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Zwölf Artikel der Oberschwäbischen Eidgenossenschaft: Als die Bauern 1525 die Menschenrechte einforderten

Zwölf Artikel der Oberschwäbischen Eidgenossenschaft: Als die Bauern 1525 die Menschenrechte einforderten

Zwölf Artikel der Oberschwäbischen Eidgenossenschaft: Als die Bauern 1525 die Menschenrechte einforderten

Bauernkrieg
Bauernkrieg
Der Bauernhaufen nimmt den Grafen Ludwig von Helfenstein und sein Gefolge gefangen, Gemälde, 1879, von Fritz Neuhaus Foto: picture alliance/akg-images
Zwölf Artikel der Oberschwäbischen Eidgenossenschaft
 

Als die Bauern 1525 die Menschenrechte einforderten

Schon 260 Jahre vor der Französischen Revolution begehrten die deutschen Bauern gegen ihre Herren auf. In Zwölf Artikeln formulierten sie ihre Forderungen, die ihre Not beseitigen sollten. Dabei beriefen sie sich nicht zuletzt auf Martin Luther und die Reformation.
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Allgemein wird der französischen Nationalversammlung das Lob zuteil, nach der Revolution im August 1789 mit der Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte die grundlegendsten Bestimmungen über den Menschen und seine Rechte im Staat verkündet zu haben. Dieser Akt fügt sich nur zu gut in das Heldenepos ein über die mit der Parole „Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit“ durchgesetzte Erhebung der Massen. Dabei hatten die Menschenrechte bereits rund 260 Jahre zuvor ihren schriftlich fixierten Vorläufer in Süddeutschland.

Seit 1524 kam es in Teilen des Deutschen Reiches zu Aufständen der Bauern gegen ihre Herren. Die Unruhen erstreckten sich dabei vom Gebiet des heutigen Baden-Württembergs und Bayerns bis nach Thüringen, Österreich und in die Schweiz. Wirtschaftliche Not, soziales Elend und Rechtsunsicherheit ließen die Bauern zu den Waffen greifen.

Die sich ausbreitende Reformation bestärkte die Landbevölkerung in ihrem Bestreben. Sie beriefen sich dabei auf die Schrift des Reformators Martin Luther „Von der Freiheit eines Christenmenschen“. Darin heißt es: „Daß ein Christenmensch ein Herr über alle Dinge und niemandem untertan“ sei. Daraus leiteten die Aufständischen die Legitimation für ihre Taten ab.

Bauern verlangten ein Ende der Leibeigenschaft

Anfang März 1525 schlossen sich drei Bauernhaufen, wie die Zusammenrottungen der Aufständischen genannt wurden, zur Oberschwäbischen Eidgenossenschaft zusammen. Am 20. März verkündeten sie in Memmingen die Zwölf Artikel, die als erste Niederschrift von Menschen- und Freiheitsrechten in Europa gelten.

Zu ihren Forderungen zählten untern anderem die Abschaffung der Leibeigenschaft und der Jagdprivilegien für den Adel sowie eine Neuregelung der Pachtabgabe. Dabei beriefen sich die Verfasser auf die Bibel. Denn sie wollten nur von ihren Punkten abrücken, wenn sie durch die Heilige Schrift widerlegt würden.

Luther selbst stand den Bauernaufständen skeptisch gegenüber. Er fürchtete, sie könnten der Reformation schaden. Jedoch räumte er ihren Forderungen in einem Brief an Adelsvertreter ihre Berechtigung ein. „Sie (die Bauern – Anm.) haben zwölf Artikel aufgestellt, unter denen einige so gerecht sind, daß sie euch vor Gott und der Welt zur Schande gereichen. […] Nun ist’s ja auf die Dauer unerträglich, die Leute so zu besteuern und zu schinden.“

Luther rief zum Kampf gegen die Bauern auf

Doch schon weniger als einen Monat nach der Bekanntgabe der Zwölf Artikel verspielten einige der aufmüpfigen Bauern ihren Kredit beim Reformator durch die sogenannte Weinsberger Bluttat. Ausgerechnet am Ostersonntag, dem 16. April 1525, töteten sie den Grafen Ludwig von Helfenstein und sein Gefolge in Weinsberg. Das wiederum veranlaßte den Schwäbischen Bund, ein Zusammenschluß örtlicher Adliger, zur Aufstellung eines Heeres aus 9.000 Landsknechten und 1.500 Reitern, das nach und nach die Bauernhaufen zerschlug und so den Bauernkrieg in Süddeutschland beendete.

Titelblatt von Luthers Schrift „wider die mörderischen und räuberischen Rotten der Bauern“ Foto: picture alliance / akg

Dabei war ihnen auch die Unterstützung Luthers sicher. Aufgebracht über den Mord an Ludwig von Helfenstein und seinen Rittern, verfaßte er seine Schrift „wider die mörderischen und räuberischen Rotten der Bauern“. In zeittypisch drastischen Worten rief er zum Kampf gegen die widerständige Landbevölkerung auf: „[…] man soll sie zerschmeißen, würgen, stechen, heimlich und öffentlich, wer da kann, wie man einen tollen Hund erschlagen muß.“

Der späte Sieg der Ideen von 1525 

Nachdem der Adel und der Klerus ihre Herrschaft gesichert hatten, wagten es ihre Untergebenen für Jahrhunderte nicht mehr, gegen sie aufzubegehren. Die kämpfenden Bauern mögen damals ihrer Zeit voraus gewesen sein, doch ihre Wünsche überdauerten die Niederlage. So wurde die Leibeigenschaft in deutschen Territorien flächendeckend schließlich zu Beginn 19. Jahrhunderts aufgehoben.

Weitere Forderungen aus den Zwölf Artikeln der Oberschwäbischen Eidgenossenschaft setzten sich schließlich im Zuge der Revolution von 1848/49 durch. Elemente der Ideen von 1525 lassen sich auch in der Amerikanischen Unabhängigkeitserklärung von 1776 wiederfinden. Was die Bauernanführer in Memmingen forderten, verbreitete sich über die Welt.

Der Bauernhaufen nimmt den Grafen Ludwig von Helfenstein und sein Gefolge gefangen, Gemälde, 1879, von Fritz Neuhaus Foto: picture alliance/akg-images
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