Die gute Nachricht: Die Energievorräte werden uns auch in den kommenden Jahren nicht ausgehen – und das, obwohl der weltweite Energieverbrauch bis 2030 vor allem durch die Industrialisierung Chinas und Indiens um 60 Prozent ansteigen wird. Die schlechte: Die Energieproduzenten wissen nicht, wie sie die Vorräte auf den Markt bringen sollen. Das ist dem aktuellen Weltenergie-Bericht der Internationalen Energie-Agentur (IEA) zu entnehmen. „Die Engpässe, das sind vor allem der Transport und auch die Raffinerien“, sagt William Ramsay, Vizedirektor der IEA. Auch 2030 werden etwa 82 Prozent der Energieproduktion aus fossilen Quellen gedeckt. Laut IEA werde der Anteil der Kernenergie auf fünf Prozent fallen, der Beitrag regenerativer Energieträger werde auf sechs Prozent steigen. Wichtigster Energieträger bleibe Öl mit 35 Prozent, gefolgt von Erdgas mit 25 und Kohle mit 22 Prozent. Während die Nachfrage steige, haben Raffinerien damit zu kämpfen, immer schwereres Öl bei immer schwächerem Druck zu verarbeiten. Das verlange mehr und rechtzeitige Investitionen. Eine Konsequenz des Nachfrageschubs sei, daß die Öl-Abhängigkeit vom Mittleren Osten zunehme – Preisschocks inbegriffen. Schon die Ölkrise in den siebziger Jahren habe ihre Ursachen in rasch wachsendem Energiekonsum verbunden mit dem beschränkten Zugang zu billigen Ölquellen gehabt, erinnert die 1974 gegründete IEA. Trotzdem beschränkten sich die derzeitigen strategischen Energiereserven des Westens auf nur 90 Tage. Durchschnittliche 568 Milliarden Dollar brauche die Energiewirtschaft jährlich weltweit, um den Bedarf durch Exploration, Stromerzeugung und Energie-Infrastruktur bis 2030 abzudecken. Problematisch seien dabei aber nicht die Investitionen für die Öl- oder Gasproduktion, sondern die zeitgerechte Finanzierung von Kraftwerken und der Stromversorgung – vor allem, aber nicht nur in weniger entwickelten Ländern. Die IEA hält es trotzdem für möglich, daß der Öl-Barrelpreis – 2004 in der Spitze über 50 Dollar – im Jahr 2006 auf 22 Dollar absinkt und dort bis 2010 bleibt. Bis 2030 könne er auf etwa 30 Dollar ansteigen. Vorbei seien aber die Zeiten, als die Rendite pro Faß 0,85 Dollar betrug und es Vertragslaufzeiten von bis zu 75 Jahren gab. Sonne, Wind, Wasser und Biomasse kein Ersatz Die IEA entwirft zudem ein alternatives Szenario: Demnach wäre der Ölverbrauch im Jahr 2030 um zehn Prozent und die CO2-Menge um 16 Prozent niedriger. Voraussetzung sei eine effizientere Energienutzung, die aber erhebliche finanzielle und technologische Hürden habe. Außerdem wichtig seien Erdgas- und Kernkraftwerke sowie neue Technologien im Transportbereich mit alternativen Treibstoffen und Antriebslösungen. Im Vergleich zu Anfang letzten Jahrhunderts, als der Energiekonsum noch zu 95 Prozent durch Kohle gedeckt wurde, und zu 38 Prozent im Jahre 1967 gehe der Trend nur langsam Richtung Ökoenergie: „Obgleich die Energieerzeugung aus Wind, Sonnenlicht, Wasserkraft oder Biomasse zügig zunimmt, wird sie auch in 25 Jahren noch nicht von größerer Bedeutung sein“, meinte Ramsay zu den Chancen erneuerbarer Energien. „Mit diesem Bericht sendet die IEA das gefährliches Signal an politische Entscheidungsträger und die Industrie, damit weiterzumachen, massiv Energie zu verschwenden, fossile Brennstoffe zu verheizen und den Klimawandel auszublenden“, kritisierte Jan Vande Putte von Greenpeace International den IEA-Bericht. „Trotz des alternativen Szenarios bleibt die IEA fixiert auf alte und schmutzige fossile Verbrennungstechnologien und vernachlässigt Technologien erneuerbarer Energie.“ Dabei habe der Anteil von Windenergie im letzten Jahrzehnt um ein Drittel zugenommen – bei gleichen Kosten wie in der Kohleförderung und kostengünstiger als durch nukleare Energie. Die IEA empfiehlt, die Wirtschaft unabhängiger von Energielieferungen zu machen, Transporte besser zu koordinieren und die Öl- und Gas-Bezugsquellen bestmöglich zu diversifizieren – sprich: andere Ressourcen als die im Mittleren Osten zu erschließen. Zugleich verlangt die IEA mehr Energie-Effizienz und mehr „grüne“ Energie – das unterstützt auch Greenpeace. Die IEA-Empfehlung nach mehr Kernkraft stößt hingegen nicht nur bei deutschen Umweltbewegten auf großen Widerstand. In bezug auf das arabische Öl empfiehlt die IEA, „die Sicherheits- und Bedrohungsprobleme in den Griff zu bekommen. Die Reserven vernünftig managen, verbunden mit Aktionen, um an die Wurzeln der destabilisierenden Probleme heranzukommen, das ist die beste Option“, so Ramsay. Der „World Energy Outlook 2004“ (550 Seiten, ISBN 92-64-10817-3) kann auf englisch bei der IEA im Internet bestellt werden: www.iea.org