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„Ein Armutszeugnis für die soziale Stadt Wien“: Mütter auf Herbergssuche

„Ein Armutszeugnis für die soziale Stadt Wien“: Mütter auf Herbergssuche

„Ein Armutszeugnis für die soziale Stadt Wien“: Mütter auf Herbergssuche

Schwanger
Schwanger
Schwanger: Schon vor der 11. Woche beginnt die Herbergsuche für Mütter Foto: picture alliance / Bildagentur-online/Tetra Images
„Ein Armutszeugnis für die soziale Stadt Wien“
 

Mütter auf Herbergssuche

Mit dem 15. Oktober stellte eine weitere Geburtenstation in Wien ihren Betrieb ein. In der schnell wachsenden Stadt gibt es immer weniger Entbindungsmöglichkeiten und Geburtshelferinnen. „Hebammen wurden intern weitervermittelt“, erzählt eine der verbliebenen Krankenschwestern. Ein Armutszeugnis für die „soziale Stadt Wien“, wie etliche Frauen der JUNGEN FREIHEIT im Gespräch berichten.
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Julia K. ist eine von vier Schwangeren, die bis Ende Oktober ihren Nachwuchs noch im Wiener Hanusch-Krankenhaus zur Welt bringen darf. Das Spital gab in einer Nacht-und-Nebel-Aktion bekannt, ab dem 15. Oktober die Geburtenstation zu schließen. Sie soll einer Station für Krebspatienten weichen. Anstatt in einer wachsenden Stadt die Anlaufstellen zu erweitern, werden sie reduziert.

Ein weiterer drastischer Einschnitt in die Patientenversorgung von Österreichs einziger Millionenstadt. In Kombination mit der Arbeitszeitverkürzung von Ärzten könnte sich bald ein regelrechter Engpaß in der Versorgung entwickeln.

Bereits im Vorjahr brach die Geburtenrate in Wien alle Rekorde seit 1968. Rund 20.000 Kinder erblickten dort das Licht der Welt, die Tendenz ist auch für die kommenden Jahre steigend. Dennoch müssen die übrigen Krankenhäuser nun den Mehraufwand von 1.400 Geburten, die das Hanusch-Spital im Vorjahr verzeichnete, abfedern. Ein Ding der Unmöglichkeit, wie Patientenanwälte, Politiker, Ärztekammerchef und medizinisches Personal im Choral warnen.

Chaotische Zustände

Die betroffenen Mütter wurden schon in der Vergangenheit mit den denkbar schlechtesten Bedingungen konfrontiert. Wer sich nicht bereits vor der 11. Schwangerschaftswoche zur Entbindung angemeldet hatte, mußte entweder auf das weit entfernte niederösterreichische Umland ausweichen oder bis zuletzt auf ein Ersatzbett warten.

Ein Zeitpunkt, an dem viele werdende Eltern von ihrem Glück noch gar keine Ahnung haben oder es noch nicht einmal der eigenen Familie mitgeteilt haben. Ein Armutszeugnis für die „soziale Stadt Wien“, wie etliche Frauen der JUNGEN FREIHEIT im Gespräch berichten.

Keine Hebammen, keine Geburtenstationen

Ergattern die Schwangeren eines der begehrten Betten zum errechneten Geburtstermin und haben das Pech, nachts am Wochenende in den Wehen zu liegen, kann es durchaus vorkommen, daß sie von einer Hebammenschülerin im zweiten Semester betreut werden – wegen des Platzmangels im Kreißsaal im eigenen Zimmer.

„Die einzige anwesende Hebamme lief während der nur vierstündigen Geburt meiner ersten Tochter zwischen vier Zimmern und Kreißsälen hin und her“, schildert Diana B. die teils chaotischen Zustände in den städtischen Krankenhäusern. Im gesamten Wiener Stadtgebiet gibt es überdies nur 17 Hebammen mit Kassenvertrag, weswegen viele auf die oftmals notwendige und gesetzlich verankerte Nachsorge aus Kostengründen ganz verzichten.

Weniger Ärzte

Diesen Umstand kennt auch der Präsident der Ärztekammer für Wien, Thomas Szekeres. Er sieht das Schließen von Geburtenstationen in Kombination mit der Dienstzeitkürzung, welche am 1. September in Kraft trat, allerdings noch problematischer: „Man sollte daher genau darauf achten, die Kapazitäten nicht soweit herunterzufahren, daß es danach zu Schwierigkeiten kommt“, sagte er dem Kurier.

Seit dem 15. Oktober gilt die Station im Hanusch-Spital bereits als geschlossen. „Hebammen wurden intern weitervermittelt“, erzählt eine der verbliebenen Krankenschwestern der Geburtenstation der JF. „Natürlich geht so die eigentliche Profession der Geburtshelferin verloren“, zeigt sie sich enttäuscht von der Schließung. Julia K. trifft bei einem Kontrolltermin in der nun leeren Geburtenstation die Hebamme ihres ersten Kindes wieder. Sie ist gerade auf dem Weg zu ihrem neuen Arbeitsplatz: der Augenambulanz.

Hausgemachte Gesamtproblematik

Den Mehraufwand durch die Schließung könnten die übrigen Entbindungsabteilungen der Wiener Spitäler allerdings leicht auffangen, versucht der Krankenanstaltenverbund (KAV) zu beschwichtigen. Genannt werden in diesem Zuge etwa neu entstehende Eltern-Kind-Zentren, die wie das Krankenhaus Nord, allerdings noch gar nicht in Betrieb genommen wurden.

„Wir haben an der Brünner Straße derzeit kein einziges der insgesamt geplanten 53 Betten für den Fachbereich Gynäkologie und Geburtshilfe zur Verfügung. Daran wird sich auch bis zum 15. Oktober nichts ändern, wenn die Geburtenstation im Hanusch-Krankenhaus mit 40 Betten nicht mehr genutzt werden kann“, schildert die Wiener Landtagsabgeorndete Ingrid Korosec (ÖVP) die Situation.

An den bisherigen und geplanten Standorten ist zudem keine intensivmedizinische Versorgung vorgesehen. Notfälle bei Neugeborenen müssen weiterhin, wie bereits seit vielen Jahren, per Einsatzfahrzeug in das Wilhelminenspital oder das Allgemeine Krankenhaus überstellt werden.

 

Schwanger: Schon vor der 11. Woche beginnt die Herbergsuche für Mütter Foto: picture alliance / Bildagentur-online/Tetra Images
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