Vom 11. bis 22. November wird in Baku die 29. Weltklimakonferenz (COP29) veranstaltet. Hauptthema in der aserbaidschanischen Hauptstadt ist die Klimaschutz-Finanzierung, denn die bisherige Abmachung, daß die reicheren der 193 UN-Mitgliedstaaten jährlich 100 Milliarden Dollar für die ärmeren Länder bereitstellen, läuft 2025 aus. Wie hoch das neue Klimafinanzierungsziel (NCQG) steigt, wird heiß diskutiert werden. Auf der vergangenen COP28 in Dubai wurde die Abkehr von fossilen Brennstoffen, die Verdreifachung der Kapazität der erneuerbaren Energien bis 2030 und die Verdoppelung der Energieeffizienz vereinbart.
Was das heißt, ist interpretierbar. Beim Zubau von Photovoltaik (PV) ist Deutschland voll dabei: 2023 erhöhte sich die installierte Leistung um 14,6 auf 82 Gigawatt (GW), in diesem Jahr kamen bislang 12,3 GW hinzu – das reicht theoretisch für die Spitzenlast von 85 GW an einem Dezemberabend. Doch PV liefert seine Spitzenleistung nur in der wolkenfreien sommerlichen Mittagssonne. Deswegen sind mindestens 80 GW konventionelle und Stromimportkapazitäten bei Dunkelflauten, wenn auch die Windkraft nicht liefert, unverzichtbar.
Klimaschutz auf Kosten der Wettbewerbsfähigkeit
In der Industrie ist die Abkehr von fossilen Energien noch schwieriger. Deswegen hat Robert Habeck, Chef des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) kürzlich seine Klimaschutzverträge vorgestellt. Mit dabei ausgewählte Lenker geförderter Mittelständler und der Großindustrie, die ein braves Loblied sangen. Denn der Standort Deutschland brennt. Aktuelles Beispiel BASF: Die Produktion im Stammwerk in Ludwigshafen wurde zurückgefahren und 4.200 Stellen abgebaut. Zudem sollen Pläne bestehen, etwa ein Siebtel der Anlagen zu schließen, um deren Produktion bis 2028 nach China zu verlagern.
Der deutsche Klimaschutzweg kostet und bedroht die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen. Insbesondere auch, weil die Ampel das Dekarbonisierungsziel gegenüber den EU-Vorgaben noch verschärft hat (JF 43/24). In China oder Indien bestehen solche Auflagen nicht, so daß dort die Produktion kostengünstiger erfolgen kann – zu Lasten der Umwelt, des Klimas und deutscher Arbeitsplätze.
Das CO₂-Grenzausgleichssystem (CBAM) der EU für Aluminium, Düngemittel, Eisen und Stahl, Elektrizität, Wasserstoff und Zement soll diesen Nachteil ausgleichen und „Umweltdumping“ verhindern. Doch diese CO₂-Zölle sind kaum praktikabel und werden Gegenreaktionen auslösen.
Mit „Innovationssteuern“ zu Innovationen?
Die Klimaschutzverträge sollen dem grünen Minister zufolge „Leuchtturm-Projekte“ fördern und Firmen unterstützen, in klimafreundliche Produktionsanlagen zu investieren und diese langfristig zu betreiben. Die Mehrkosten werden über Subventionen ausgeglichen und Preisrisiken von Wasserstoff oder CO₂-Zertifikaten bis 2039 abgesichert. Anstatt politisch für generelle Planungssicherheit zu sorgen, wird das gewünschte unternehmerische Handeln durch Steuergelder individuell belohnt und andere Wettbewerber diskriminiert.
Von den nur 17 Anträgen der ersten Ausschreibungsrunde erhielten 15 Projekte den Zuschlag und damit die Zusage von maximal 2,8 Milliarden Euro. Die tatsächliche Fördergeldsumme kann jedoch niedriger ausfallen, wenn sich die Preise für „grünen“ Wasserstoff oder Strom günstiger entwickeln als in den Förderanträgen unterstellt. Für den Fall, daß die CO₂-sparende Produktion sogar kostengünstiger wird, würde sich die Zahllast gar umkehren.
Die geförderten Firmen müßten die Differenz an den Staat zahlen – quasi eine Innovationssteuer. Die Gelder fließen nach Abrechnung am Jahresende, wenn die Betreiber eine entsprechende Emissionsminderung nachgewiesen haben. Dazu müssen sie einen verifizierten Emissions- und Energieeffizienzbericht vorlegen – lukrative Arbeit für externe Sachverständige.
Wie man effiziente Verfahren ad absurdum führt
Die geförderten Unternehmen kommen aus den energieintensiven Sektoren Glas und Keramik, Papier und Zellstoff sowie der Chemie. Neben der BASF gibt es bekannte Namen wie Knauf (Dämmstoffe), Südzucker, Tesa und Wienerberger (Ziegel), aber auch Mittelständler wie die Papierfabriken Drewsen (Celle) und Adolf Jass (Fulda) oder zwei deutsche Glaswerke des französischen Saint-Gobain-Konzerns.
Positiv ist das Bieterverfahren: Prinzipiell wird das Förderbudget an diejenigen Firmen vergeben, die pro eingesparter Tonne CO₂ die geringste Subvention beanspruchen wollen. Hellhörig macht allerdings, daß 15 von 17 Anträgen durchgewunken wurden. Zum anderen standen ursprünglich vier Milliarden Euro zur Verfügung. Diese Summe wurde reduziert, wohl um noch eine gewisse Auswahl bei der geringen Zahl von Anträgen vornehmen zu können.
Damit wurde das eigentlich effiziente Verfahren ad absurdum geführt, denn es gab praktisch keinen Bieterwettbewerb, da 90 Prozent der Projekte angenommen wurden. Eher kann ein Kartell der Antragsteller vermutet werden, denn sieben der 15 bewilligten Förderbescheide wurden von der Kölner Rechtsanwaltsgesellschaft Luther betreut, was ein abgestimmtes Verhalten nahelegt: Kein anderes Förderinstrument biete eine volle Förderung der Investitionen in neue Anlagen und die höheren Betriebskosten, lobte Anwalt Gernot-Rüdiger Engel das Verfahren. Damit können alle zufrieden sein – nur nicht die finanzierenden Steuerzahler.
Klimapolitik wie ein Wunschkonzert
Das vorbereitende Verfahren für die zweite Runde der Klimaschutzverträge hat schon begonnen. Dabei prüft das BMWK aktuell, ob die Förderbedingungen angepaßt werden sollen. Daher wolle es alle Firmen „ermutigen, mit ihren großen Dekarbonisierungsvorhaben am vorbereitenden Verfahren teilzunehmen. Nur wenn wir Ihre Vorhaben kennen, können wir das Förderprogramm paßgenau ausgestalten.“
So wird überlegt, ob auch die Abscheidung, Nutzung und Speicherung von CO₂ (Carbon Capture Use and Storage/CCS), was früher von den Grünen verteufelt wurde, gefördert werden soll. Das klingt nach einem „Wunschkonzert“. Schließlich haben die Antragsteller nach dem Start der zweiten Gebotsrunde im Dezember mehrere Monate Zeit, um ihre Gebote einzureichen.
Mit CO₂-Zertifikatehandel in die Planwirtschaft 2.0
Darüber hinaus wird die mit dem Programm finanzierte CO₂-Einsparung auch sehr teuer erkauft. Nimmt man die Maximalförderung von 2,8 Milliarden Euro als Basis, dann sollen über 15 Jahre bis zu 17 Millionen Tonnen CO₂ eingespart werden. Pro eingesparter Tonne CO₂ ergibt das eine Subvention von 165 Euro.
Demgegenüber beträgt der Preis für ein entsprechendes Nutzungszertifikat im EU-Emissionshandel (EU-ETS) aktuell nur 64 Euro. Andersherum: Deutschland finanziert für alle Zertifikatkäufer diesen günstigen EU-ETS-Preis mit, indem die Klimaverträge entsprechende CO₂-Zertifikatnachfrage auf Staats- sprich Steuerzahlerkosten vermeiden helfen.
Warum dann nicht den ETS-Handel auf alle Produktionen ausdehnen? Die Einheitlichkeit des Preises würde gleiche Wettbewerbsbedingungen für alle EU-Produzenten schaffen, eine Interventionsspirale des staatlichen Nachsteuerns vermeiden und verläßliche Rahmenbedingungen schaffen. Zudem kommen Klimaschutzverträge einer direkten Projektförderung gleich. Damit entsteht letztendlich eine staatliche Investitionslenkung. Klimaschutzverträge sind so gesehen eher DDR-Planwirtschaft 2.0 in modern-grüner Verpackung.
—————————————–
Prof. Dr. Dirk Meyer lehrt Ökonomie an der Helmut-Schmidt-Universität Hamburg.