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„Für unser Land“

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Über dem Geschichtsdatum des 20. Juli 1944 liegt die Tragik des Scheiterns. Durch den doppelten Fehlschlag von Attentat und Staatsstreich mißglückte der letzte Versuch, Deutschland aus eigener Kraft von Hitler, von Verbrechen, Krieg und Zerstörung zu befreien. Wie aber steht es mit dem historischen Vermächtnis des Widerstandes? Was wissen die Nachgeborenen vom Opfergang der Verschwörer, von den Motiven der Offiziere um Henning von Tresckow, von den Verfassungskonzepten des alle parteilichen und konfessionellen Grenzen überschreitenden Kreisauer Kreis, von der Freundschaft zwischen dem Aristokraten Stauffenberg und dem Sozialdemokraten Julius Leber? Empfindungen der Vergeblichkeit drängen sich auf, wenn wir – noch unter dem zwiespältigen Eindruck des dramatischen, mit Fehlern im Faktischen behafteten Stauffenberg-Filmes von Jo Baier – fragen, ob es gelingt, im kollektiven Gedächtnis der Deutschen das Bild des 20. Juli zu verankern. Warum sollte die auf „postnationale Identität“ gegründete Gesellschaft der „erweiterten Bundesrepublik“ (Jürgen Habermas) einer solchen Erinnerung überhaupt bedürfen? Patriotische Motivation befähigte die Verschwörer Drei Jahre nach dem Mauerfall befand Clarita von Trott zu Solz, daß „reeducation, besinnungsloser Wiederaufbau, Wirtschaftswunder und der Kalte Krieg dazu (beigetragen haben), daß unser Volk den Schatz nicht erkannt hat, den ihm der Widerstand mit seiner Geschichte hinterlassen hat.“ Zu nennen wären weitere Faktoren: die Abwendung eines Großteils der 68er Generation von realer Geschichtsverantwortung, die linksliberale Neubewertung der als „nationalkonservativ“ und demokratiefern eingestuften Ziele der Widerstandskreise, schließlich die schändliche Herabwürdigung von Männern wie Yorck (für Ch. Gerlach „eine Art Multifunktionär, was Plünderorganisationen anging“), Trott zu Solz und Tresckow im Kontext der sogenannten Wehrmachtsausstellung. Willfährige Vertreter der Zunft assistierten bei dem bundesweiten pädagogischen Unternehmen, multikulturellen Schulklassen ein deutsches Geschichtsbild zu vermitteln, in dem alle Deutschen in Wehrmachtsuniform als Verbrecherbande fungierten. Wie sollten da die Jüngeren noch verstehen, daß der Umsturzversuch auf militärischem Befehlsgehorsam basierte und die Integrität der Armee voraussetzte? Peter Steinbach, der Leiter der Gedenkstätte Deutscher Widerstand und Historiker an der Universität Karlsruhe, ließ sich in den neunziger Jahren für denunziatorische Zwecke nicht einspannen. Er hatte sich zuvor, als im Sommer 1989 die neugestaltete Gedenkstätte im Berliner Bendlerblock endlich eröffnet wurde, der Vorwürfe von Hinterbliebenen zu erwehren, er habe durch die Einbeziehung der kommunistischen Widerstandsgruppen das Bild des 20.Juli verfälscht.Im Vorwort zum vorliegenden Buch erläutert er das „integrale Widerstandsverständnis“ der Ausstellung und rückt es einerseits in einen globalen Bezug – es gehe beispielhaft um die Dokumentation von „Selbstbehauptung und Widerständigkeit in den Diktaturen des 20. und wohl auch noch des 21. Jahrhunderts“ -, andererseits als „gesamtdeutsche Erinnerungsstätte“ in einen nationalen Rahmen. Anders als der Titel „Der 20. Juli 1944“ erwarten läßt, handelt es sich um einen aktualisierten Sammelband von Vorträgen und Aufsätzen. Darunter befinden sich Porträts von weniger bekannten Köpfen des Widerstands wie Wilhelm Leuschner, Carlo Mierendorff, Hans von Dohnanyi und Otto Heinrich von der Gablentz. Die Szenen des 20. Juli werden hier in einer Gedächtnisvorlesung für Henning von Tresckow präsent, welche der Autor 1996 vor Bundeswehroffizieren in Potsdam hielt. Die Dramatik des 20. Juli erschließt sich für den Leser aus den biographischen Essays. Mit plausiblen Argumenten wendet sich Steinbach gegen das Bild des „unpolitischen“ Helmut Graf James von Moltke, des Namensgebers des Kreisauer Kreises, wenn er die Diskussion zwischen Moltke und Peter Graf Yorck von Wartenburg über das Wesen des Staates vor Augen stellt. Yorck, der am Staat als „Trieb göttlicher Ordnung“ festhielt, erklärte vor dem Volksgerichtshof, daß er den „Totalitätsanspruch des Staates gegenüber dem Staatsbürger unter Ausschaltung seiner religiösen und sittlichen Verpflichtung Gott gegenüber“ ablehne. Ein solches Bekenntnis traf den Nihilismus des Regimes in seinem Wesenskern. Für Freisler war „der Angeklagte Yorck“ nach solchen Worten „ein typischer Intellektueller einer versunkenen Zeit“, „aus dem verwandtschaftlichen und sonstigen reaktionären Klüngel“. In den Verhören der Sonderkommission äußerte Yorck die „Überzeugung, daß eine europäische Einigung unter deutscher Führung im Zuge der Zeit liegt, aber sich nur verwirklichen läßt auf dem gemeinsamen Boden der abendländischen Vergangenheit, die im wesentlichen geprägt ist durch Hellenismus, Christentum und die Schöpfungen des deutschen Geistes.“ Es sind Formulierungen, wie sie ähnlich aus dem Munde der Brüder Stauffenberg, den Vettern Yorcks, überliefert sind. Adam von Trott zu Solz reiste als Vertrauter Stauffenbergs im Juli 1944 nach Stockholm, wo er wohl mit Willy Brandt zusammentraf, aber vergeblich Kontakt zu der sowjetischen Gesandten Kollontai suchte. Auf dem Rückweg schrieb er an seine Frau Clarita: „Als ich so über das Meer und die Wolken in das düster umdrohte Deutschland zurückflog, erfüllte mich von neuem eine tiefe Liebe und Freude, in dieser schweren Zeit gerade hierher gestellt zu sein und für unser Land mitzukämpfen…“ Es war die patriotische Motivation, die „dem Leben Halt und klare Wahl“ gab und Trott befähigte, „die Horizonte des modernen Weltbürgers zu erfüllen“. Freislers Angriffe wies er mit den Worten zurück, er sei durch „die Hölle der Identifikation mit Deutschland gegangen“. Steinbach bricht Gebote korrekter Interpretation Steinbach widerlegt jene Fehldeutungen, die Trott ins Zwielicht rücken sollten. Daß dessen diplomatische Kontaktaufnahmen mit den Westmächten auf Mißtrauen und kühle Ablehnung stießen, gehört zur Tragik der „verlassenen Verschwörer“ (K.v.Klemperer). Der amerikanische Geheimdienst (hier bereits „CIA“ genannt), hielt Trott für einen Einflußagenten. Steinbach erläutert Trotts Vorstellungen anhand der Gesprächsnotizen, die ein Beamter des State Department im Spätherbst 1939 anfertigte. Trott sprach sich für die Überwindung des Versailler Systems aus und betonte die stabilisierende Rolle Deutschlands in Europa. Die fatale Konsequenz der alliierten „unconditional surrender“-Formel, welche den Widerstand nach innen und außen zu lähmen drohte, wird an verschiedenen Stellen betont. Die These, Trotts Denkschriften seien „weit gehend (!) bekannt“, bleibt anfechtbar: Es fehlt der Hinweis auf den anscheinend noch immer unauffindbaren Text „Deutschland zwischen Ost und West“, den Trott letztmals vor seiner Stockholm-Reise überarbeitete. Die Aussage über Trott, der seit 1930 zur Sozialdemokratie tendierte, er habe unplakativ, aber umso „radikaler eine Orientierung an christlichen Wesensgehalten gefordert“, trifft auf die Mehrzahl der hier vorgestellten Persönlichkeiten des Widerstands zu. Ein ethisch-religiöses Moment lag im Konzept des personalen Sozialismus, der selbst den Gewerkschafter Leuschner bewegte und mit dem explizit christlichen Personalismus der Kreisauer verbinden konnte. „Die Volksbewegung bekennt sich zur deutschen Kultur und zur christlichen Vergangenheit des deutschen Volkes.“ Dieser Satz wird in Steinbachs Zusammenfassung Mierendorffs des Aufrufs zur „sozialistischen Aktion“ (1943) leider nicht zitiert. Wie wirkten solche Worte wohl heute vor sozialdemokratischem Publikum? In dem Porträt des Pädagogen Reichwein fehlt dessen Prägung durch den religiösen Sozialismus, die für den Hofgeismarer Kreis wie für die „Neuen Rechten“ um Mierendorff und Schumacher wesentlichen nationalpatriotischen Motive bleiben unterbelichtet. Ging es Reichwein, der sich in einem Brief als „nationaler Sozialist“ bezeichnete, nur um „einen Symbolkampf“ mit dem NS-Regime? „Daß Staat vor Wirtschaft geht, war nie bezweifelte Überzeugung des ganzen (Kreisauer) Kreises“, schrieb rückblickend der Politikwissenschaftler von der Gablentz, der nach 1945 vergeblich versuchte, die Ideen eines christlichen kommunitären Sozialismus in der CDU zu verankern. Der Historiker Steinbach weiß, wie unendlich weit dieser Vorstellungshorizont von der sozialen Wirklichkeit des Jahres 2004 entfernt liegt: Globalisierung, „Risikogesellschaft“ à la Ulrich Beck, Migration, Multikulti, Staat und Gesellschaft ohne Gott. Die europäische Dimension im christlichen Humanismus der deutschen Patrioten? „Europa ist kein Christenclub“, kreischt die Grüne Claudia Roth unisono mit Erdogan. Verkrampft wirken Steinbachs Thesen, wo er die christlich-patriotischen Motive der Verschwörer für den herrschenden „Diskurs“ von der „Zivilgesellschaft“ nutzbar zu machen sucht. „So wurde durch eine Tat von Militärs der Militarismus überwunden, der die deutsche Geschichte geprägt hatte.“ Und vor den Offizieren in Potsdam: „Sie sehnten die militärische Niederlage herbei, weil sie Deutschland liebten und in der Kapitulation die Voraussetzung für dessen Befreiung sahen.“ Hier nimmt der Autor geschichtspolitische Korrekturen vor, die mit der Einsicht in die Unvermeidlichkeit der Niederlage nichts zu tun haben. An einer Stelle, wo er von der Gablentz zitiert, durchbricht der Verfasser die Gebote der korrekten Geschichtsinterpretation: „Die Vorstellungen von den Vertreibungen lagen allerdings außerhalb unseres Gesichtskreises.“ Foto: Hitler und Mussolini besichtigen die zerstörte Lagebaracke des Führerhauptquartiers im ostpreußischen Rasten-burg: Später wurde der Schatz nicht erkannt, den der Widerstand mit seiner Geschichte hinterlassen hat Peter Steinbach: Der 20. Juli 1944. Gesichter des Widerstands. Siedler Verlag, München 2004, 352 Seiten mit 13 Abbildungen, gebunden, 24 Euro Herbert Ammon ist Historiker und lebt in Berlin.

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