In Westeuropa ist Corona trotz lokaler Ausbrüche auf dem Rückzug. Allerdings steigt die Zahl der weltweiten Neuinfektionen weiterhin auf immer neue Rekorde, vor allem in Lateinamerika. Mit über 20.000 bestätigten Infektionen und mehr als 1.000 Covid-19-Toten täglich ist Brasilien ein Epizentrum, aber auch in Mexiko und Chile steigen die Zahlen stark an. In Asien sind Indien und Pakistan besonders betroffen. Die Dunkelziffer dürfte dort noch weitaus höher sein als in Europa.
Die Weltgesundheitsorganisation WHO verkündete, daß laut einer Studie mit 11.500 Patienten aus über 175 Kliniken in Großbritannien ein Durchbruch in der Behandlung der Corona-Kranken erzielt wurde. Durch die Behandlung von schwerkranken Covid-19-Patienten mit dem über 50 Jahre alten Kortikosteroid Dexamethason konnte demnach erstmalig die Sterblichkeit um ein Drittel verringert werden. Im Gegensatz dazu sei mit dem in den USA zugelassenen antiviralen Mittel Remdesivir primär nur die Krankheitsdauer vermindert worden. Erwartungsgemäß wurde die Genehmigung für die klinische Anwendung des Anti-Malariamittels Hydroxychlorquin zurückgerufen, da sich bislang keine eindeutigen klinischen Verbesserungen bei der Behandlung von Covid-19 ergaben.
Gleichwohl ist Optimismus angesagt, da weltweit mehr als 100 Unternehmen und Forschungsinstitutionen intensiv an Therapien und Impfungen arbeiten, die US-Amerikaner und Chinesen gelten dabei als führend. Optimistisch ist auch das US-amerikanische Investmenthaus Jefferies, das auf Pharmazie und Biotechnologie spezialisiert ist. Jefferies geht davon aus, daß die amerikanische Zulassungsbehörde FDA noch vor den Wahlen, möglicherweise mit Druck aus dem Weißen Haus und aus Furcht vor der zweiten Welle, eine Zulassung für einen Impfstoff erteilt. Das könnte allerdings an die Bedingung geknüpft sein, daß das Mittel US-amerikanischen Ursprungs ist.
Coronavirus ist seit Dezember in Europa aktiv
Jefferies selbst spricht von einem Trumpschen Machiavelli-Manöver gegen die Demokraten. Der US-amerikanische Staat fördert direkt und massiv eine Vielzahl von klinischen Entwicklungen gegen Corona und man erwartet, daß für eine Notfall-Zulassung die sonst sehr hohen Zulassungshürden für Impfungen temporär gesenkt werden. Mehre Unternehmen werden sich laut Jefferies zum Jahresende ein Kopf-an-Kopf-Rennen um den ersten Impfstoff liefern. Man geht davon aus, daß 2021 mehrere Impfungen konventioneller Natur und auch Gen-technische Produkte zur Verfügung stehen werden. In Europa sind Covid-19-Studien wegen derzeit sinkender Patientenzahlen immer schwieriger umsetzbar.
Das Coronavirus scheint in Europa schon viel länger aktiv gewesen zu sein als bislang angenommen wurde. Genetische Spuren des Erregers Sars-CoV-2 seien in Abwässern der beiden norditalienischen Großstädte Mailand und Turin vom Dezember sowie in Abwässern aus Bologna vom Januar nachgewiesen worden. Offiziell festgestellt worden war der Virus-Ausbruch in Italien allerdings erst Mitte Februar.
Nun scheint sich zu bestätigen, daß Menschen mit der Blutgruppe 0 sich seltener mit Sars-CoV infizieren und die Erkrankung anscheinend leichter verläuft. Möglicherweise erschwert die Bindung des Virus an körpereigene Zellen den Verlauf. Neu ist solch ein Phänomen nicht, da beispielsweise Infektionen mit dem endemischen Dengue Fieber bei Menschen mit der Blutgruppe AB schwerer verlaufen. Bei Infektionen mit Noro-Viren weiß man, daß Infizierte mit den Blutgruppen A und B häufig immun sind, während die Blutgruppe 0 das Risiko verzehnfacht.
Osteuropäische Arbeiter könnten das Virus eingeschleppt haben
Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) verhängte nach dem Ausbruch des Coronavirus in einem Schlachthof des Fleischbetriebs Tönnies über den gesamten Kreis Gütersloh einen Lockdown. Schulen und Kitas im Landkreis werden geschlossen, Tausende müssen in Isolation, für viele Mitarbeiter des Schlachtbetriebs stehen noch Tests aus. Das Unternehmen aus Rheda-Wiedenbrück ist der größte Schlachter des Landes mit bis zu 30.000 Schweinen täglich.
Aufsehen erregte Firmenchef Clemens Tönnies, der die Bertelsmann-Familie Mohn mit ihrer Betonung gesellschaftlicher Beiträge zum Vorbild hat, mit der Art, wie er über Werkverträge mit in Sammelunterkünften lebenden Osteuropäern Geschäfte macht. Wie das Virus in den Betrieb kam, ist allerdings unklar, möglicherweise könnten Mitarbeiter es durch einen Heimaturlaub eingeschleppt haben; eine Vermutung, die laut SPD und öffentlich-rechtlicher Sender allerdings rassistisch ist.
Zehn Millionen nutzen Corona-App
Tönnies ist nicht der erste derartige Fall in der Fleischindustrie. Bei anderen Großbetrieben wie Westfleisch oder Vion hat es gerade im Mai Hunderte Corona-Fälle gegeben, auch in Großschlachtereien in den USA. Wissenschaftler vermuten, daß Kälte die Infektionen begünstigt. Bei der Zerlegung des Fleisches wird bei einer Temperatur von fünf bis zwölf Grad gearbeitet, infektiöse Tröpfchen können nicht wie sonst verdunsten und es gibt dort kein UV-Licht, das Viren schneller abtötet. Die Enge der Mitarbeiterunterkünfte spielt wohl auch eine Rolle bei der Verbreitung des Virus. Der Bauernverband warnt nun vor Kollateralschäden durch die Schließung des Standortes, da die Schweine zu fett werden, wenn sie nicht zum Schlachthof kommen und es sehr schnell zu Platzproblemen wegen des Rückstaus in den Ställen kommt.
Die Corona-Warn-App ist nun da und mehr als zehn Millionen Menschen haben sie heruntergeladen. Sie ist noch nicht mit älteren Smartphones kompatibel, die Nutzung bislang freiwillig. Es wird auch bald eine türkische und arabische Version geben. Die Corona-Warn-App zeichnet mittels Bluetooth anonymisiert auf, wann und wie lange sich jemand in der Nähe eines anderen Smartphone-Nutzers aufgehalten hat, der ebenfalls die App aktiviert hat. Wird jemand positiv auf SARS-CoV-2 getestet, werden über die App anonym die Nutzer gewarnt, die mindestens 15 Minuten näher als zwei Meter an dem Infizierten waren. Die App ist mit den anderen europäischen Warn-Apps nicht kompatibel.
Hunderte feiern in Berlin ohne Abstandsregeln
Wilde Nächte an Weser, Spree, Rhein und Neckar – auf rigide Maßnahmen wie das Verhängen einer Sperrstunde oder die Einschränkung des Alkoholverkaufs auch unter der Woche verzichtete unter anderem der Bremer Senat und verwies auf Erfahrungen in Nordrhein-Westfalens Landeshauptstadt Düsseldorf. Solche Regelungen scheiterte dort am Veto des örtlichen Verwaltungsgerichts mit der Begründung, daß „weder der Verkauf noch der Verzehr von Alkohol außer Haus“ zu Corona-Infektionen und der Ausbreitung der Krankheit führe. Während der Ordnungsdienst sich dort mühte, zumindest die Hygieneregeln innerhalb der Gaststätten durchzusetzen, war die Polizei nach eigenen Angaben stetig damit beschäftigt, „Sachverhalten mit Aggressionspotenzial“ beispielsweise Flaschenwürfen und Schlägereien nachzugehen.
In Berlin werden politische Vorgaben wie Alkoholverkaufsverbote für die beliebten „Spätis“, in denen Alkohol rund um die Uhr erhältlich ist, konsequenterweise nicht erwogen. Im Gleisdreieck am Rand des Stadtteils Kreuzberg feierten beispielsweise an den vergangenen Wochenenden Hunderte Jugendliche und Erwachsene – ohne sich um Abstands- und Hygieneregeln zu scheren. Es kam zu Auseinandersetzungen mit Polizeibeamten, Flaschen und Steine flogen auf die Polizisten. Es gab Festnahmen, Platzverweise, Anzeigen. Die Party ging dennoch weiter.