Im Streit über die Finanzierung des Bundeshaushalts 2025 ist die Ampel auseinandergebrochen. Von daher erstaunt der derzeitige Überbietungswettbewerb mit Steuerentlastungen (erhöhter Grundfreibetrag, Abflachung des Einkommensteuertarifs, Soli-Abschaffung), neuen Wohltaten (Klimageld) und einer Investitionsoffensive (Investitionsprämie, Deutschlandfonds). Gemäß Artikel 115 des Grundgesetzes sind Einnahmen und Ausgaben „grundsätzlich ohne Einnahmen aus Krediten auszugleichen“.
Doch das Institut der deutschen Wirtschaft hat erhebliche Mindereinnahmen des Staates auf der Grundlage der Wahlprogramme und Positionspapiere der Parteien errechnet (in Milliarden Euro): AfD (149), FDP (138), Union (89), Grüne (48), SPD (30) und BSW (122). Angesichts eines gesamten Steueraufkommens von Bund, Ländern und Gemeinden in Höhe von 861 Milliarden Euro sind dies erhebliche Lücken, die gefüllt werden müssen. Eine Ausnahme bildet die Linke mit geplanten Mehreinnahmen von 198 Milliarden Euro, finanziert vornehmlich durch eine Vermögensteuer (123), Erhöhung der Unternehmensteuern (78), der Erbschaftsteuer (17) sowie einer Finanztransaktionsteuer (36).
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Wirtschaftswachstum ist dringend erforderlich
Union, FDP und AfD wollen Bürger und Unternehmen in größerem Umfang steuerlich entlasten: bei Netzentgelten, Soli und Einkommensteuer, dazu die Körperschafts-/Gewerbesteuern absenken – allesamt wachstumsfördernde Maßnahmen. Da diese Parteien ihre Vorhaben ohne eine quantifizierbare Gegenfinanzierung unter Einhaltung der Schuldenbremse realisieren wollen, müßte ein entsprechend hohes Wirtschaftswachstum diese Mehrausgaben ausgleichen. Generell gilt zwar: Wachstum bedeutet mehr Einkommen, mehr Konsum und Investitionen bewirken Gewinne – all dies führt zu Steuermehreinnahmen. Doch werden sie ausreichen? Eine grobe Abschätzung bietet die gesamtwirtschaftliche Steuerquote von 23 Prozent.
Jeder zusätzliche Euro an Wirtschaftsleistung beteiligt den Staat im Schnitt mit 23 Cent an Steuern. Bei einem Bruttoinlandsprodukt (BIP) von 4,3 Billionen Euro würde ein Prozent Wachstum folglich zu Steuermehreinnahmen von 9,9 Milliarden Euro führen. Berücksichtigt man weiterhin, daß die drei Parteien das Bürgergeld reformieren und die Asylzuwanderung begrenzen wollen, wird hier pauschal eine Gegenfinanzierung von zehn Milliarden Euro als Einsparpotential angenommen. Unter diesen Annahmen hätten die Parteien indirekt folgende Wachstumseffekte (in Prozent des BIP) ihrer Programme vorausgesetzt: Union 7,9, FDP 12,8 und die AfD ganze 13,9 Prozent.
Zur Klarstellung sei gesagt, daß dies keine jährlichen Wachstumsraten sind. Vielmehr muß in absehbarer Zeit dieses Wachstum erfolgen, damit per Saldo die Selbstfinanzierung stattfindet und keine Zusatzkredite aufgenommen werden müssen. Doch die Mindereinnahmen fallen sofort an, während die Wachstumseffekte mit Zeitverzug eintreten. Deshalb wäre zumindest die Zwischenfinanzierung einschließlich Kreditzinsen innerhalb der Schuldenbremse zu klären. Angesichts eines Potentialwachstums von ungefähr 0,3 bis 0,5 Prozent (langfristig) grenzen diese eher unrealistischen Wachstumssteigerungen an unredliche Versprechungen.
Die Spielräume sind gering
Die Links-der-Mitte-Parteien haben eigene Lösungswege. Zum einen planen sie mit Steuererhöhungen in gewissem Umfang die Gegenfinanzierung ihrer Mehrausgaben (Mehrwertsteuerabsenkung, höheren Grundfreibetrag) – mit der Wiedereinführung der Vermögensteuer, höheren Erbschaft- und Kapitalertragsteuern und einer „Reichensteuer“. Doch die umverteilende Absicht macht zugleich das Sparen und die Kapitalbildung für Investition unattraktiver – mit potentiell negativen Wachstumseffekten. Zum anderen wird der Ausweg über eine hohe Neuverschuldung gegangen. SPD und Grüne wollen einen kreditfinanzierten Deutschlandfonds (Startkapital: 100 Milliarden Euro) zur Sanierung der Infrastruktur und für den Strukturwandel hin zu einer CO₂-armen Produktion errichten.
Private Investitionen will die SPD zusätzlich mit einer Steuerprämie locken. Damit verbunden wäre die Aufhebung der bisherigen Schuldenbremse. Sozialausgaben stehen hier scheinbar in keiner Konkurrenz zu den investiv notwendigen Sanierungsvorhaben über Neuschulden. Doch ist das so? Die angestrebten zusätzlichen Produktionsmöglichkeiten (Verkehr, Schulen, Glasfaser), insbesondere aber neuartige Technologien (Energie, KI), benötigen eine erhebliche Aufbauzeit, um mit ihrer Rendite Kreditzinsen und Tilgung zu bedienen.
Und die dafür eingesetzten Inputfaktoren (Arbeit, Maschinen, Material) stehen bei begrenzten Möglichkeiten in Konkurrenz zueinander – es gibt nichts kostenlos. Die Kredite belasten zukünftige Jahre. Auch wenn die zulässige strukturelle Neuverschuldung im Rahmen der nationalen Schuldenregel von 0,35 Prozent auf die auf EU-Ebene maximal zulässigen 1,5 Prozent des BIP angehoben würde, ergäben sich kaum weitere Spielräume, da nach EU-Regeln auch alle Nebenhaushalte (Sonderschulden) einzurechnen wären. Wenn es den Programmen demnach an einer soliden Gegenfinanzierung fehlt und/oder sie der Illusion eines „Free Lunch“ durch Neuschulden unterliegen, wäre zu fragen, wie eine wachstumsorientierte Politik ohne Schuldenerweiterung aussähe.
Wahlkampf kann unfair sein
Ein Klein-Klein dürfte bei Themen wie Demographie/Rente, Zuwanderung, Infrastruktur, Umweltschutz, Wehrfähigkeit nicht zielführend sein. Nötig wäre: Subventionsabbau (50 Prozent) bei angemessenen Rahmenbedingungen (etwa CO₂-Preis) statt Lenkung durch Finanzhilfen (127 Milliarden Euro); Sozialstaat mit Vermeidungsanreizen (Arbeitslosengeld II/Bürgergeld 38 Milliarden Euro, Karenztage); Migrationsstopp an deutschen Grenzen/Abschaffung des individuellen Asylrechts (28 Milliarden Euro); gesteuerte Zuwanderung gemäß Arbeitskräftebedarf vereinfachen; Rentenzugangsalter der Lebenserwartung anpassen; statt an der Kriegstüchtigkeit an der Friedensfähigkeit arbeiten.
100 Milliarden Euro dürften so frei werden beziehunsgweise zukünftig gar nicht erforderlich sein. Dann braucht das künftige politische Führungspersonal auch nicht eine zwei Jahrzehnte alte Ausrede von Angela Merkels damaligen SPD-Vizekanzler Franz Müntefering reaktivieren: „Wir werden an dem gemessen, was in Wahlkämpfen gesagt worden ist. Das ist unfair!“
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