BERLIN. Ein Beratergremium der Bundesregierung hat vor einem höheren Arbeitsplatzabbau durch die Umstellung auf Elektromobiliät gewarnt als bislang angenommen. Berechne man nicht nur die Auswirkungen auf die Antriebsfertigung, sondern auch auf die Metallerzeugung und -bearbeitung sowie den Maschinenbau mit ein, seien bis 2030 rund 410.000 Arbeitsplätze gefährdet, heißt es in einem Bericht der Nationalen Plattform Zukunft der Mobilität (NPM), der am Montag vorgestellt werden soll und dem Handelsblatt vorliegt.
Die NPM besteht aus Vertretern von Politik, Wirtschaft, Gewerkschaften, Verbänden und Forschung. Andere Studien, etwa die des Forschungsinstituts Fraunhofer-IAO, waren zuvor von einer geringeren Zahl von wegfallenden Arbeitsplätzen ausgegangen.
„Damit Deutschland als automobiler Produktionsstandort stark bleiben und für Beschäftigung sorgen kann, müssen wichtige Wertschöpfungsnetzwerke für die Antriebstechnik der Zukunft wie Batterien, Leistungselektronik, Brennstoffzellen möglichst vollständig in Deutschland und seinem europäischen Umfeld erhalten beziehungsweise aufgebaut werden“, sagte der Vorsitzende des NPM-Lenkungskreises und frühere SAP-Chef Henning Kagermann dem Blatt.
Automobilindustrieverband kritisiert Studienthesen
Kritik an den Zahlen kommt vom Verband der Automobilindustrie (VDA). „Die Annahme, daß in den kommenden Jahren bis zu 410.000 Stellen wegefallen könnten, geht von einem unrealistischen Extremszenario aus“, verdeutlichte VDA-Geschäftsführer Kurt-Christian Scheel. Die These, die meisten E-Autos würden aus dem Ausland importiert, träfe nicht zu.
Anfang Januar hatten sich Politiker und Arbeitsnehmervertreter aus Franken mit einem Hilferuf an Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) gewandt. „Gerade das Thema Mobilität und Klimawandel stellen insbesondere die Region Bamberg durch die hohe Dichte an Automobilzulieferern vor große Herausforderungen“, hieß es in dem Brief. „Wir bitten Sie als Bundeswirtschaftsminister um Unterstützung für die gesamte Region.“
Kritik an Fokussierung auf E-Mobilität
Immer wieder warnen Politiker von AfD und FDP, Wissenschaftler und Auto-Liebhaber vor einer reinen Fokussierung auf Elektromobilität. Ein Gründer der Internet-Bürgerinitiative „Fridays for Hubraum“ forderte Industrie und Politik im Interview mit der JUNGEN FREIHEIT auf, beispielsweise auch in Wasserstoff-Verbrennungsmotoren zu investieren. Damit könnten Massenentlassungen verhindert und gleichzeitig der Umwelt geholfen werden.
Der Leichtbau- und Antriebsforscher Jörg Wellnitz geht davon aus, daß auch in Zukunft der Kolbenmotor maßgeblich sein werde. 2030 würden weltweit mehr Dieselfahrzeuge unterwegs sein als heute. „Der CO2-Ausstoß von modernen Dieselmotoren wird nochmal 20 bis 30 Prozent unter dem jetzigen Niveau kommen. Damit sind die Klimaziele dann sofort erreichbar. In anderen Erdteilen gibt es darüber übrigens auch gar keine Diskussion. Nur wir schaffen unsere wichtigste Industrie ab“, sagte er der JF. (ls)