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Marc Jongen, ESN Fraktion

Auch Erdgas bedeutet Abhängigkeit

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Die Weltbörsen sind in Alarmstimmung, wenn der Erdölpreis die ma-gische Grenze von 40 Dollar pro Barrel überschreitet und damit weit über dem Niveau zu Zeiten des Golfkrieges 1990/91 liegt. Tausende Euro, die zusätzlich in die Mobilität gesteckt werden müssen, können nicht anderweitig konsumiert werden. Sie landen nicht im Einzelhandel oder bei den Dienstleistern, sondern bei den Öl-Exportländern und den Energiekonzernen. Auch wenn der Preis inzwischen wieder mal bei 39 Dollar lag: Im Irak wird weiterhin gekämpft, die Terrorangst verunsichert die Märkte, der weltweite Energiehunger (speziell in Asien) nimmt weiter zu – und die fossilen Energiereserven weiter ab. Zwar wird gerade die Verknappung der fossilen Energieträger immer wieder verharmlost, aber an der ökonomischen Binsenweisheit, wonach der Preis für ein knappes Gut ansteigt, kann man nicht rütteln. Wären die Ölreserven tatsächlich so groß wie von den Experten immer wieder behauptet, müßte es ein leichtes sein, die irakischen Ausfälle aus anderen Quellen zu ersetzen. Zumal die irakischen Ölfelder längst nicht zu den wichtigsten auf dem Globus gehören. Doch egal wie die Lage eingeschätzt wird, die Suche nach alternativen Energieträgern hat schon begonnen. Abgesehen von den Alternativenergien Sonne, Wind und Wasserkraft rückt ein Produkt in den Mittelpunkt des Interesses, das früher als Abfall der Ölförderung einfach abgefackelt wurde: Erdgas hat im Wärmemarkt erhebliche Marktanteile gewonnen. Fast 75 Prozent der Familien, die heute in Deutschland ein Haus bauen, entscheiden sich für Erdgas. Allein in den vergangenen zehn Jahren ist der Anteil von Gasheizungen um ein Drittel gestiegen und liegt mittlerweile bei 46 Prozent – weit vor Heizöl und Kohle. Ein großes Potential gäbe es nach Meinung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) noch bei der Verstromung, denn hier hat Gas nur einen Anteil von zehn Prozent. Über die Hälfte des EU-Kraftwerkparks muß in den kommenden 30 Jahren ersetzt werden. Atomausstieg, Verschleiß und der wachsende Energiehunger machen den Bau von 650 Gigawatt Leistung nötig. Erdgas kann in dieser Situation mit günstigen Eigenschaften aufwarten: Es ist ein relativ kohlenstoffarmer Energieträger, das heißt, sein Einsatz ist im Gegensatz zu den anderen Energieträgern mit weniger CO2-Emissionen verbunden. Allerdings sind die europanahen Lagerstätten bald leer. Derzeit kann Europa zwar noch über die Hälfte seines Gasverbrauchs selbst decken – Norwegen, Großbritannien und die Niederlande sind die großen Versorger -, aber in 30 Jahren ist dort Schluß. Lieferantenwechsel nur mit hohem Aufwand möglich Der andere Hauptteil kommt heute schon aus Algerien und Rußland. Rußland verfügt über ein Drittel der weltweit bekannten Gasreserven. Friedemann Müller von der Stiftung Wissenschaft und Politik zufolge ist diese Abhängigkeit alles andere als günstig. Hier hat sich eine Quasi-Monopolstellung herausgebildet, die schnell mißbraucht werden könnte. Denn Gas erfordert eine aufwendige Infrastruktur an Leitungen und Lagertechnologie, so daß ein Lieferantenwechsel nur mit großen Kosten und hohem Aufwand möglich wäre. Ein schneller Wechsel ist daher völlig ausgeschlossen. Ein Gebot der Politik wäre es also, schon jetzt alternative Leitungen und Anbieter aufzubauen. Das findet jedoch nicht statt. Schuld daran ist die enorme personelle und unternehmerische Verflechtung in der Branche. Der Energieriese Eon ist mit seiner Ruhrgas AG fast an jedem Versorger in Deutschland beteiligt. Er hält zudem wichtige sechs Prozent an dem russischen Gasgiganten Gazprom und ist auch der größte Abnehmer von russischem Gas. Gazprom wiederum hat sich mit langfristigen und sehr günstigen Verträgen die Lieferungen aus den zentralasiatischen Ländern Kasachstan, Usbekistan und Turkmenistan gesichert. Das Interesse an einem echten Wettbewerb ist daher denkbar gering. Doch genau den möchte die EU mit ihrer Energiecharta ankurbeln. Dreh- und Angelpunkt ist dabei der freie Zugang zu den Netzen. Ähnlich wie bei der Telekommunikation, beim Schienenverkehr oder beim Strommarkt soll jeder Marktteilnehmer das vorhandene Netz – in diesem Fall die Gasleitungen – zu einem festen Preis nutzen können. Dazu müßten die Gasunternehmen ihre Eigentumsrechte an den Leitungen aufgeben, und ein völlig unabhängiges Management wäre nur mit dem Betrieb dieser Netze beauftragt. Ob durch diese Konstellation noch genügend in die Infrastruktur investiert würde, ist unter Experten aber umstritten. Wahrscheinlich würde man einen viel höheren Preis für Gas zahlen müssen, was wiederum soziale Probleme mit sich brächte – besonders in Osteuropa. Eine andere Alternative ist Flüssiggas (Liquified Natural Gas/LNG), das auf minus 160 Grad abgekühlt und komprimiert wird – das kostet aber zusätzlich Energie und schadet der Umwelt. Doch so kann das Gas auch per Schiff aus entfernten Quellen zu den Verbrauchern geliefert werden kann. Für den Energiekonzern British Petroleum (BP) ist das die Zukunft auf dem Gasmarkt. LNG ist zur Zeit zwar noch teurer als Leitungsgas, aber die Kosten sinken fortlaufend. Spanien und Frankreich beziehen bereits Flüssiggas aus unterschiedlichsten Regionen der Welt. Auch Großbritannien beginnt damit, seine schwindenden Gasressourcen durch Flüssiggas zu ersetzen. Dort werden derzeit Milliarden Pfund in Flüssiggasterminals investiert. Hält dieser Trend an, könnte sich – ähnlich wie beim Öl – ein Spotmarkt entwickeln, bei dem der Gaspreis täglich neu verhandelt würde. Die Position Rußlands wird so zwar nur marginal geschwächt, denn der Transport über Gasleitungen ist prinzipiell kostengünstiger. Immerhin gäbe es aber eine theoretische Wahlfreiheit für die großen Versorger. Eines kann man mit Sicherheit schon sagen: Auch die Gaspreise werden in den kommenden Jahren stetig steigen.

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