Der Zettel hier ist tausend Kronen wert. Ihm liegt gesichert, als gewisses Pfand, Unzahl vergrabnen Guts im Kaiserland“, heißt es in Goethes Faust (Teil II, Lustgarten). Der Kaiser ahnt Betrug, aber der Schatzmeister erinnert ihn: „Hast selbst es unterschrieben.“ Der Kanzler erläutert die neue Finanzmarktpolitik: „Damit die Wohltat allen gleich gedeihe, so stempelten wir gleich die ganze Reihe, zehn, dreißig, fünfzig sind parat, ihr denkt euch nicht, wie wohl’s dem Volke tat.“ Als sich sogar der Hofnarr „im Grundbesitz wiegt“, zerstört Mephisto die Illusion: „Wer zweifelt noch an unsres Narren Witz!“ Goethe führte einen Vorgang vor, den wir heute „Verbriefung“ nennen würden, alle werden von der Geldillusion erfaßt. Dies gab es immer wieder – von den „Assignaten“ der Französischen Revolution bis zur inflationären Geldschöpfung von Notenbanken. In Deutschland betrieb vor ca. 40 Jahren der Finanzmakler Münnemann das Geschäft mit sogenannten „Revolving-Krediten“ unter der Devise „aus kurz mach lang“, verdiente gut an der Zinsdifferenz und scheiterte am Ende spektakulär, alles vergessen. Die heutige Finanzkrise gehört in diese Reihe. Wall-Street-„Berater“ erfanden eine gigantische Geldschöpfung durch Verbriefung und Weiterverkauf langfristiger, im Wert nicht durchschaubarer „Kreditportfolios“. Deren Erwerber refinanzierten sich kurzfristig durch „Commercial Papers“ über den Geldmarkt. Ein Spiel, das gegen die „Goldene Bankregel“ verstößt: Der Umfang und die Fälligkeit der von einer Bank gewährten Kredite soll den dem Kreditinstitut zur Verfügung gestellten Einlagen entsprechen. Denn niemand finanziert seine Immobilie in der Erwartung auf hundertmalige Prolongation mit Drei-Monats-Wechseln. Die langfristigen Kredite können „faul“ werden oder die Anschlußfinanzierung der ausgegebenen kurzfristigen Papiere kann scheitern. Wenn beides zusammenfällt, ist die Katastrophe unabwendbar. Die Arbitrage zwischen den niedrigen Zinsen der Commercial Papers einerseits und den höheren Zinsen der langfristigen Ausleihungen brachte – eine gewisse Zeit lang – hohe Gewinne und verdeckte die Risiken. Der Verkauf ihrer Forderungen brachte den Banken Liquidität für neue Kreditvergaben. In Deutschland erwärmten sich deshalb Bund und Länder für diese neue, von Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) so genannte „Finanzmarktpolitik“. Sie befürworteten sie nicht nur für die Banken, sondern auch als Grundlage für die Haushaltspolitik: Es ist kein Zufall, daß mehrere Landesbanken schlechter dastehen als die meisten Privatbanken. Der Bund sorgte dafür, daß die öffentlich rechtliche KfW-Bank seit 2000 in Zusammenarbeit mit anderen Banken das größte Verbriefungsprogramm (58 Transaktionen) in Europa geschaffen hat. Die KfW hat mit zwölf anderen privaten und öffentlichen Banken die True Sale International GmbH (TSI/ www.tsi-gmbh.de) gegründet. Deren Zweck ist die intensive Förderung der Verbriefungen von Bankforderungen mittels „Asset Backed Securities“ (ABS). So berichtet es Ministerialdirektor Jörg Asmussen vom Bundesfinanzministerium im Oktober 2006 in der Zeitschrift für das gesamte Kreditwesen. In diesem Aufsatz wirbt er für eine Ausweitung eben der Programme und der Tätigkeit der TSI, die letztlich zum Zusammenbruch der Mittelstandsbank IKB geführt haben (JF 36/07). Asmussen ist Mitglied des Aufsichtsrats der IKB. 2001 beteiligte sich die KfW auf Wunsch des Bundes zunächst mit 34, später mit 38 Prozent an der IKB. Der Bund arbeitete darauf hin, nicht nur über die KfW, sondern auch über die IKB als „Versuchskaninchen“ klassische Geschäftsfelder um die neuen Aktivitäten zu erweitern. Daß diese Geschäfte von der IKB betrieben wurden, ergibt sich aus deren Geschäftsführungsberichten, insbesondere aus der inzwischen geänderten 1. Fassung für das Geschäftsjahr 2006/2007. Eine wirksame Kontrolle der IKB durch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) war durch die personelle Konstellation ausgeschlossen: Asmussen beaufsichtigt über die von ihm geleitete Abteilung VII des Bundesfinanzministeriums die BaFin; die BaFin prüft die IKB; in deren Aufsichtsrat sitzt wiederum Asmussen. Das ist die bisher verkannte Wirklichkeit der IKB-Krise. Der „einflußreiche Finanzbeamte mit SPD-Parteibuch“ sei „eine Schlüsselfigur in der IKB-Krise“, schrieb das Handelsblatt. An dieser Erkenntnis ändert auch nichts der Rücktritt der Präsidentin der KfW, Ingrid Matthäus-Maier. Die einstige FDP-Politikerin und spätere Vizevorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion ist sicherlich – aber nicht mehr als andere Organe der KfW – für die Krise mitverantwortlich. KfW- Vorstandssprecherin wurde die ehemalige finanzpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion zwar erst 2006, die fraglichen Geschäfte haben viel früher begonnen, doch da war sie schon KfW-Vorstandsmitglied. Die politischen Angriffe gegen sie laufen auf Entlastungsversuche des Bundesfinanzministers und seines Ministerialdirektors Asmussen hinaus. Mit den „Bauernopfern“ in Gestalt des IKB-Vorstandes und Matthäus-Maier ist die Sache nicht ausgestanden, die Verantwortung liegt ganz oben und hat sogar im Koalitionsvertrag der Bundesregierung eine Grundlage. Niemand hat in der Hauptversammlung der IKB vom 27. März der dort vorgetragenen Analyse widersprochen, die Katastrophe habe ihren Ursprung in der Bundesregierung. Diese Aktionärsversammlung verlief gespenstisch. Unter Ausblendung des wirklichen Sachverhaltes wurde sie vom Aufsichtsrat zu einem billigen Scherbengericht über die davongejagten Vorstandsmitglieder verfremdet. Der Aufsichtsratschef legte nicht dar, daß eine frühere Information des Aufsichtsrats über die beginnende Krise die Katastrophe noch hätte abwenden können. Die „Richter“, nämlich der Aufsichtsrat und der Großaktionär, waren in der Sache befangen, weil ihre eigene Entlastung die Verurteilung der Vorstandsmitglieder voraussetzte. Es dürfte schwerfallen, in der Aktienrechtsgeschichte noch einmal ein so schäbiges Verfahren zu entdecken. Damit soll nicht das Verhalten des Vorstandes gebilligt werden. Nachdem schließlich auf Antrag des Bundes beschlossen wurde, die Entlastung des Aufsichtsrats zu vertagen, hätte dies aber auch für die Entlastung des Vorstandes gelten müssen. In faktischen Konzernen werden alle wichtigen Entscheidungen von dem Großaktionär beeinflußt. Das gilt besonders dann, wenn dieser Großaktionär der Staat ist. Die IKB ist ein Konzernunternehmen des Bundes. Wenn die Vorstandsmitglieder gemaßregelt werden, muß entsprechendes auch für die beim Staat verantwortlichen Personen wie Steinbrück und Asmussen gelten. Diese dürften durch ihre Einflußnahme auf die IKB zu Lasten der Steuerzahler Milliarden Euro in den Sand gesetzt haben. Sie müssen ebenso zur Rechenschaft gezogen werden. Doch laut Handelsblatt soll Asmussen sogar aufsteigen und Nachfolger von Steinbrücks Finanzstaatssekrerär Thomas Mirow werden sowie dessen Sitz im Aufsichtsrat der Telekom einnehmen. Die Wahrheit liegt nicht darin, daß ein Vorstand auf eigene Faust die IKB in den Abgrund gerissen hat, die Wahrheit lautet: Die IKB war Steinbrücks „Lustgarten“ der Finanzpolitik. Dr. Wolfgang Philipp lebt als Rechtsanwalt in Mannheim. In der JF 36/07 schrieb er über den Zusammenbruch der Mittelstandsbank IKB. Foto: Bundesfinanzminister Steinbrück: Sein Abteilungsleiter Asmussen saß im Aufsichtsrat der IKB
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