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Der geheimnisvolle Feuerball in der Taiga

Der geheimnisvolle Feuerball in der Taiga

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Der geheimnisvolle Feuerball in der Taiga

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Vor fast einhundert Jahren explodierte über Mittelsibirien ein geheimnisvoller Feuerball. Eine Waldfläche von der Größe Belgiens wurde vernichtet. Die Zahl der Toten ist bis heute unbekannt. Seitdem wurde über die Ursache der Katastrophe spekuliert. Jetzt ist sich eine italienische Forschergruppe sicher: Es war ein Meteorit. Der Tscheko-See war sein Einschlagkrater.

Der 30. Juni 1908, 7.17 Uhr Ortszeit. Ort: Die Tunguska, ein Gebiet der Taiga in Sibirien. Plötzlich wurde die abgelegene Nomadengegend durch eine gewaltige Detonation erschüttert. Die freigesetzte Kraft wird etwa 2.000 Hiroshima-Bomben entsprechen, so die Analysen der Forscher später. Bäume wurden niedergemäht, zermalmt. Menschen und Tiere verendeten in einem Augenblick. Noch in 100 Kilometern Entfernung wurden Menschen zu Boden gerissen. Der Explosionsknall war noch in 700 Kilometern Entfernung zu hören. Druck- und Bebenwellen wurden weltweit registriert.

Passagiere der Transsibirischen Eisenbahn, die in dieser Entfernung die Unglücksregion passierten, entkamen nur knapp dem Tod. Das Erdbeben brachte den Gleiskörper zum Schwanken, der Lokführer bremste geistesgegenwärtig den Zug. Ein Reporter schrieb: „Ein Feuerball schoß über den Himmel. Es ging alles so schnell und die Erscheinung war so unerwartet, daß man weder seine Größe noch seine Form genau erkennen konnte.“

Ein Bauer, der sechzig Kilometer entfernt von der Explosion war, berichtete: „Ich saß vor meiner Haustüre, als plötzlich ein gewaltiger Blitz aufleuchtete. Ich sah eine riesige Feuerkugel, die einen großen Teil des Himmels bedeckte. Danach wurde es dunkel, und gleichzeitig spürte ich eine Explosion, die mich von meinem Hocker schleuderte. Ich verlor das Bewußtsein.“ Weitere Augenzeugenberichte sprachen von einem Objekt am Himmel, das zehn Minuten rot glühte. Von einer zwanzig Kilometer hohen Lichtsäule, vom Dröhnen wie Kanonenkugeln. In der Folgezeit beobachtete man in der nördlichen Hemisphäre eine Reihe seltsam heller Nächte. Sie dauerten etwa zwei Monate an.

Weder ein Krater noch Teile eines Meteoriten gefunden

Doch erst im Jahre 1927 brach der russische Wissenschaftler und Meteoritenforscher Leonid A. Kulik aus St. Petersburg in die zerstörte Region auf. Er hatte 1921 von der russischen Akademie der Wissenschaften den Auftrag bekommen, sich mit Meteoriten zu beschäftigen. Ein Kollege zeigte ihm dann einen Zeitungsausschnitt aus dem Jahre 1908 – die Tunguska-Katastrophe. Kulik notierte in seinem Tagebuch: „Ich kann den niederschmetternden Eindruck kaum beschreiben. Rundum ist keine Spur von Wald mehr zu sehen, alles ist verwüstet und verkohlt.“ Insgesamt sollen, so spätere Schätzungen, etwa achtzig Millionen Bäume in einem mehr als 2000 Quadratkilometer großen Areal niedergemäht worden sein.

Kulik drang in mehreren Expeditionen immer tiefer in die Wüstenei ein. Er hoffte, auf Überreste eines gigantischen Meteoriten zu stoßen. Doch zu seiner Überraschung entdeckte er eine merkwürdige Stelle im Zentrum der Zerstörung: Hier waren die Baumstämme alle stehengeblieben. Allerdings waren die Äste abgerissen. Und Kulik fand weder einen Einschlagkrater, noch sonst etwas, das auf einen Meteoriten hindeutete. Immerhin gelang es ihm, die Aufmerksamkeit anderer Wissenschaftler auf die geheimnisvolle Katastrophe zu lenken.

Seit dieser Zeit blühten aber auch die abenteuerlichsten Erklärungsversuche. Von der Atomexplosion an Bord eines außerirdischen Raumschiffes bis zu einem winzigen schwarzen Loch, das in der Tunguska niedergegangen sei. Es habe den ganzen Planeten durchschlagen und sei im Nordatlantik wieder aufgetaucht. Ein schwarzes Loch entsteht, wenn ein alternder Stern in sich – bis auf wenige Kilometer – zusammenstürzt, dabei verdichtet sich seine Materie so stark, daß seine Schwerkraft sogar das Licht verschluckt, das von ihm ausgeht. Eine weitere exotische Theorie sprach von einem interstellaren Klumpen Antimaterie, die in winzigsten Mengen auch die Energie von Atombomben freisetzen kann, wenn sie mit „normaler“ Materie zusammentrifft und dann zerstrahlt. Und diverse Ufo-Spekulationen durften auch nicht fehlen. Zum Schluß gab es wohl über 100 Hypothesen, die im Laufe der Zeit aufgestellt wurden. Eine schloß die andere aus. Die wahrscheinlichste Erklärung war und blieb ein Meteoritenaufschlag. Nur: Wo waren die Reste? Das Geheimnis um die sibirische Feuerkugel – sollte es sich nie lösen lassen?

Für das Rätsel der Bäume hatte die seriöse Wissenschaft dann eine Erklärung: Durch die Explosion in mehreren Kilometern Höhe wird eine ungeheure Druckwelle erzeugt. Sie knickt in dem darunterliegenden Gebiet dicke Baumstämme wie Streichhölzer. Direkt unter dem Explosionszentrum aber treffen die Druckwellen senkrecht auf die Bäume. So werden zwar alle Äste sauber abrasiert – die Stämme selbst aber bleiben stehen. Ein Modell übrigens, das am besten auf einen Meteoriteneinschlag paßt.

Erforschung des Tscheko-Sees bringt Gewißheit

Die Forscher des Instituto Szienze Marine und der Universität von Bologna, der Universität von Triest sowie des Unternehmens Communication Technology in Cesena sind jetzt sicher, die Meteoriten-Theorie entscheidend erhärten zu können. In der Zeitschrift Terra Nova schreiben sie, seismische Messungen des Tscheko-Sees (er liegt acht Kilometer vom Epizentrum entfernt) hätten in zehn Metern Tiefe eine „Reflexionsanomalie“ erkennen lassen – möglicherweise liege dort ein Meteorit. Zudem sei das Seebecken ähnlich einem Einschlagkrater konusartig geformt. Die italienischen Forscher benötigen aber noch eine Bohrprobe aus dem zehn Meter tiefen Sediment. Nur diese könnte den endgültigen Beweis liefern. Im nächsten Jahr soll die entsprechende Expedition zu dem See starten, um das Jahrhunderträtsel endgültig zu knacken.

Nur eines stimmt nachdenklich: Was wäre, wenn sich ein solches Ereignis wiederholt? Und zwar nicht in der einsamen sibirischen Taiga, sondern mitten in den dichtbesiedelten Regionen der Erde?

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