Am 7. Januar hatten die privaten Spenden der Deutschen für die Opfer der Flutkatastrophe im Indischen Ozean den Betrag von sagenhaften 330 Millionen Euro überschritten. Viele Millionen werden noch hinzukommen. Der vernichtenden Meereswelle folgte eine einzigartige und wunderbare Welle der Hilfsbereitschaft und des Mitleids. Soweit die gute Nachricht. Die schlechte Nachricht: Die Bundesregierung legte weitere 500 Millionen Euro drauf, und Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul lieferte im Focus die Begründung nach: „Es ist beispielhaft, wie sich unsere Bürgerinnen und Bürger engagieren. Da muß auch der Staat seinen Beitrag leisten.“ Weiß sie es nicht besser, oder will sie es nicht besser wissen? Die Bürger jedenfalls erkennen nicht, was hier gespielt wird, sonst würden sie nicht stolz und zufrieden dazu nicken. Ist es denn so schwer zu begreifen, daß „der Staat“ niemals eigenes Geld hat, sondern jeden Cent, den er ausgibt, früher oder später den Bürgern aus der Tasche ziehen muß, sei es über Steuern und Abgaben, über Inflation (durch staatliche Papiergeldvermehrung) oder durch Staatsverschuldung – also durch künftige Steuern? Karitas, Mitleid und Mildtätigkeit müssen stets freiwilliger Natur sein. Erzwungene Karitas ist keine Karitas, sondern Raub und Sklaverei. Wenn die Deutschen mehr als 300 Millionen Euro freiwillig spenden: Großartig! Wenn ihnen die Regierung aber weitere 500 Millionen Euro ungefragt aus der Tasche zieht, dann ist das ein ungeheuerlicher Akt des Raubrittertums. Wenn der anonyme Franz Maier oder die anonyme Frieda Müller aus eigenem Antrieb ihr eigenes Geld spenden, dann steht dahinter tatsächlich das Motiv des Mitleidens, des Mitfühlens und der Hilfsbereitschaft. Wenn sich aber Regierungen und Parteien als Mutter-Teresa-Organisationen im Weltmaßstab aufspielen, dann steckt dahinter anderes, nämlich Machtkalkül. Schaut her, heißt das, wie mitfühlend und großzügig wir sind; uns muß man doch wählen (oder wiederwählen). Hinzu kommt ein weiterer Unterschied: Der Großteil privater und freiwilliger Spenden fließt über private oder kirchliche oder professionelle öffentlich-rechtliche Hilfsorganisationen tatsächlich dorthin, wo sie benötigt werden: zu den Opfern und in die unmittelbare Hilfe für die betroffenen Menschen. Die Transfers von Staatsgeldern aber gehen überwiegend an die Staatskassen der Empfängerländer. Sie blasen die Staatsapparate dieser Länder auf und wirken somit kontraproduktiv für die materiellen Lebens-, Entwicklungs- und Freiheitschancen ihrer Bürger. Wir können seit fünfzig Jahren beobachten, was aus Hilfslieferungen und Entwicklungshilfe-Geldern entsteht, die von Staat zu Staat (von Regierung zu Regierung oder zu deren Unterorganisationen) fließen, nämlich Macht, Korruption, Bürokratie, Bereicherung der politischen Küngel- und Klüngel-Eliten, Staatsaufblähung und Waffen. Für die jeweilige Bevölkerung der beschenkten Länder heißt das: ein Circulus vitiosus aus Armut und Knechtschaft. Die Deutschen sind zu bewundern für ihre einzigartige und überwältigende Hilfsbereitschaft angesichts des unsagbaren Leids, das die Flutwelle verursacht hat. Aber sie sind auch zu bedauern, weil sie zugleich in Höhe von einer halben Milliarde Euro der scheinheiligen politischen Abzocke im Namen ihrer edelsten Gefühle aufsitzen. Roland Baader ist Nationalökonom und Sozialphilosoph. Von ihm erschien 2004 im Resch-Verlag das Buch „Geld, Gold und Gottspieler“.