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Vereinigte Staaten: 100. Todestag von Präsident Wilson – Vom Mahner zum Macher

Vereinigte Staaten: 100. Todestag von Präsident Wilson – Vom Mahner zum Macher

Vereinigte Staaten: 100. Todestag von Präsident Wilson – Vom Mahner zum Macher

Ein Bild von Woodrow Wilson in einer Dauerausstellung in Genf: Der damalige US-Präsident hatte großen Anteil am Ausgang des Ersten Weltkriegs.
Ein Bild von Woodrow Wilson in einer Dauerausstellung in Genf: Der damalige US-Präsident hatte großen Anteil am Ausgang des Ersten Weltkriegs.
Ein Bild von Woodrow Wilson in einer Dauerausstellung in Genf: Der damalige US-Präsident hatte großen Anteil am Ausgang des Ersten Weltkriegs Foto: picture alliance/KEYSTONE | JEAN-CHRISTOPHE BOTT
Vereinigte Staaten
 

100. Todestag von Präsident Wilson – Vom Mahner zum Macher

Vor 100 Jahren starb US-Präsident Woodrow Wilson. Der Kriegsskeptiker führte sein Land in den Ersten Weltkrieg und nahm maßgeblichen Einfluß auf den weiteren Verlauf der Geschichte.
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Am 3. Februar 2024 jährt sich zum 100. Mal der Todestag des 28. Präsidenten der USA, Woodrow Wilson. Bekannt geworden ist Wilson in Mitteleuropa wohl vor allem mit seinen „14 Punkten“, mit ihrem vermeintlichen Versprechen des Selbstbestimmungsrechts der Völker – ein Passus, den man in der Praxis ganz unterschiedlich interpretieren kann. Gedacht war die Erklärung der 14 Punkte als Gegenentwurf zur Aufnahme der deutsch-russischen Friedensverhandlungen in Brest-Litowsk im Januar 1918. Damals hatten die Mittelmächte das Selbstbestimmungsrecht der Balten und Polen auf die Tagesordnung gesetzt; Wilson konterte, indem er es auch für die „subject nations“ der Habsburgermonarchie und des Osmanischen Reiches einforderte.

Was gern übersehen wurde: Wilson mochte derlei Prinzipien verkünden; seine Verbündeten, allen voran die Franzosen und ihre Klientel, fühlten sich daran nicht gebunden. Bloß den Italienern vermochte er in Dalmatien später noch ins Handwerk zu pfuschen. Wilson hatte – wie Kurt Bednar in seinem „Papierkrieg zwischen Wien und Washington“ nachgewiesen hat – nicht immer allzu klare Vorstellungen von den komplexen ethnischen Verhältnissen in Mitteleuropa. Er zeigte sich überrascht, daß schließlich nicht weniger als drei Millionen Sudetendeutsche unter tschechoslowakischer Herrschaft landeten.

Doch seine Lösung bestand darin, alle verbleibenden Streitfragen einem Völkerbund anzuvertrauen, der Kriege in Hinkunft überflüssig machen sollte. Mit dieser Vorstellung drang er nicht einmal in seiner Heimat durch. Er hatte die oppositionellen Republikaner nicht in seine Außenpolitik eingebunden. Der Senat verwarf den Vertrag. Im Völkerbund aber verhinderte das französische Veto ohnehin alle Revisionsabsichten.

Strategische Fehler der deutschen Obersten Heeresleitung

Wilson hatte seine Wiederwahl im Herbst 1916 mit dem Slogan bestritten: „He kept us out of the war.“ Aller späteren Polemik zum Trotz – daran gedachte er sich auch weiterhin zu halten. Freilich: Die USA waren nie hundertprozentig neutral. Denn sonst hätten sie sich gegen die britische Blockade wehren müssen, die lange vor dem deutschen U-Boot-Krieg einsetzte. Einen Krieg mit den Briten aber wollte Wilson auf alle Fälle vermeiden. Dafür setzte er wenige Wochen nach seiner Wiederwahl eine Maßnahme, die England die Fortsetzung des Krieges massiv erschwert hätte. Die USA hatten ihre Schulden bei den Briten im Lauf der ersten zwei Kriegsjahre abgezahlt.

Wenn die Entente weiter Lieferungen in Anspruch nehmen wollte, mußte sie Kredite aufnehmen. Doch die Federal Reserve – unter ihrem deutschstämmigen Vizepräsidenten Paul Warburg – erließ am 28. November 1916 ein Rundschreiben, es sei weder im Interesse der USA noch der amerikanischen Anleger, britische Schatzscheine zu zeichnen. Wilson notierte, er hätte das Schreiben noch etwas schärfer formuliert. In London rechnete man daraufhin mit der Zahlungsunfähigkeit ab April 1917.

Es kam anders, wie wir wissen. Die deutsche Oberste Heeresleitung ritt zur Rettung der Briten aus, als sie sich im Januar 1917 für den uneingeschränkten U-Boot-Krieg aussprach, der mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit zu einem Kriegseintritt der USA führen mußte. Nun mochte man darüber streiten, ob die Amerikaner tatsächlich Massenheere nach Europa schicken würden. Aber sie gewährten der Entente ab jetzt Kredite in Milliardenhöhe. Das deutsche Vabanquespiel erwuchs aus der Ignoranz ökonomischer Faktoren durch Politiker und Militärs, wie sie dem 20. Jahrhundert immer wieder seinen Stempel aufdrücken sollte. Denn die Versenkungsziffern der U-Boote waren beeindruckend. Doch die Wirtschaft war flexibel genug, die Verluste abzufangen.

Wilson als Profiteur gespaltener Republikaner

Wilson erklärte den Interventionisten in den USA gern, warum er gegen den Krieg sei. In einer Wendung, die ihn heute natürlich ins Visier der „Woke“-Jünger rückt, mahnte er, die weiße Rasse solle sich nicht gegenseitig vernichten. Er wisse, was Krieg heißt, denn er käme aus dem Süden. In der Tat, Wilson war seit dem Bürgerkrieg der erste Präsident, der aus den Südstaaten kam. Er war in Virginia geboren worden und in Georgia aufgewachsen. Karriere gemacht hatte er im Norden, als Professor, dann Präsident der Universität von Princeton (die jetzt so sehr mit seinem Ruf hadert), schließlich als Gouverneur von New Jersey.

Die Demokraten hatten sich als Partei der verschuldeten Farmer profiliert – und mit diesem Ticket immer wieder verloren, weil die Arbeiter die Inflation fürchteten. Wilson war der Kandidat des Flügels, der zur orthodoxen Finanz zurückkehrte. Sein Schwiegersohn William McAdoo war Partner einer Wall-Street-Bank, wohlgemerkt nicht der „Yankee-Firma“ John Pierpont Morgan, die im Krieg für Frankreich arbeitete, sondern von Kuhn, Loeb & Co., deren jüdische Gründerväter mit ihren Sympathien ganz auf seiten der Mittelmächte standen.

Seine Wahl verdankte Wilson einer Spaltung innerhalb der Republikaner, die sich 1912 einen selbstmörderischen Bruderkampf lieferten. Seine Wiederwahl 1916 war äußerst knapp. Man gab die Wahl schon verloren, da traf das Ergebnis von Kalifornien ein, wo Wilson um ganze 3.800 Stimmen vorne lag. Wilson propagierte im Januar 1917 einen „Frieden ohne Sieger und Besiegte“. Sein Außenminister Lansing hatte Angst, die Deutschen würden Wilsons Vorschläge aufgreifen, die Entente sie ablehnen. Doch inzwischen war die Entscheidung für den uneingeschränkten U-Boot-Krieg gefallen – sechs Wochen vor der Russischen Revolution, die ganz andere Perspektiven eröffnete. Quos Deus perdere vult …

JF 06/24

Ein Bild von Woodrow Wilson in einer Dauerausstellung in Genf: Der damalige US-Präsident hatte großen Anteil am Ausgang des Ersten Weltkriegs Foto: picture alliance/KEYSTONE | JEAN-CHRISTOPHE BOTT
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