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Kommentar zur EZB: Flasche leer

Kommentar zur EZB: Flasche leer

Kommentar zur EZB: Flasche leer

EZB-Chef Mario Draghi
EZB-Chef Mario Draghi
EZB-Chef Mario Draghi: Droge für die Wirtschaft Foto: dpa
Kommentar zur EZB
 

Flasche leer

Die Senkung des Leitzinses durch die Europäische Zentralbank wird weitreichende Folgen für die Bürger haben. Dabei steckt hinter Mario Draghis wilden Sprüchen, seinen gezielten Unehrlichkeiten, Desinformationen und den andauernden Überraschungen keine kluge Politik – sondern schiere Verzweiflung. Ein Kommentar.
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Seit Jahren schon ist jeder Becher, den die Europäische Zentralbank (EZB) dem normalen Sparer serviert, bitter. Und jetzt zeigt sich: er muß auch immer bis zur Neige geleert werden. Anders geht es nicht bei Mario Draghi und seinen Helfern.

Was ist passiert? Mathematisch nicht viel, ökonomisch aber eine ganze Menge.

Am 10. März hat die EZB den Leitzins, der seit Jahren schon bei unterirdischen 0,05 Prozent lag, nun zum 16. März 2016 auf null Prozent gesenkt. Banken können sich nun gratis Geld bei der EZB leihen – etwas, das es in Europa noch nie gegeben hatte.

Leihen sich Banken aber kein Geld bei der EZB, sondern wollen im Gegenteil ihr Geld dort parken, dann werden sie dafür nun mit einem Negativzins von 0,4 Prozent bestraft. Das bedeutet: Deponiert eine Bank eine Million Euro bei der EZB, weil sie diese Summe nicht in ihren eigenen Tresoren aufbewahren will, und läßt sie diese Million dann ein Jahr lang bei der EZB liegen, dann sind am Ende des Jahres davon nur noch 996.000 Euro übrig. Die fehlenden 4.000 Euro hat die EZB dafür kassiert, daß sie das Geld aufgehoben hat.

Ökonomische Kanonenpolitik

Der Sinn hinter dieser Maßnahme ist schon klar: Die EZB will die Banken dazu bewegen, Gelder weder bei ihr noch in den Tresoren der Banken zu bunkern, sondern sie mit vollen Händen an Unternehmer und Häuslebauer auszuschütten. Diese ökonomische Zwangsmaßnahme soll Kredite mit aller Macht in die Märkte drücken, um damit Investitionen hervorzurufen, die endlich das überall ersehnte, aber nirgends zu findende Wirtschaftswachstum bringen sollen. Man könnte Draghis ganze Aktion auch als Konjunkturpolitik mit dem Brecheisen bezeichnen, nach der Devise: Und seid ihr nicht willig zu wachsen, dann brauch‘ ich Gewalt.

Draghi verkennt in seinem blindwütigen Aktionismus, den längst der Ruch der Verzweiflung umweht, eine fundamentale Wahrheit: Drohungen, Strafen und Gewalt lösen kaum jemals im Leben große Probleme – und in der Wirtschaft schon gar nicht. Diese ökonomische Kanonenpolitik der EZB – Draghi selbst hat von einer großen Bazooka gesprochen – krankt an zwei Problemen: Erstens wollen, können und dürfen Banken gar nicht um jeden Preis Gelder in die Wirtschaft drücken, weil es ja auch noch das Kreditwesengesetz, Basel II und III und das Rating von Kreditnehmern gibt. Werden dann die Strafzinsen zu hoch und der Druck unerträglich, dann überlegen Banken, wie es im Moment die Sparkassen tun, sich sehr wohl wieder, ihre Mittel ganz einfach wie früher im Tresor zu lassen.

Billiges Geld schafft kein Wirtschaftswachstum

Zweitens schafft allein billiges Geld kein Wirtschaftswachstum. Der Grund dafür, warum in Frankreich, Italien, Griechenland und Finnland kein, und in den anderen EU-Ländern bis auf Deutschland, Großbritannien, Spanien und Irland kaum Wachstum herrscht, liegt einfach darin, daß in allen Ländern ohne Wachstum der Markt nach wie vor viel zu viele Hindernisse hat, die ein Wachstum erst gar nicht aufkommen lassen.

Die Franzosen arbeiten nach wie vor nur 35 Stunden in der Woche, in Italien kann man immer noch niemanden entlassen, in Spanien und Griechenland liegt die Arbeitslosenquote bei 20 Prozent, in Portugal, Frankreich und Italien bei über 10 Prozent. Und in all diesen Ländern sind überdies die Schulden hoch und die Steuereinkünfte vergleichsweise niedrig.

Ohne eine Entrümpelung von Arbeitsrecht, Steuerrecht und Baurecht, die Schaffung effizienter Kataster- und Grundbuchämter und eine flächendeckende Steuersenkung wird es in Italien und Frankreich auf absehbare Zeit weder ein Wachstum noch einen Abbau von Arbeitslosen und Staatsschuld geben – ganz egal wie niedrig die Zinsen für das Ausleihen von Geld und wie hoch die Pönalen für dessen Horten sind.

Niedrige Zinsen als Droge für die Wirtschaft

Die Auswirkungen dieser jüngsten Maßnahmen der EZB kann man sich an einer Hand abzählen: Der Euro wird gegenüber dem Dollar weiter an Stärke verlieren, was die Exporte aus der EU billiger, den Einkauf von Öl jedoch, Investitionen in den USA und Reisen dorthin aber teuer macht. Sparer werden zukünftig noch weniger Geld für ihre Einlagen bekommen, und bei manchen Banken nun selber mit Strafzinsen rechnen müssen.

Die Aktienmärkte werden weiterhin stark bleiben – auch wenn die Fundamentaldaten der Unternehmen dies nicht hergeben, aber irgendwo muß das ganze Geld, das sichere Häfen und Anlagemöglichkeiten sucht, ja hin. Und endlich werden die tiefsten Zinsen seit Jahrzehnten die Immobilienwirtschaft in Deutschland nochmals richtig beflügeln, denn immer mehr Reiche und Wohlhabende stecken immer mehr Geld in Anlage-Immobilien, was das Preisniveau in begehrten Lagen weiterhin deutlich nach oben treiben wird.

Hinter der glitzernden Fassade der EZB, hinter Mario Draghis wilden Sprüchen, seinen gezielten Unehrlichkeiten, Desinformationen und den andauernden Überraschungen steckt keine ausgewogene, kluge, makroökonomisch sinnvolle Politik – sondern schiere Verzweiflung. Die EZB hat, das zeigt sich jetzt immer mehr, keine Optionen mehr. Die niedrigen Zinsen sind zur Droge der Wirtschaft in der EU geworden, und genau wie bei allen Drogen verhält es sich auch hier so: Ist man erst einmal abhängig, braucht man immer mehr davon. Am Ende wird es so kommen wie in Japan: Dort liegt der Leitzins seit 1999 bei null Prozent – und trotzdem gibt es kein Wachstum.

EZB-Chef Mario Draghi: Droge für die Wirtschaft Foto: dpa
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