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Lassalle und das Recht auf Eroberung

Lassalle und das Recht auf Eroberung

Lassalle und das Recht auf Eroberung

 

Lassalle und das Recht auf Eroberung

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Ferdinand Lassalle ist in der breiteren Öffentlichkeit vorwiegend als Gründer des Allgemeinen Deutschen Arbeitervereins bekannt, der Vorläuferorganisation der SPD. Manche mögen ihn auch noch als früh verstorbenes Opfer der damaligen Duellkultur kennen. Sein Tod beim selbstgeforderten Zweikampf jährte sich dieses Jahr zum hundertfünfzigsten Mal.

Nun war Lassalle aber nicht nur aktiver sozialistischer Politiker, Lebemann und gekränkter Beinahe-Ehemann, sondern auch politischer Theoretiker. Auf dieser Ebene spielte bei ihm der Begriff „Volksgeist“ eine große Rolle. Von dessen Stärke hing in Lassalles Augen nicht weniger als das Existenzrecht von Volk und Staat ab. Das Recht war in Lassalles Augen beim kulturell Stärkeren angesiedelt, der kulturell schwächere „Volksgeist“ war bis zur Überflüssigkeit im Unrecht. In seinen theoretischen Betrachtungen liest sich das dann so:

„Das Recht der Volksgeister auf eigene Existenz bleibt daran gebunden, daß ein in eigener Weise sich entwickelnder und mit dem Kulturprozeß des Ganzen Schritt haltender Volksgeist da sei. Andernfalls wird die Eroberung ein Recht, und zwar entweder von vornherein, oder sie wird hinterher als ein solches erwiesen. Die Probe für dieses Recht ist bei der Eroberung eines Volkes verschiedener Rasse mehr das Aussterben, bei der Eroberung eines Volkes derselben Rasse mehr die Assimilierung desselben, die Hinüberhebung in den eigenen und höheren Kulturkreis. Mit diesem Recht hat sich die angelsächsische Rasse Amerika, Frankreich Algier, England Indien, (haben sich) die Völker deutscher Abkunft von denen slawischer Zunge ihren Boden erobert.“

In den Islamdebatten scheint diese Sichtweise gelegentlich noch auf

Es gab für Lassalle also ein Recht auf Eroberung, und man kann sagen, daß hier für ihn der Beweis des Kuchens in gewisser Weise im Essen lag. Berechtigt war die Eroberung für ihn, wenn sie gelang, wenn die Eroberten daraufhin ausstarben oder die eigene Kultur aufgaben. Unberechtigt sei die Eroberung, wenn beides nicht zu erwarten stand oder nicht eintrat. Weil seine eben zitierte Schrift hauptsächlich gegen Österreich gerichtet war, nahm Lassalle dann dessen Herrschaft in Italien und auch in Böhmen zum Anlaß, um auf dieser Basis Vorwürfe zu erheben und beides als Beispiele für illegitime Herrschaft zu bezeichnen.

Die Tschechen etwa, so argumentierte er, hätten sich weder der deutschen Herrschaft unter österreichischer Führung assimiliert, noch seien sie ausgestorben. Man lebe in Böhmen eben so vor sich hin, volksgeistig gesehen in einer Wüste. Das war auf eine originelle Art ein Plädoyer für die tschechische Unabhängigkeit.

Sie meinen vielleicht, so denkt heute keiner mehr? Nun, Sozialdemokraten sprechen heute wirklich nur noch selten Völkern ein Eroberungsrecht zu. Aber an mancher Stelle bricht sich diese Sichtweise immer noch gelegentlich Bahn. Sobald es etwa an die heute so aktuellen Islamdebatten und die prinzipielle kulturelle Leistungsfähigkeit islamischer Gesellschaften geht, ist die Wahrscheinlichkeit praktisch gleich Eins, daß einer mit dem Kalifat im spanischen Cordoba, dessen Hochkultur und dessen „Toleranz“ gegenüber Juden- und Christentum argumentiert.

Was hätte Lassalle zu den moslemischen Heeren in Spanien gesagt?

Nehmen wir für einen Augenblick unverbindlich an, das mit der Kultur und Toleranz sei dort in Cordoba tatsächlich so der Fall gewesen. Dann fragt sich, was Ferdinand Lassalle dazu gesagt hätte. Denn zu diesem Kalifat kam es, wie so häufig in der Weltgeschichte, indem Herrschaft durch Eroberung entstand. Es kamen muslimische Heere ungebeten über’s Meer, sie nahmen Stadt auf Stadt und schließlich fast das ganze Land ein und blieben über siebenhundert Jahre. Man warf sie dann wieder hinaus. Nach Lassalleschen Kategorien hatten sie also letztlich kein Recht auf Eroberung, denn sie haben versagt. Manche scheinen allen Ernstes immer noch das Gegenteil zu glauben.

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