Eine gezielte Familienpolitik ist ein bedeutsamer Wirtschaftsfaktor für die deutsche Volkswirtschaft. So kann es durch gezielte familienpolitische Maßnahmen gelingen, die Wertschöpfung in den nächsten Jahrzehnten spürbar zu steigern. Bis zum Jahr 2050 ist eine familienpolitische Wachstumsdividende von fast 25 Prozentpunkten zu erwarten. Zu diesem Ergebnis kommt die Studie „Wachstumseffekte einer bevölkerungsorientierten Familienpolitik“ des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft Köln (IW). „Die Folgen des demographischen Wandels für unsere Gesellschaft werden immer deutlicher. Die alternde und schrumpfende Bevölkerung wirkt sich auch auf ökonomische Basisgrößen wie das Wachstum des Bruttoinlandsprodukts (BIP) aus“, sagte IW-Direktor Michael Hüther kürzlich beim Symposium „Wachstumsfaktor Familie“, wo die IW-Expertise in Anwesenheit von Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen (CDU) und dem Präsidenten des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), Jürgen Thumann, präsentiert wurde. Gezielte familienpolitische Maßnahmen würden helfen, der BIP-Stagnation entgegenzuwirken. So lasse sich mit geeigneten Instrumenten vor allem die Anzahl der Kinder erhöhen, die Erwerbstätigkeit insbesondere bei Frauen steigern und der Bildungsstand der Kinder verbessern. Auszeit qualifizierter Frauen verkürzen All dies trägt nach Angaben Hüthers dazu bei, den gesamten BIP-Zuwachs bis zum Jahr 2050 erheblich zu steigern. Ohne eine wachstumsorientierte Familienpolitik erwartet das IW bis zu diesem Zeitpunkt eine Zunahme des BIPs um 75 Prozent. Mit den vom IW vorgeschlagenen vier Instrumentenbündeln ließe sich dagegen eine Steigerung um 24 weitere Prozentpunkte erzielen, so daß sich das Wachstum des Bruttoinlandsprodukts bis 2050 also nahezu verdoppeln würde. So könne insbesondere die Einführung eines Elterngeldes mit einer Bezugsdauer von zwölf (plus zwei) Monaten als Lohnersatzleistung langfristig zu einem größeren Bevölkerungswachstum führen. Dieses Elterngeld könne sowohl vom Vater als auch von der Mutter in Anspruch genommen werden. Es unterstütze die Familiensicherung und mindere gleichzeitig den Achterbahneffekt beim Einkommen, der in der Regel durch den Wegfall eines Arbeitsverdienstes nach der Geburt entsteht. Gleichzeitig erhöhe es die Frauenerwerbstätigkeit vor der Geburt, da dieses Elterngeld einen Anreiz schaffe, auch dann einer Berufstätigkeit nachzugehen, wenn über kurz oder lang eine Familiengründung geplant sei. Diese Erhöhung der Frauenerwerbstätigkeit steigere die Steuereinnahmen und senke die Sozialabgabenquote, da es mehr Beitragszahler gebe. „Das Humankapital einer Volkswirtschaft steigt, wenn qualifizierte Frauen ihre berufliche Auszeit verkürzen können“, so der IW-Chef. Vor allem würden nach Ansicht Hüthers durch die Regelung der Partnermonate und das Elterngeld Männer motiviert, sich mehr Zeit für die Kinderbetreuung zu nehmen. Das wiederum erleichtere vielen Frauen die Entscheidung zur Familiengründung. Als zweiten Punkt nannte das Kölner Institut den Ausbau der Infrastruktur, insbesondere die Kinderbetreuung für unter Dreijährige bzw. der Ganztagesbetreuung für unter Sechsjährige sowie den Ausbau neuartiger Dienstleistungszentren. So entstünden neben der besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf durch eine gut ausgebaute Kinderbetreuung im Betreuungssektor selbst neue Beschäftigungsmöglichkeiten. Gleichzeitig führe eine Stärkung des Bildungsauftrags von Kindertageseinrichtungen und der Ausbau von Ganztagesschulen zu einem höheren Bildungsstandard der Kinder. Hieraus entstehe wiederum mehr Chancengleichheit, und die Abhängigkeit des Bildungserfolgs vom sozialen Status der Familie werde verringert. Erhöhung der Geburtenrate von 1,36 auf 1,7 Kinder Gleichzeitig sprach sich Hüther für eine Verkürzung der Schul- und Ausbildungszeiten aus. Dieses helfe, die Jugenderwerbstätigkeit zu steigern und die Personalkosten im Bildungssystem zu senken. Zugleich führe es zu einer höheren Geburtenrate, wenn sich durch frühere Berufsabschlüsse der für die Familiengründung verfügbare Zeitraum vergrößere. Denn dadurch kollidiere die Entscheidung, Kinder zu bekommen, nicht mit anderen wichtigen Weichenstellungen. Sehr wichtig ist nach Einschätzung des IW auch die Modularisierung der Ausbildung. Auch hierdurch werde die Geburtenrate mittelfristig erhöht, da sich die Zahl der Jahre, die für die Gründung einer Familie zur Verfügung stehen, erhöhe, wenn Ausbildungsmodule zeitlich verschoben werden können. Durch den sogenannten „primären Effekt“ erwartet das IW bis zum Jahr 2014 eine Erhöhung der Geburtenrate von derzeit 1,36 auf 1,7 Kinder je Frau. Ohne diese höhere Kinderzahl würde die Gesamtabgabenquote von 35,8 Prozent des Bruttoinlandsprodukts im Durchschnitt der Jahre 2000 bis 2004 auf 41,9 Prozent im Jahr 2030 und 45,5 Prozent 2050 zulegen. Die steigende Geburtenrate bremst diese Zunahme auf 41,5 Prozent im Jahr 2030 und auf 43,2 Prozent im Jahr 2050 ab. Der „Gesamteffekt“ der Familienpolitik sei jedoch weitaus höher, so Hüther. Denn wenn Beruf und Familie besser aufeinander abgestimmt sein, könne sowohl eine steigende Kinderzahl als auch eine zunehmende Erwerbstätigkeit der Frauen erreicht werden. Woher allerdings diese Arbeitsplätze kommen sollen, läßt das IW unbeantwortet. Die Studie „Wachstumseffekte einer bevölkerungsorientierten Familienpolitik“ findet sich auf der Internetseite des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln (IW): www.iwkoeln.de