März 1918 – mit einer großangelegten Offensive wollen die deutschen Truppen an der Westfront die Entscheidung zu ihren Gunsten erzwingen. Verstärkt durch Divisionen aus dem Osten, die nach dem Friedensschluß von Brest-Litowsk freigeworden waren, treten sie am 21. des Monats zur Michael-Offensive an. Kurz danach beginnen weitere Angriffsoperationen, unter anderem in Flandern und an der Aisne.
Es gelingt, wieder den Bewegungskrieg aufzunehmen und große Geländegewinne zu erzielen. Auf 80 Kilometer Breite wird die Front der Ententemächte durchbrochen und ein Einbruch von 65 Kilometer Tiefe erzielt. Im Mai berät der britische Generalstab mit der politischen Führung sogar die Rückholung des Expeditionskorps aus Frankreich, eine Niederlage der französischen Armee scheint möglich. Anfang Juni stehen die Deutschen 50 Kilometer von Paris entfernt.
Waffenstillstand November 1918 – die Front befindet sich nunmehr bis zu 80 Kilometer weiter ostwärts als zu Beginn der Frühjahrsoffenive. Die deutschen Verbände wurden innerhalb eines halben Jahres weit zurückgedrängt und an den Rand der Niederlage gebracht. Was war in der Zwischenzeit geschehen?
Front konnte nicht gesichert werden
Die lange Frontlinie nach den zunächst erfolgreichen, dann aber zum Teil schnell erlahmenden Frühjahrsoffensiven konnte nach den anhaltenden Verlusten nicht hinreichend gesichert werden. Versorgung mit wichtigen Nachschubgütern war nicht mehr ausreichend gegeben, so daß der deutsche Soldat im Prinzip als unterernährt und vielfach minderwertig ausgerüstet gelten mußte. In manchen Fällen wurde somit das Plündern gegnerischer Vorratslager dem weiteren Angriff vorgezogen.
Vorstöße wurden oft sehr widerwillig durchgeführt, wie General Erich Ludendorff feststellen mußte. Auch die nach Europa gelangte Spanische Grippe begann die Einheiten zu schwächen. Auf der Gegenseite hatte man die Lufthoheit erkämpft, und die Truppen der Entente wurden mit immer mehr frischen Einheiten aus den USA verstärkt. Darüber hinaus standen bereits 1.500 Panzer zur Verfügung, denen die deutsche Seite nur wenige eigene entgegensetzen konnte.
Die Moral auf deutscher Seite sank deutlich. Die letzte Chance auf einen Sieg oder zumindest einen ehrenvollen Frieden war offensichtlich dahin. In genau dieser Lage ging die Entente zur Gegenoffensive über. Mitte Juni wurden die letzten deutschen Offensivbemühungen an der Marne gestoppt. Dort und an der Somme begannen die ersten Gegenangriffe.
Der Widerstandwille der Deutschen war erschüttert
In exakter Koordination von Infanterie, Artillerie, Panzern und Luftwaffe erzielten hier die Australier in kürzester Zeit beachtliche Erfolge. Dieser erste Ansatz der im Zweiten Weltkrieg als „Blitzkrieg“ perfektionierten Strategie beeindruckte so sehr, daß man übereinkam, die neue Angriffstaktik auf ganze Armeen zu übertragen und somit einen Sieg vielleicht noch im Jahr 1918 zu erringen.
Eine große Offensive, die diesem neuen Muster folgen sollte, begann am 8. August bei Amiens mit 3.000 Geschützen, 420 Panzern und 1.900 Flugzeugen. Die erste französische Armee erzielte zusammen mit dem australischen und dem kanadischen Korps sowie einigen britischen Divisionen einen vollen Erfolg. Die deutschen Truppen verloren etwa 400 Geschütze und 16 Divisionen, 53.000 Mann gerieten in Gefangenschaft. General Ludendorff sprach später von diesem Tag als dem „schwarzen Tag des deutschen Heeres“. Ein britischer Militärhistoriker ordnete ihn als den Tag, an dem der Krieg gewonnen wurde, ein.
Die Angriffe wurden zwar bereits nach vier Tagen aufgehalten, aber sie zeigten Konsequenzen – spürbar ließ der Widerstandswille in den deutschen Einheiten nach. „Ich hörte von Taten glänzender Tapferkeit, aber auch von Handlungen, die ich, ich muß es offen aussprechen, in der deutschen Armee nicht für möglich gehalten habe: wie sich unsere Mannschaften einzelnen Reitern, geschlossene Abteilungen Tanks ergaben! Einer frisch und tapfer angreifenden Division wurde von zurückgehenden Truppen ‘Streikbrecher’ und ‘Kriegsverlängerer’ zugerufen. (…) Die Offiziere hatten an vielen Stellen keinen Einfluß mehr, sie ließen sich mitreißen“, notierte Ludendorff tief betrübt.
Wilhelm II. ließ nach Frieden sondieren
Ihm wurde bewußt, daß der Krieg beendet werden mußte, und hierin fand er auch die Zustimmung des Kaisers. Als dieser sich in Spa am 14. August mit Vertretern der Verbündeten Österreich-Ungarn, Bulgarien und Polen beriet, wurde die hoffnungslose Lage allen klar. Kaiser Wilhelm II. erteilte dem Außenministerium den Auftrag, über das niederländische Königshaus herauszufinden, welcher Frieden möglich sei, doch voerst blieb die Regierung wie in einer Schockstarre gefangen und untätig.
Die Kämpfe an der Westfront gingen unvermindert weiter. Die gegen die Deutschen gerichteten Angriffe wurden schrittweise fortgeführt und beständig Gelände zurückerobert. Diese Abfolge von Angriffsoperationen ging als die Hunderttageoffensive in die Geschichte ein.
Als die bereits im Frühjahr 1917, nach einem zur Frontverkürzung durchgeführten Rückzug, bezogene Siegfriedstellung, auch Hindenburglinie genannt, im September 1918 wieder besetzt wurde, verloren zunehmend mehr Feldgraue das Vertrauen in ihre Führung. Ende September schickte die Oberste Heeresleitung eine Nachricht nach Berlin, es müsse sofort nach einem Friedensschluß gesucht werden. Der neu eingesetzte Reichskanzler Max von Baden erhielt in der Folge den Auftrag, unter Berufung auf US-Präsident Woodrow Wilsons 14 Punkte Waffenstillstandsverhandlungen aufzunehmen.
Im September wurde sogar die Siegfriedlinie überrannt
Nahezu gleichzeitig hatten, eingeleitet durch eine amerikanische Offensive im Bereich der Maas und der Argonnen, weitere Angriffe auf die letzte Hauptverteidigungslinie begonnen. Am 28. September konnte der Feind dann auch in die Siegfriedstellung einbrechen und sie wenig später durchstoßen. Gebiete, die sich seit 1914 in deutscher Hand befunden hatten, mußten nun aufgegeben werden.
Große Mengen an schweren Waffen und Nachschub gingen nach Verlust wichtiger Verkehrsverbindungen verloren, da sie nicht mehr abtransportiert werden konnten. Mehr als 20 Divisionen wurden wegen zu geringer Mannschaftsstärke aufgelöst, die Verluste seit März beliefen sich damit nun auf mehr als 1.350.000 Mann. Es existierte keine weitere ausgebaute rückwärtige Stellung mehr und es bestand die Gefahr des völligen Zusammenbruchs der Front.
JF 31/18