Die Inflation ist „immer und überall ein monetäres Phänomen“, das erklärte Milton Friedman schon 1963 in seiner Abhandlung „Inflation. Causes and Consequences“. In dem Jahr lag die Geldentwertung in den USA bei bescheidenen 1,24 Prozent. Doch der amerikanische Ökonom, der 1976 den Wirtschaftsnobelpreis erhielt, ahnte was kommen würde: Vietnamkrieg, Sozialreformen, Raumfahrtprogramm – und das bei unveränderter Hochrüstung im Kalten Krieg. Das kann nicht gutgehen, wenn gleichzeitig nicht anderweitig gespart wird.
„Inflation is always and everywhere a monetary phenomenon“ – Milton Friedman pic.twitter.com/hqJUqxxisV
— Natalie F Danelishen (@Chesschick01) November 27, 2024
Die Geldmenge und Staatsausgaben stiegen, die Goldbindung wurde aufgehoben. 1970 betrug die US-Inflationsrate 5,84 Prozent. In Deutschland, wo die Bundesbank auf die Geldwertstabilität achtete, kletterte die Inflation von 1,91 auf 3,45 Prozent. Denn auch die Frankfurter Währungshüter agierten nicht im luftleeren Raum: Als Exportnation und angewiesen auf Rohstoffimporte, werden globale Auswirkungen immer auch im Inland spürbar.
Ölkrisen trieben dramatische Preissteigerungen an
Mit der ersten Ölkrise 1973/74 begann die Hochinflationsphase der siebziger und frühen achtziger Jahre: 1974 kletterte die US-Inflationsrate auf 11,05 Prozent; die Bundesbank vermeldete 6,99 Prozent – bei den westlichen Nachbarn waren es zweistellige Werte. Ursache war nicht eine „lockere“ Geldpolitik von Fed und Bundesbank, sondern der Überfall arabischer Armeen auf Israel. Da die westlichen Staaten und Japan die Israelis unterstützten, senkten die arabischen Ölstaaten ihre Fördermenge um zunächst fünf Prozent. Das führte dazu, daß der Rohölpreis von drei auf fünf Dollar und dann 1974 sogar auf zwölf Dollar kletterte.
Bei solchen Preiserhöhungen können die Notenbanken nur begrenzt gegensteuern, denn sie wollen die Wirtschaft nicht abwürgen. Hektisch erlassene Fahrverbote und Tempo 100 wirkten kaum. Der Umstieg auf Kohle, Erdgas und Atomkraft, die Bahnstreckenelektrifizierung zum Diesellokersatz oder die Erschließung neuer Ölquellen (Norwegen, Schottland, Sowjetunion) gelang nur mit Zeitverzögerung. Die Wirtschaft stagnierte, die Arbeitslosigkeit stieg – aus dieser Zeit stammt der Begriff „Stagflation“, denn die Geldentwertung blieb auch nach dem Ende des Ölboykotts der Araber – besonders in den USA – weiterhin hoch.
Der Sturz des Schahs und der Iran-Irak-Krieg brachte die zweite Ölkrise 1979/80 – und die höchste US-Inflationsrate seit 1946: 1980 verlor der Dollar innerhalb eines Jahres 13,55 Prozent an Wert – die an sich stabile D-Mark immerhin 5,44 Prozent. Erst Mitte der achtziger Jahre ging die Inflationsrate wieder spürbar zurück – zumindest im Einflußbereich der Bundesbank. In den USA hatte ein gewisser Gewöhnungseffekt eingesetzt.
Deutschland war weniger inflationsgeplagt als die USA
Da die meisten Währungen eine höhere Inflation verzeichneten als die D-Mark, konnten sich die Deutschen trotz Inflation seit den siebziger Jahren immer mehr leisten – speziell im Ausland und bei den Importen. Auch die Wiedervereinigung war nur dank der D-Mark-Stärke weitgehend schmerzfrei möglich. Doch mit dieser Aufwertungsdividende ist es mit der Euro-Einführung vorbei. Preissteigerungen im Ausland und bei Importgütern sind nun noch spürbarer. Das erklärte auch den Euro-Schock nach der D-Mark-Abschaffung.
Insgesamt lag die deutsche Inflationsrate in den ersten zwei Euro-Jahrzehnten immer unter der US-Inflationsrate. Nur im Finanzkrisenjahr 2009 lag sie mit 0,31 Prozent über der US-Deflationsrate von -0,36 Prozent, was sich aber mit der amerikanischen Hauspreiskrise erklären läßt.
Doch dann kamen 2020 Corona und 2022 der Ukraine-Krieg. Hier reagierte allerdings nicht der Ölpreis, denn es gab inzwischen ausreichend Lieferanten, darunter die USA, die dank Fracking zur Ölsupermacht aufgestiegen sind. Es reagierte der Gaspreis vor allem auf dem deutschen Markt – im Juli 2022 war er fast fünfmal so hoch wie 2021. Zum Vergleich: Der Rohölpreis stieg lediglich um über zwei Drittel.
Vor allem Lebensmittelpreise sind gestiegen
Rußland hat beim Rohöl auch geringes Erpressungspotential. Allerdings traf die Gasknappheit mit coronabedingt unterbrochenen Lieferketten zusammen. Auch die Agrarmacht Ukraine fiel teilweise aus – das ließ global die Nahrungsmittelpreise explodieren. All das passierte, nachdem die EZB seit 2010 ihre Geldmenge extrem ausgeweitet hatte und die Regierungen in der Corona-Zeit Geldgeschenke verteilt hatten, die wegen der Lockdowns und Reisebeschränkungen auf den privaten Bankkonten lagen – und es kam, wie es kommen mußte: Die Inflation stieg 2022 enorm an.
Mit Jahresdurchschnittswerten von 6,9 Prozent (Deutschland) und acht Prozent (USA) nicht so dramatisch wie vor fünf Jahrzehnten. Aber es war für den Normalbürger viel spürbarer: Die Preise für Nahrungsmittel stiegen 2022 um 13,4 Prozent und 2023 um 13,4 Prozent. Insgesamt wurde das Essen und Trinken zwischen 2020 und 2023 im Schnitt um ein Drittel teurer. Die Energiepreise stiegen sogar fast um die Hälfte. Daß das Preisniveau insgesamt „nur“ um 18 Prozent kletterte, ist vor allem den gedeckelten Mieten, staatlich beeinflußten Preisen (ÖPNV, Krankenversicherung) und Billigimporten (Textil, Elektronik) zu verdanken.
Auch wenn die deutsche Inflationsrate im November nur bei 2,2 Prozent lag, ist mit einem Ende der Geldentwertung nicht zu rechnen. Denn die Inflation ist „immer und überall ein monetäres Phänomen“ – und der nächste Preisschub kommt: Im Januar werden Benzin, Diesel, Gas und Heizöl durch Merkels Brennstoffemissionshandelsgesetz erneut teurer – ganz ohne EZB und Wladimir Putin.