Der Schriftsteller Akif Pirinçci hat mit seiner Rede am Montag bei Pegida in Dresden für heftige Empörung gesorgt. Nun hagelt es Strafanzeigen, Distanzierungen und Boykottaufrufe. Selbst Verlage springen ab. Im Interview mit der JUNGEN FREIHEIT zeigt sich Pirinçci schockiert. Die Kampagne sei wie eine Bücherverbrennung, nur ohne Flammen. Seine Existenz solle vernichtet werden.
Herr Pirinçci, es dürfte derzeit schwer sein, jemanden in Deutschland zu finden, der Sie verteidigt oder Ihnen den Rücken stärkt, überrascht Sie das? Haben Sie mit solchen Reaktionen gerechnet?
Pirinçci: Nein, damit habe ich nicht gerechnet. Ich hab‘ einen Fehler gemacht. Ich habe eine Rede gehalten, und ich bin wohl der schlechteste Redner der Welt, und habe das mit einer Lesung verwechselt. Wenn ich das bei einer Lesung gesagt hätte, wo nur Fans sind, wäre das was anderes gewesen. So ist das aber wohl in die Hose gegangen.
„Das war sarkastisch“
Haben Sie mit Ihrer Rede in Dresden den Bogen überspannt?
Pirinçci: Ich weiß es nicht. Das alles steht auch in „Deutschland von Sinnen“ und in meinen Postings auf Facebook. Die politische Seite hat einfach irgend etwas gesucht, womit sie mich wirklich fertigmachen kann. Und das war halt nun diese KZ-Sache.
Zahlreiche Medien legen Ihre Rede immer noch so aus, als ob Sie darin gefordert hätten, Politiker oder Asylsuchende ins KZ zu stecken.
Pirinçci: Wer das Zitat vollständig liest, weiß ganz genau, was ich gemeint habe. Ich habe überspitzt und satirisch gemeint, daß die Politik am liebsten Asylkritiker ins KZ stecken würde. Das ganze fängt mit einer Analogie zum Nationalsozialismus an, mit der Umvolkung. Dann kommen verschiedene Aussagen, unter anderem die eines CDU-Politikers aus Hessen, der sagt, Asylkritiker sollten Deutschland verlassen, wenn die momentane Situation ihnen nicht passe.
Und dann habe ich überspitzt gesagt, es gebe auch andere Alternativen, aber die KZs seien ja leider außer Betrieb. Das ist eine Analogie zur Judenverfolgung. Da hat man auch zuerst gesagt, haut ab, danach kam die Judenbuße, wo sie ihr Vermögen hier lassen mußten, und dann kamen die KZs. Ich habe das in einer sehr überspitzen und sarkastischen Form gesagt. Aber jeder, der das lesen kann, weiß, daß das nicht auf Flüchtlinge oder Politiker bezogen war, sondern auf die Asylkritiker. Daß man die am liebsten noch ins KZ stecken würde.
„Sie wollen meine Existenz vernichten“
Volker Beck hat Strafanzeige gegen Sie gestellt.
Pirinçci: Der hat schon mal Anzeige gegen mich gestellt. Herr Beck zeigt doch jeden an, der eine andere Meinung hat als er selbst. Er ist quasi ein „Serienanzeiger“. Es ist schon erstaunlich, daß ein Mensch, der in den achtziger Jahren in einem Buch die Straffreiheit von Pädophilie gefordert hat, glaubt, nun das Recht zu haben, andere strafrechtlich zu verfolgen. Er denkt, er kann einfach Meinungen verbieten. Es reicht solchen Leuten nicht, zu sagen, der Pirinçci ist ein Nazi. Nein, sie wollen, daß ich nicht mehr weiter rede. Sie wollen meine Existenz vernichten.
Aber bei Volker Beck ist das doch lediglich „Gratismut“. Der bezahlt die Verfahrenskosten ja nicht mal selbst, wenn er den Prozeß verliert. Ich dagegen muß meinen eigenen Kopf hinhalten und das alles mit meinem privaten Geld finanzieren.
Asylanten, die in Frauen „ihren Moslemsaft hineinpumpen“, die Grünen als „Kinderfickerpartei“: Diskreditieren Sie mit einer solchen Wortwahl nicht jede ernsthafte Asylkritik?
Pirinçci: Es mag sein, daß ich das diskreditiere. Aber ich bin nun mal ein sogenannter Krawallautor. Ich verpacke das in sehr griffige, provozierende Worte. Und das mit dem „Moslemsaft reinpumpen“: Das steht auch in einem größeren Zusammenhang. Da muß man mal den ganzen Abschnitt lesen. Da ging es um einen islamischen Verein in Berlin, der forderte, Aktbilder aus einer Ausstellung zu entfernen. Das ist wie mit den KZs. Es werden immer ganz gezielt nur einzelne Sätze aus dem Zusammenhang gerissen.
„Mich interessiert nicht, was Bachmann sagt“
Pegida-Chef Lutz Bachmann hat sich mittlerweile auch von Ihnen distanziert und sagt, es sei ein Fehler gewesen, Ihnen am Montag das Mikrofon zu überlassen.
Pirinçci: Das ist mir egal. Die haben mich eingeladen und wußten, wer kommt. Und die waren auch sehr happy, daß ich gekommen bin. Es interessiert mich nicht, was dieser Bachmann macht oder jetzt sagt.
Wie kam es zu der Einladung nach Dresden?
Pirinçci: Tatjana Festerling hat mich eingeladen, und dieser Einladung bin ich gerne gefolgt.
Was hat Herr Bachmann nach der Demonstration am Montag zu Ihnen gesagt, hat er sich über Ihren Auftritt beklagt?
Pirinçci: Nein, überhaupt nicht. Es herrschte eine so gewalttätige Atmosphäre wegen der extrem aggressiven Gegendemonstranten. Ein Pegida-Anhänger ist ja auch schwer verletzt worden. Da hatte Herr Bachmann glaube ich etwas anderes zu tun, als sich mit mir zu beschäftigen.
„Die Presse will immer etwas finden“
Pegida-Organisatoren werfen Ihnen vor, dem Bündnis einen „Bärendienst“ erwiesen und das beschmutzt zu haben, was Pegida ein Jahr lang aufgebaut habe.
Pirinçci: Das soll jetzt durch eine einzige Rede von mir alles kaputt sein? Das ist doch Quatsch. Die Presse und die Kritiker suchen doch schon die ganze Zeit etwas. Letzte Woche hatten sie den Galgen gefunden. Und diese Woche war es meine Rede und das KZ. Ich bin nur die neue Sau, die durchs Dorf getrieben wird. Nächste Woche werden sie auch wieder etwas finden. Vielleicht ein Auto-Kennzeichen mit einem Hitlergruß.
Random House hat angekündigt, den Verkauf Ihrer Katzenkrimis zu stoppen.
Pirinçci: Ich habe vorhin mit meinem alten Verleger von Random House telefoniert. Er hat mich darauf vorbereitet, daß sie meine Bücher nicht mehr weiter verbreiten. Alle Bücher, die ich geschrieben habe. Es wäre ein unfaßbarer Druck aufgebaut worden, und zwar ausgerechnet von anderen Autoren, also von Kollegen. Das ist wirklich unglaublich. Unsere Instrumente als Autoren sind die Meinungsfreiheit, die Pressefreiheit, die Kunstfreiheit. Wenn Politiker oder normale Bürger Boykotte fordern, kann ich das verstehen, aber wenn so etwas ausgerechnet von Kollegen kommt, dann ist das für mich unfaßbar. Schriftsteller verlangen, daß ein anderer Schriftsteller verboten wird.
„Ich dachte, das gab es nur in Nazi-Zeiten“
Schon während der Frankfurter Buchmesse hat Sybille Berg zum Boykott gegen Sie aufgerufen. Trifft Sie das?
Pirinçci: Ja, das macht mich betroffen. In welcher Zeit leben wir denn, wenn Kollegen, deren Instrument die Meinungsfreiheit ist, fordern, daß ein Schriftsteller verboten wird? Sogar harmlose Bücher wie Katzenkrimis. Die Kollegen hätten mir doch mit der gleichen Wortwahl antworten können. Die könnten doch sagen, der Pirinçci ist ein Wichser oder ein Arschloch oder ein Nazi. Einer von der übelsten Sorte. Das kann man doch machen.
Aber daß man hingeht und sagt, vernichtet seine Existenz, das gab es doch eigentlich nur in den Nazi-Zeiten, dachte ich. Ich hätte so etwas nie für möglich gehalten. Ich käme nie im Leben auf die Idee, zu sagen: Verbietet die Bücher von Sibylle Berg.
Auch der Kopp-Verlag will nun keine Bücher mehr mit Ihnen machen.
Pirinçci: Ja, das verstehe ich auch nicht. Er hat sich zwar nicht bei mir persönlich gemeldet, aber ich habe es schon gehört.
Ihr nächstes Buch sollte da erscheinen…
Pirinçci: … Ich sage ja: Meine Existenz ist derzeit zerstört.
Wo wollen Sie künftig noch Bücher publizieren, wenn sich alle Verlage weigern, mit Ihnen zusammenzuarbeiten? Kommt das nicht einem Berufsverbot gleich?
Pirinçci: Natürlich ist das ein Berufsverbot. Schließlich will man als Schriftsteller auch veröffentlichen. Was denn sonst? Ich muß jetzt erst einmal sehen, was ich mache. Das ganze ist noch zu frisch.
„Das ist nur ein kleines Würstchen“
Wieviel ist beim pöbelnden Akif Pirinçci mit seiner rotzigen Fäkalsprache Kunstfigur und wieviel wirkliche Persönlichkeit?
Pirinçci: Etwa Fifty-Fifty.
Wenn linke Künstler zu solchen Ausdrucksformen greifen, ist das meistens kein Problem…
Pirinçci: Ja, bei denen geht das durch. Da wird das dann bejubelt. Wenn ich gesagt hätte, „Enteignet alle Reichen!“ oder „Islam hat nichts mit dem Islam zu tun“: Das wäre kein Problem gewesen. Es herrscht mittlerweile ein intellektueller Totalitarismus, und jeder, der abweicht, wird regelrecht hingerichtet. Einen konservativen oder rechten Intellektuellen darf es nicht geben.
Auch Ihr Webmaster hat sich von Ihnen distanziert und diese Distanzierung sogar auf Ihrer eigenen Internetseite öffentlich gemacht.
Pirinçci: Das ist ein kleines Würstchen, das von dem Ruhm auch etwas abhaben will.
„Es ist Bücherverbrennung, nur ohne Flammen“
Sie sind aber auch bei Facebook gesperrt, einem Ihrer Hauptlautsprecher. Wie wollen Sie sich eigentlich noch äußern oder verteidigen?
Pirinçci: Wie gesagt: Es ist totalitär. Es ist ganz offensichtlich: Man will nicht mehr, daß ich mich äußere. Der Pirinçci soll keine Stimme mehr haben. Es ist Bücherverbrennung, nur auf die intelligente Art. Man sieht keine Flammen.
Sie haben vor Ihrem Auftritt gesagt, Sie würden einen Text vorlesen, der in Sachen Wutrede neue Maßstäbe setzten würde, und der Staatsanwalt solle sich nicht nur die Rosinen rauspicken. War das alles nun eine sich selbsterfüllende Prophezeiung?
Pirinçci: Tja, auch wenn ich es nicht so erwartet habe, ist wohl alles so gekommen.
Würden Sie Ihre Rede nochmals so halten?
Pirinçci: Nein, ich würde überhaupt keine Rede mehr halten. Ich würde und will nur noch schreiben.