Was man einem leckeren Stück Fleisch auf dem Teller nicht an-sieht, ist die Art, wie das dazugehörige Tier vorher getötet wurde. Die Zustände in Schachthäusern sind für die Schlachttiere jedenfalls oft katastrophal. Denn Akkord, Arbeits- und Zeitdruck sowie mangelnde Sachkunde und Personaldefizite führen manchmal zum Häuten und Zerlegen des Tieres, ehe es geschlachtet oder auch nur betäubt wurde. Auch das betäubungslose Schächten ist Tierschützern ein besonderes Dorn im Auge. Denn bei dieser Tötungsmethode, die von Juden und Muslimen angewandt wird, bleibt das Gehirn des Opfers erst einmal gut durchblutet, das Tier also bei vollem Bewußtsein. Die Qualen, die die Tiere dabei zu ertragen haben, lesen sich medizinisch-nüchtern so: „Während des langsamen Ausblutens thromboisieren und verstopfen oftmals die Gefäßenden und es muß nachgeschnitten werden. Austretender Vormageninhalt wird aus der durchtrennten Speiseröhre in die Lunge aspiriert. Erstickungsanfälle, Atemnot und… Todesangst sind die Folge.“ Diesen Worten des Tiermediziners Werner Hartinger entsprechend, lehnt die Bundesärztekammer nach Angaben ihres Tierärzteblattes vom September 1995 ausdrücklich „…jedes Schlachten ohne Betäubung aus Tierschutzgründen ab“. Unter Berufung auf die verfassungsrechtlich garantierte Religionsfreiheit war es Vertretern jüdischen Glaubens dennoch erlaubt, in Deutschland betäubungslos zu schächten. Muslimen jedoch wurde per Bundesverwaltungsgerichtsurteil 1995 grundsätzlich jegliche Schächtaktivität ohne Betäubung untersagt. Am 15. Januar 2002 änderte sich dann allerdings die Gesetzeslage durch ein Bundesverfassungsgerichtsurteil wieder. Von da an sollte nicht nur jüdischen, sondern auch islamischen Begehren nach betäubungslosem Schächten entsprochen werden können. Das heißt aber nicht, daß einem solchen Begehren entsprochen werden muß. Die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung setzt nach Vorgabe des höchsten deutschen Gerichts voraus, daß der Antragsteller nach Paragraph 4a des Tierschutzgesetzes die „zwingenden Religionsvorschriften substantiiert und nachvollziehbar“ nachweisen kann. Diese neuere Rechtslage ist von Tierschutzverbänden als Rückschritt gewertet worden; die Tierschützer zeigen sich mittlerweile aber pragmatisch. Da die Rechtslage bis auf weiteres als gegeben angenommen werden muß, heißt die Devise nun, auf die strenge Einhaltung der Ausnahmeregelungen zu setzen. Schützenhilfe kommt derweil durch die im Mai 2002 aufgenommene Verankerung des Tierschutzes im Grundgesetz. Denn damit besteht nun eine prinzipielle Gleichrangigkeit von Religionsfreiheit und Tierschutz als Staatsziel. Das bedeutet, daß der Antragsteller einer Ausnahmegenehmigung den vollen Nachweis erbringen muß, daß er wohlgemerkt zwingend ein betäubungsloses Schächten vornehmen muß. Doch es ist gutachterlich als gewiß anzusehen, daß in keiner heiligen Schrift eine Betäubung von Schlachttieren ausdrücklich verboten ist. Der Landrat des Kreises Neuss stellt mit Schreiben vom 29. Januar 2003 an den Politischen Arbeitskreis für Tierrechte in Europa e. V. (PAKT) demgemäß fest: „Vor dem Hintergrund des Verfassungsranges des Tierschutzes sieht sich der Kreis Neuss nicht mehr in der Lage, Ausnahmegenehmigungen zum Schächten von Schafen zu erteilen.“ Es gibt also keine objektiv feststellbaren religiösen Gründe für ein betäubungsloses Schächten. Warum aber dennoch dieses Gezerre um ein derartiges Opferritual? Das fragt sich auch der Verein gegen tierquälerische Massentierhaltung (VgtM) in seinem ersten Quartalsrundbrief 2003 und kommt zu dem Ergebnis: „Es gilt leider festzuhalten, daß ‚betäubungsloses Schächten‘ den hier in der Diaspora lebenden Ausländern meist weniger einen blinden Glaubenszwang bedeutet – denn ein willkommenes Ritual, sich ganz bewußt und zielführend der von den Deutschen in naiver Denkweise so sehr gewünschten Integration zu widersetzen.“ Die CDU-Landtagsfraktion in Nordrhein-Westfalen hat unterdessen einen Vorstoß in Richtung einer bundeseinheitlichen Regelung zum Schächten getan. Gefordert wird eine Änderung des Paragraph 4a des Tierschutzgesetzes, so daß Ausnahmeregelungen generell nur dann erteilt werden, wenn „nach dem Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis sicher ist, daß dadurch für das betroffene Tier keine größeren Schmerzen oder Leiden, insbesondere Todesangst, verbunden sind als bei vorheriger Betäubung“. Juristen sehen in diesem Antrag laut VgtM eine gute Lösung, um für mehr rechtliche Klarheit in der Schächtfrage zu sorgen, die Vorlage muß aber erst eine Mehrheit im Bundesrat finden. Die Aktionsgemeinschaft Arche 89, die aus Tierschutzverbänden besteht, geht in ihrem „Guide 2003“ hingegen einen Schritt weiter und gibt Behörden auch bezüglich jüdischer Glaubensgemeinschaften Argumentationshilfen zur Ablehnung von Sondergenehmigungen für betäubungsloses Schächten. Die Argumentationshilfe gegen betäubungsloses Schächten „Guide 2003“ ist gegen 1,44 Euro in Briefmarken bei: PAKT e.V., Merowingerstr. 88, 40225 Düsseldorf, zu beziehen.