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COVID-19: Der Nebel lichtet sich: Zur Effektivität des Lockdowns

COVID-19: Der Nebel lichtet sich: Zur Effektivität des Lockdowns

COVID-19: Der Nebel lichtet sich: Zur Effektivität des Lockdowns

Dresden
Dresden
Wegen der Corona-Maßnahmen geschlossene Gaststätte in Dresden Foto: imago images / photothek
COVID-19
 

Der Nebel lichtet sich: Zur Effektivität des Lockdowns

Der anfänglich befürchtete Zusammenbruch des Gesundheitssystems ist Gott sei Dank nicht eingetreten. Viele Intensivbetten sind frei und es zeichnet sich ab, daß sich die mit oder am Coronavirus 8.000 Gestorbenen weit unterhalb der Grippewelle von 2017/18 mit geschätzten 25.000 Tote bewegen. Ein Überblick über die aktuelle Corona-Lage.
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Wallasch, Medien, Gesicht

Der anfänglich befürchtete Zusammenbruch des Gesundheitssystems ist Gott sei Dank nicht eingetreten. Viele Intensivbetten sind frei und es zeichnet sich ab, daß sich die rund mit oder am Coronavirus 8.000 Gestorbenen weit unterhalb der Grippewelle von 2017/18 mit geschätzten 25.000 Tote bewegen. Nun mehren sich nach der Veröffentlichung der Analyse des suspendierten BMI-Regierungsreferenten Stephan Kohn die Stimmen aus der Wirtschaft und dem Gesundheitswesen, welche die Effektivität der Corona-Maßnahmen infrage stellen und auf schwere Folgeschäden der Corona-Krise hinweisen.

Eine Studie der US-amerikanischen Großbank JP Morgan (Headline einer Zeitschrift: Shock study claims curfews didn’t slow coronavirus spread despite ‘destroying livelihoods’) kommt zu dem Ergebnis, die Regierungen seien durch „fehlerhafte wissenschaftliche Arbeiten“ dazu verleitet worden, den Lockdown zu verhängen, der „ineffizient oder zu spät“ gekommen sei und insgesamt wenig Wirkung zeigte.

Das Herunterfahren des gesellschaftlichen Lebens würde extreme Nebenwirkungen für die Wirtschaft mit sich bringen, anders als das Hochfahren von Corona-Tests oder die forcierte Entwicklung neuer Medikamente. Verhaltensänderungen wie häufiges Händewaschen und das Tragen von Schutzmasken oder auch Wetterveränderungen hätten einen größeren Einfluß auf die Infektionsrate als der Lockdown der Wirtschaft, und das ohne seine enormen Kosten.

Pandemie-Kurven glichen sich

In vielen europäischen Ländern deuten Studien darauf hin, daß die Maßnahmen „keine Veränderung der Pandemieparameter“ wie der R-Rate bewirkten, heißt es im Bericht von JP Morgan. „Gleichzeitig wurden Millionen von Lebensgrundlagen durch diese Abriegelungen zerstört.“ Im April kam Isaac Ben-Israel, der Vorsitzende des Nationalen Rates für Forschung und Entwicklung in Israel zu dem ähnlichen Schluß, daß Lockdown-Maßnahmen im internationalen Vergleich keinen meßbaren Einfluß auf die Eindämmung der Pandemie hätten. Die Pandemie-Kurven glichen sich – ganz egal was für Maßnahmen die jeweiligen Regierungen ergriffen hatten. Der Verlauf der Epidemie sei immer gleich. In den ersten sechs Wochen verbreite sich das Virus rasch, nach der achten Woche begänne ein Rückgang.

Die medizinischen Kollateralschäden des Lockdowns, präzise aufgeführt in der ins Abseits gestellten Kohn-Analyse, geraten doch mehr und mehr in den Blickpunkt. Die Kassenärztliche Vereinigung Bayerns (KVB) meldet fast ein Drittel weniger Patienten bei den Hausärzten. Zwei Drittel der Patienten hätten ambulante Operationen nicht wahrgenommen. 80 Prozent der Bürger blieben regulären Vorsorgeuntersuchungen aus Angst vor einer Corona-Infektion fern.

Ein Drittel weniger Darmkrebspatienten, laut Krebsregister rund 20.000 Fälle, auch mit Blut im Stuhl bleiben dem Arzt fern. Eine frühe Behandlung des Darmkrebses ist für den Heilungserfolg ausschlaggebend. Wegen der fehlenden Brustkrebsvorsorgeuntersuchung gehen Ärzte auch davon aus, daß Brustkrebsleiden später entdeckt und dann schwerer behandelbar werden. Auch die Zahl der in Tumorkonferenzen vorgestellten Patienten wäre um ca. die Hälfte zurückgegangen. Es wäre mit einer Welle von onkologischen Neudiagnosen im Sommer und Herbst zu rechnen.

„Chronische Krankheiten machen keine Coronapause“

Professor Dietrich Andresen, Notfallmediziner und Kardiologe sowie Chef der Deutschen Herzstiftung, berichtet von 20 bis 30 Prozent weniger Patienten mit Herzproblemen in den Kliniken. Schwere Komplikationen mit Infarktpatienten nehmen allerdings zu, da die Infarktpatienten erst Tage nach dem Ereignis einen Arzt aufsuchen würden. Vermutlich sei die Angst vor COVID-19 größer als die vor einem Herzinfarkt. Das Deutsche Ärzteblatt titelt dazu lapidar: „Chronische Krankheiten machen keine Coronapause“.

Im Gegensatz dazu: Kein Lockdown, keine Grenzschließung, keine Kontaktverbote – dies ist der liberale Sonderweg von Schweden. Die Strategie, mit offenen Schulen, Geschäften, Restaurants und einer weiter laufenden Wirtschaft einer intelligenten Selbstkontrolle der Bürger zu vertrauen, ist aber auch in Schweden hoch umstritten.

Mit knapp 400 Todesopfern pro Million Einwohner liegt Schweden höher als Deutschland (100), Dänemark (97) und Norwegen (43), aber deutlich niedriger als in den strengen Lockdown-Staaten wie Italien (542 Tote je Million Einwohner), Spanien (615), Belgien (901) oder Frankreich (435). Das Offenhalten von Gesellschaft und Wirtschaft habe also nicht – wie von Kontaktsperren-Befürwortern prophezeit – zu einer Katastrophe geführt. Die oben genannten medizinischen Kollateralschäden sind viel geringer. Daß nun die Weltgesundheitsorganisation (WHO) den schwedischen Weg ausdrücklich lobt, ist daher politisch für viele Regierungen Europas brisant.

Gefährliches Zögern

In einer gemeinsamen Recherche wurde von der Welt am Sonntag und dem Bayerischen Rundfunk untersucht, ob die deutsche Regierung gemessen an dem zum jeweiligen Zeitpunkt verfügbaren Informationsstand zeitgerecht handelte oder ohne Not zögerte und Warnungen ignorierte. Taiwan hatte bereits am 31. Dezember 2019 wegen Corona seinen Seuchenschutzplan aktiviert. Das Europäische Zentrum für Seuchenprävention (ECDC) hingegen  äußerte noch am 9. Januar, es gebe nur ein „geringes“ Risiko für Reisende und es sei auch kaum zu erwarten, daß die EU betroffen sein werde.

Parallel übernahm die  WHO weitgehend ungeprüft die abwiegelnden Verlautbarungen des Regimes aus Peking. Die deutsche Regierung verließ sich in dieser Phase vor allem auf die Angaben des RKI, dieses wiederum seinerseits auf die WHO und ECDC, welche von einem „milderen Infektionsgeschehen als bei der Grippe“ ausgingen. Vom Telefongespräch am 22. Januar zwischen Kanzlerin Merkel und Machthaber Xi Jinping berichteten chinesische Medien, Merkel habe China für seine Bemühungen und seine Offenheit und Transparenz im Zusammenhang mit der Krankheit gewürdigt. Das Kanzleramt nahm dazu nicht weiter Stellung.

Einen Tag später wurde die Millionen-Stadt Wuhan abgeriegelt. Öffentlichkeitswirksam spendete das Auswärtige Amt im Rahmen gleich zweier Hilfslieferungen dem Weltmarktführer für medizinisches Schutzmaterial, China, genau das in Deutschland knapp werdende Schutzmaterial. Erst am 4. März erließ der gemeinsame Krisenstab von Bundesinnen- und Bundesgesundheitsministerium unter dem Eindruck der Klagen von Ärzten und Rettungspersonal ein Exportverbot für medizinische Schutzausrüstung.

Gefahr hätte früher erkannt werden können

Die meisten Staaten in der EU indes ignorierten die Gefahr der Knappheit von Schutzausrüstungen. Vor Corona gab es nie eine politische Diskussion, solche Lager für Schutzmaterialien anzulegen, erklärte der NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU). Dies ist sehr verwunderlich, da dies ja die Pandemie- und Katastrophenschutzpläne ausdrücklich vorschreiben, nicht nur in Deutschland.

In Abstimmung mit dem RKI wurde wochenlang vom Gesundheitsministerium verbreitet, ein Mundschutz biete „keine hinreichende Evidenz“ bezüglich der Verhinderung einer Ansteckung Gesunder. Mundschutzmasken trügen die Asiaten ja wegen der schlechten Luft dort. Händewaschen sei wichtig, Grenzkontrollen auch gegenüber Reisenden aus Hochrisikoländern hingegen kein Thema. In der Situation mahnte der Hallenser Virologe Alexander Kekulé in einer öffentlich-rechtlichen Talkshow frühzeitig Maßnahmen für Flughäfen an und warnte wegen der Gefährlichkeit des Virus vor „chinesischen Verhältnissen“. Demgegenüber stellte Professor Christian Drosten am 2. März in der Bundespressekonferenz fest, Covid-19 wäre eine mild verlaufende Krankheit.

Das Bundesgesundheitsministerium zögerte noch Ende Februar mit der Absage der Internationalen Tourismusmesse ITB in Berlin. Die Entscheidung erfolgte vonseiten der Veranstalter selbst, dann folgte eine Kettenreaktion bei der Fußballspiele, der Schulunterricht und Volksfeste ausfielen – leider viel zu spät. Kekulé hatte bereits im Februar dazu geraten. Dann waren Wintersportorte wie Ischgl oder der Karneval mit der „Kappensitzung“ von Gangelt im rheinischen Landkreis Heinsberg schon die entscheidenden Drehscheiben zur Verbreitung der Corona-Seuche. Fazit der Recherche: „Hätte man die Gefahr früher eindämmen können, wäre das massive Herunterfahren des Landes nicht notwendig gewesen.“

Uneinigkeit in der Wissenschaft

Ein großes Problem ist die Uneinigkeit in der Wissenschaft selbst. Nun eskaliert der Streit zwischen der Boulevardzeitung Bild und dem Charité-Virologen Drosten, der eine tendenziöse Berichterstattungmit „Zitatfetzen von Wissenschaftlern ohne Zusammenhang“ bemängelte. Bild berichtete über eine „grob falsche“ Studie Drostens, die festhielt, daß Kinder so infektiös wie Erwachsene sein könnten. Wissenschaftler aus mehreren Ländern übten an der Studie massive Kritik. Drosten, der auch die Bundesregierung berät, habe statistisch unsauber gearbeitet und seine wissenschaftlichen Empfehlungen möglicherweise den Wünschen der Politik angepaßt. Seine Empfehlung an die Politik lautete, Schulen und Kitas vorerst nicht zu öffnen.

Auch Professor Kekulé ist der Meinung: Drosten und sein Team von der Berliner Charité hätten die Studie zurückziehen müssen. Pikant: Er hatte bereits öffentlich vor der Gefährlichkeit des Virus zu einem Zeitpunkt gewarnt, als die von Drosten beratene Bundesregierung jede Gefährdung in Deutschland noch bestritt. Drosten wiederum hatte den dritten Virologen im Bunde, Hendrik Streeck, wegen „fachlichen Fehlleistungen“ in der berühmt gewordenen Heinsberg-Studie über die Bild kritisiert.

Streeck wiederum erwartet im Gegensatz zu Drosten für Deutschland keine zweite Corona-Welle, sondern sogenannte Hotspot-Ausbrüche wie in Singapur. Die Uneinigkeit unter den beratenden Virologen erschwert politische Entscheidungen. Warum sich die Regierung nur von einigen wenigen Hof-Virologen beraten läßt, und nicht von einem hochkarätigen interdisziplinären Team, bleibt ein Rätsel.

Totale Isolierung ist unangebracht

So wie es ausschaut, wird man einige Zeit mit dem Virus auf dem Planeten leben müssen und Hygienemaßnahmen werden zur ständigen Routine. Eine panische Angst vor dem Virus oder totale Isolierung aber sind nach jetzigem Wissensstand unangebracht.

Der legendäre Milliardär Howard Hughes beispielsweise litt unter hygienischen Phobien, die es ihm unmöglich machten, Menschen die Hand zu geben oder unsterile Oberflächen zu berühren und verbunkerte sich in den letzten Jahren seines Lebens im obersten Stockwerk seines Hotels in Las Vegas. Die Rollläden heruntergelassen urinierte er in eigens desinfizierte Gläser und statt Keim-verseuchten Schuhen trug er Kleenex-Boxen.

Nur durch einen Türspalt konnten vereinzelt Menschen mit ihm kommunizieren. 1976 verstarb er trotz aller hygienischen Vorsichtsmaßnahmen an den Folgen seiner Morphiumsucht mit 71 Jahren. Der amerikanische Comedian und Fernsehmoderator Bill Maher formulierte folgerichtig: „Ihr könnt nicht das ganze Universum desinfizieren“.

Wegen der Corona-Maßnahmen geschlossene Gaststätte in Dresden Foto: imago images / photothek
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