Wie kurz der Weg von Worten zu Taten ist, bewieß die Rote Armee Fraktion (RAF) vor 50 Jahren. Nur wenige Wochen zuvor hatte die Terrorgruppe angekündigt, bei Verhaftungsversuchen bewaffneten Widerstand zu leisten, was im Oktober 1971 ein Todesopfer forderte.
In der Nacht vom 21. auf den 22. Oktober überwachten die Zivilpolizisten Norbert Schmid und Heinz Lemke die S-Bahn-Station Hamburg-Poppenbüttel. Neben den üblichen Verdächtigen und ausgebüxten Jugendlichen sollten sie auch die Augen nach möglichen Terroristen aufhalten.
Ein halbes Jahr zuvor hatte die RAF in ihrem Strategiepapier „Das Konzept der Stadtguerilla“ keinen Zweifel an ihren Absichten gelassen. Dabei verwendete sie auch erstmals den Namen Rote Armee Fraktion und das Logo mit Rotem Stern und Maschinenpistole. Waren ihre Mitglieder bislang nur in West-Berlin zur Fahndung ausgeschrieben, wo sie zumeist mit Banküberfällen und Diebstählen ihr Leben im Untergrund bestritten, wurde seit Mitte des Jahres im ganzen Bundesgebiet nach ihnen gesucht. Aus der anfangs nach ihren Führungsfiguren Andreas Baader und Gudrun Enslinn benannten Bande war eine Terrororganisation geworden, deren Ziel nicht mehr nur Kaufhausbrandstiftungen waren.
Wer begleitete den RAF-Mann?
Gegen 1.30 Uhr fiel den beiden Polizeibeamten eine Frau an der S-Bahnstation auf. Sie traten an die Person heran und baten sie, sich auszuweisen. Statt ihrer Papiere gab sie jedoch Fersengeld und rannte davon; die Polizisten hinterher. In dem Moment trat ein Paar in Aktion und feuerte auf Schmid und Lemke. Durch einen Zuruf konnte Schmid seinem Kollegen womöglich noch das Leben retten. Er selbst brach von mehreren Kugeln tödlich getroffen zusammen.
Noch in der Nacht konnte die RAF-Terroristin Margrit Schiller in der Nähe des Tatortes verhaftet werden. Die Untersuchung der bei ihr gefundenen Pistole ergab, daß damit nicht geschossen worden war. Als Todesschütze identifiziert der überlebende Lemke schließlich das RAF-Mitglied Gerhard Müller, den auch Schiller später belastete.
Doch bis heute ist unklar, wer die Begleiterin von Müller war. So hält sich die Version, daß nicht Schiller, sondern Ulrike Meinhof mit dem mutmaßlichen Todesschützen unterwegs war.
RAF löschte 33 weitere Menschenleben aus
Verurteilt wurde der RAF-Mann für den Tod des Polizisten jedoch nie. Zum einen schwächte der Zeuge Lemke seine Aussage später ab. Zum anderen wurden Aussageprotokolle, in denen sich Müller selbst belastete, nicht weitergeleitet. So wurde er fünf Jahre später – „trotz schwerer Verdachtsmomente“, wie das zuständige Gerichte betonte – nicht wegen der tödlichen Schüsse, sondern wegen der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung verurteilt.
Norbert Schmid war das erste von insgesamt 34 Todesopfern der RAF. Bis zu ihrer Auflösung 1998 wurden bei ihren Anschlägen zudem über 200 Menschen verletzt. An dem im Dienst erschossenen Schmid erinnert ein nach ihm benannter Platz in Hamburg-Hummelsbüttel.