TEGERNSEE. Die Präsidentin des Verbands der Automobilindustrie (VDA), Hildegard Müller, hat in einem Interview Alarm geschlagen: Die wahren Probleme der deutschen Autoindustrie lägen nicht jenseits des Atlantiks oder im fernen Osten – sie seien hausgemacht.
Im Vorfeld des Ludwig-Erhard-Gipfels am Tegernsee fand Müller deutliche Worte: Deutschland sei als Industriestandort international nicht mehr wettbewerbsfähig. Energiekosten, Steuerlast, Bürokratie – all das schrecke Investoren zunehmend ab. „Immer weniger wird in Deutschland investiert“, warnte sie.
Und das trotz gewaltiger Zukunftsprogramme der Autobauer: Über 500 Milliarden Euro sollen in den kommenden Jahren in Forschung, Entwicklung und Werke fließen – aber immer seltener im Inland.
Müller sieht deutschen Vorsprung schwinden
Der Befund ist klar: Während deutsche Hersteller weltweit gefragt sind, wird ihnen zu Hause der Boden unter den Füßen entzogen. Die Politik reagiere zu langsam, sei zu umständlich, verliere sich in Detailvorgaben und Vorschriften. Müller, einst von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) ins Kanzleramt geholt, nennt es einen „wirtschaftspolitischen Kurswechsel“, den es brauche – mit einem „Mentalitätswandel“ gleich dazu. Weniger Regulierung, mehr Wachstum, laute die Devise.
Auch auf internationaler Bühne mehren sich die Stolpersteine. Die angedrohten US-Zölle auf europäische Fahrzeuge könnten den transatlantischen Handel empfindlich treffen. Doch Müller betont gegenüber Focus-Online: Protektionismus schade am Ende beiden Seiten – und auch die USA würden wirtschaftlich verlieren. In China dagegen florieren die Geschäfte deutscher Hersteller weiter. Auf 142 in China verkaufte Autos kommt gerade einmal ein chinesisches Modell, das hierzulande Absatz findet. Noch.
Denn die Konkurrenz schläft nicht. China investiert massiv in Zukunftstechnologien, setzt auf künstliche Intelligenz und digitale Mobilität. Die deutsche Industrie hält mit – solange sie Luft zum Atmen hat. Doch daran hapert es zunehmend im Inland.
Für Müller steht fest: Deutschland droht, den eigenen Vorsprung zu verspielen. Wer heute noch vom „Autoland Deutschland“ spricht, müsse bald erklären, warum sich die Produktion ins Ausland verlagert hat. Es sei höchste Zeit, gegenzusteuern – bevor die Straße ins Abseits führt. (rr)