Nun hat auch der Vorsitzende der CSU, der bayerische Mi-nisterpräsident Edmund Stoiber, die Einführung von Mindestlöhnen in Erwägung gezogen. Bisher waren solche Forderungen nur aus den Reihen der rot-grünen Regierungskoalition zu vernehmen. Die Gewerkschaften sind prinzipiell dagegen, weil sie darin einen Hebel zur Abschaffung der Flächentarifverträge sehen. Tarifverträge, die im Kern nichts anderes sind als Mindestlohnvereinbarungen, wären dann genauso überflüssig wie die Gewerkschaften selbst. Das aber ist kaum – wenigstens nicht offen – Stoibers Ziel. Er will damit die Flut von osteuropäischen Arbeitern eindämmen, die zu Bruchteilen der deutschen Löhne im Westen ihr Geld verdienen. Stoibers Steinwurf in das stille Gewässer der Unionsvorstellungen zur Bekämpfung der Billiglohninvasion aus den osteuropäischen EU-Ländern schlägt heftige Wellen. Die Zustimmung aus den eigenen Reihen erfolgt so zögerlich, wie seine Ideen Verwirrung stiften und bei den Arbeitgebervertretern helle Empörung auslösen. Wenn nun schon die Union zum Strohhalm Mindestlohn greift, soll wenigstens etwas Innovatives dabei sein. Bei Stoiber ist es der branchenspezifische Mindestlohn. Damit nähert er sich aber noch mehr der Funktion der Tarifvereinbarungen. Als taktisches Spiel zur strategischen Beseitigung der Gewerkschaftsmacht leuchtet das ein, nicht aber als Mittel zur dauerhaften Abwehr billiger Ostarbeiter. Für deren sichere Arbeitsplätze im europäischen Binnenmarkt zu frei vereinbarten Löhnen sorgt die Europäische Union. Die christlich-soziale Union sollte die Deutschen darauf vorbereiten und sich nicht auf Blendmanöver versteifen. Die Übergangsphasen zu bewältigen ist wichtiger.
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