ Landtagspräsidentin Bretschneider habe auch überhaupt keine Handhabe gegen diese Begrüßungsformel, giftet Jess. Es ist also zu befürchten, daß sich solch unschöne Szenen auch in Zukunft wiederholen werden.