Nach einer schwierigen innverbandlichen Auseinandersetzung im vergangenen Jahr hat die Hayek-Gesellschaft wieder Tritt gefaßt. Im Mittelpunkt einer Tagung ihrer Mitglieder standen nicht persönliche Grabenkämpfe, sondern Kritik am europäischen Zentralstaat.
Dabei wurde zum wiederholten Male das Auseinanderdriften von Christian Lindners runderneuerten Pink-Liberalen und jenem Verein, der sich einer schlanken Staat verpflichtet fühlt, sichtbar. Zwar fand die Tagung in dem Bürokomplex statt, der auch die FDP-Zentrale in Berlin beherbergt, aber niemand von der Partei ließ sich bei der Tagung blicken, um ein Grußwort zu halten oder zuzuhören.
Der prominenteste FDP-Vertreter auf der Tagung war Frank Schäffler, der in der Partei ein Außenseiterdasein fristet und bangen muß, daß er 2017 wieder für den Bundestag aufgestellt wird. Sein Parteichef Lindner ließ die Öffentlichkeit via Twitter an diesem Tag wissen, daß Politiker, die in nationalen Kategorien dächten wie Victor Orban für ihn keine Gesprächspartner seien.
Problematisch, dass #Kohl dafür einem Politiker eine Plattform bietet, der wieder in nationalen + nicht europäischen Kategorien denkt…CL
— Christian Lindner (@c_lindner) 19. April 2016
Ein Teilnehmer sagte dazu: Die ganze FDP-Führung müßte hier hinten Platz nehmen und Nachhilfe in Sachen Liberalismus erteilt bekommen.
„Angriff auf das geistige Potential unseres Landes“
Vermutlich hätten ihnen die einleitenden Worte von Wolf Schäfer nicht gefallen, da sie etwas zu sehr nach AfD klangen: „Die Politik propagiert Alternativlosigkeit. Das aber ist das Gegenteil von Freiheit. Und ich sage auch: Das ist ein Angriff auf das geistige Potential unseres Landes.“
Der Vorsitzende der Hayek-Gesellschaft interpretierte die Zentralisierung der EU als Angriff auf die Lehre Hayeks: „Jeder neue Integrationsschritt wurde zum alternativlosen Fortschritt erhoben, der nicht rückgängig gemacht werden dürfe. Ganz nach Hayek regiert hier die Anmaßung, jedem Land vorzuschreiben, welchen Weg es zu gehen hat.“
Die Eurokrise sei in den Hintergrund getreten, schwele aber weiter. Sie komme mit dem nächsten Hilfspaket für Griechenland mit aller Schärfe wieder hoch. Zudem würden fundamentale Rechtsregeln eklatant mißachtet. Schäfer rechnete daher mit der Gemeinschaftswährung ab: „Der Euro wirkt nicht integrationsfördernd, sondern integrationssprengend.“ Durch die Nullzinspolitik fehle der Wirtschaft die Steuerungsfunktion für Investitionsentscheidungen oder die Aufteilung von Konsum und Sparen. Fehlinvestitionen würden vorgenommen.
„Der Zorn nimmt zu“
Nach diesem Auftakt diskutierte ein eurokritische Expertengruppe: Thomas Mayer, Ex-Chefvolkswirt der Deutschen Bank, Joachim Starbatty, Anti-Euro-Kläger der ersten Stunde und EU-Abgeordneter und die beiden Berliner Ökonomen Markus Kerber und Charles Blankart.
Letzterer erinnerte an das Schicksal Italiens, wo sich vor 150 Jahren schon einmal zugetragen hat, was Europa heute im großen Stil erlebe: „Das Land wurde unter eine Währung gezwungen. Mit dem Ergebnis, daß der Mezzogiorno bis heute subventioniert werden muß. Aus wirtschaftlicher Sicht wäre die Lira längst zusammengebrochen, aber der Staat kann ja Steuern erheben und verteilen. Langfristig setzen sich die Politiker durch.“
Dem widersprach Kerber: „Die Politiker können kurzfristig etwas bewegen.“ Langfristig gewännen immer ökonomische Gesetze. Bis es soweit sei, werde aber noch viel geschehen. Die Deutschen müßten aufbegehren gegen den Euro. Kerber: „Der Zornesmoment ist noch nicht erreicht, aber der Zorn nimmt zu. Das Überleben des Euro hängt ab, von den Krisenherden und der Kampfbereitschaft der Überschußländer. Da sind insbesondere die Deutschen gefragt.“
„Griechenland ist ein failed state“
Kerber, der auch mehrfach gegen die Europolitik geklagt hatte, erweiterte seine Kritik auch auf andere Bereiche jenseits der Eurorettung: So prangerte er an, daß Länder wie Griechenland Geld dafür bekämen, daß sie Asylbewerber an Deutschland weiterreichten. Klare Worte: „Die Griechen gehören nicht nur aus der Währungsunion geschmissen. Sie gehören auch aus der Europäischen Union geworfen. Das Land ist ein failed state. Das ist politisch unkorrekt und wird bei den Grünen keinen großen Jubel auslösen.“ Die Haykianer hingegen hörten es gern.
Der EU-Kritiker Stabatty hielt der Bundesregierung vor: „Mir kommt Deutschland so vor wie ein Riese mit einem Strick durch die Nase. Er wehrt sich, aber er tut, was die anderen sagen.“
„Brüssel ist geprägt von totaler Dekadenz“
Regeln würden nichts mehr gelten, da sie „ständig geändert werden“. Nach der Einlagensicherung käme nun die gemeinsame Arbeitslosenversicherung. Starbatty dazu: „Ich kann die Italiener verstehen: Wenn die deutschen Politiker stets betonen, daß sie mehr als jeder andere vom Euro profitieren. Da sagen die anderen Länder: Dann gebt doch etwas davon ab.“
Charles Blankart fragte, weshalb die Deutschen ihre Interessen nicht durchsetzen könnten? Markus Kerber berichtete aus seiner Zeit bei der EU-Kommission: „Brüsseler Beamte mit deutscher Herkunft wollen den täglichen Beweis erbringen, daß sie gute Europäer sind. Brüssel ist geprägt von totaler Dekadenz und französischer Hegemonie.“
Starbatty hingegen erzählte von einem Gespräch mit dem prominentesten Euro-Rebellen in der Unionsfraktion, Klaus-Peter Willsch: „Er hat mir gesagt, er sei gar nicht einsam in der Fraktion. Nach jeder Abstimmung kämen immer ganz viele Abgeordnete zu ihm und sagten, sie hätten Frau und Kinder und müßten an ihre Wiederwahl denken.“ Frau Merkel habe aber jetzt ihren Kredit langsam aufgezehrt.