Die Erschütterung über das Massaker in der Redaktion einer islamkritischen französischen Satirezeitschrift klingt noch nach. Doch schon melden sich in Deutschlands politisch-medialer Klasse die Vereinfacher und Relativierer zu Wort, die das Entsetzen instrumentalisieren. Mit schrägen Vergleichen versuchen sie ihre ins Wanken geratene Diskurshoheit zu verteidigen.
Die Ermordung der „Charlie Hebdo“-Karikaturisten war der erklärte Versuch, eine kritische Stimme im wörtlichen Sinne zu töten. So richtig es ist, daß die Kanzlerin in ihrem Kondolenztelegramm die Bluttat als „Anschlag auf die Meinungs- und Pressefreiheit“ verurteilt hat, so unangenehm stößt ihr zynischer Unterton der Heuchelei auf. Es war dieselbe Regierungschefin die nur eine Woche zuvor mit dem erhobenen Zeigefinger geäußert hat: „Es gibt ein Demonstrationsrecht, aber …“. Sie war es, die ihre Bürger ermahnt hat, dieses Grundrecht nicht wahrzunehmen, um gegen eine Islamisierung ihres Landes zu demonstrieren.
Die Politik flüchtet sich in Zynismus
Zynisch sind nicht jene Stimmen aus dem Umfeld von Pegida und ihren Sympathisanten, die in den Morden von Paris eine Bestätigung der Berechtigung ihrer Befürchtungen erblicken. Zynisch sind Politiker wie Linken-Fraktionschef Gregor Gysi und sein Parteifreund und Innenausschuß-Vize Frank Tempel, die friedlich demonstrierende Bürger und kaltblütige Mörder auf eine Stufe stellen, indem sie ihnen vorwerfen, daß sie „die Entstehung von Terrorismus fördern“, indem sie „Haß gegen den Islam“ schüren. Oder Bundesjustizminister Heiko Maas, der AfD und Pegida pauschal „Islamophobie“ unterstellt – die klassische Keule der Diskursverweigerung.
Verräterischer als die schnell zur Hand genommenen großen Worte sind die scheinobjektiven Zwischentöne: Die „Tagesschau“-Moderatorin, die krampfhaft darauf beharrt, es sei ja noch immer „unklar“, ob der Anschlag wirklich islamistisch oder nicht doch ganz anders motiviert sei. Der durchklingende Verdacht, die französischen Kollegen hätten vielleicht doch zu sehr provoziert.
Der Mordwille der Islamisten
Nicht zu vergessen die Perfidie, mit der Kommentatoren großer Tageszeitungen wie Welt und FAZ die „Lügenpresse“-Vorwürfe der Dresdener Demonstranten und den Mordwillen der Pariser Islamisten als Ausfluß derselben Geisteshaltung darstellen, um sich selbst gefahrlos mit dem Mut der ermordeten Kollegen zu schmücken, die für ihre konsequente Haltung gestorben sind.
Das erinnert an das Schlagen der Seismographen, die das Erdbeben angekündigt haben, das man selbst nicht kommen sehen wollte: Einschüchterungsmanöver, die von eigenen Irrtümern ablenken sollen, aus der Furcht heraus, die Deutungshoheit zu verlieren, in der man sich so überlegen gesonnt hat.
Muslime nicht pauschal in Haftung nehmen
So richtig die Feststellung ist, daß man die hier lebenden Muslime nicht pauschal in Haftung nehmen kann für die Taten einiger Fanatiker, daß sie in ihrer Mehrheit unauffällig und rechtstreu unter uns leben, so falsch es ist, einzelne Bevölkerungsgruppen – das gilt im übrigen auch für Andersdenkende in der einheimischen Mehrheitsbevölkerung – kollektiv zu beschuldigen: Mit abstrakten Bekenntnissen zu Freiheit und Werten ist es nach Paris nicht mehr getan.
Wir müssen über die Kernfragen von Einwanderung und Integration sprechen: Wer kommt, wer kann integriert werden, in welcher Welt leben Einwanderer, die wir in unserer Mitte aufgenommen haben? Wie steht es um ihre Identifikation mit unserem Gemeinwesen, besonders in Zeiten der Krise, wenn es hart auf hart kommt?
Die Islamverbände haben sich zu lange aus der Affäre gezogen
Islamisten, die heute scheinbar normal unter uns leben und morgen im fernen Syrien oder gar in unseren Städten in den „Dschihad“ ziehen, fallen nicht vom Himmel. Die – noch wenigen – Täter bewegen und radikalisieren sich in Milieus, die ihre Gesinnung gutheißen und ihre Taten bejubeln, ob im Moscheeverein oder in den sozialen Medien. Es ist fahrlässig und selbstmörderisch, sie noch länger als „Einzeltäter“ oder „psychisch Gestörte“ abzutun.
Es reicht auch nicht, einen Generalsekretär des Zentralrats der Muslime in den Fernsehnachrichten Lippenbekenntnisse ablegen zu lassen, die Mörder hätten ihren Glauben „verraten“. Man muß ihn auch fragen, warum er sich all die Jahre geweigert hat, über diese Radikalisierungsprozesse auch nur zu reden und das bloße Ansinnen als Zumutung von sich gewiesen hat.
Der radikale Islam gehört jetzt auf die Tagesordnung
In Frankreich, wo es zuletzt vor Weihnachten schon mehrere blutige Anschläge gab, ist die Verfestigung dieser Parallelwelten und Milieus, in denen der Terror gedeiht, weiter vorangeschritten als in Deutschland. Man kann diesen Prozeß auch „Islamisierung“ nennen. Und man kann, ja muß den dringenden und legitimen Wunsch haben, ihn aufzuhalten und abzuwenden.
So sehr sich die politisch-mediale Klasse auch winden mag: Das ist das Thema, das jetzt auf der Tagesordnung steht.