Anzeige
Anzeige

Keine Erlaubnis für Pressefusion

Keine Erlaubnis für Pressefusion

Keine Erlaubnis für Pressefusion

 

Keine Erlaubnis für Pressefusion

Anzeige

Die deutsche Wirtschaftsverfassung beruht ebenso wie die Wirtschaftsverfassung der EU auf dem Grundsatz einer offenen Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb. Das Handeln der Wirtschaftsteilnehmer soll nicht durch den Staat gelenkt werden, sondern durch den Preis als Knappheitsbarometer. Dieses Barometer soll nicht durch wettbewerbsbeschränkende Vereinbarungen der Unternehmen oder den Einsatz der Marktmacht einzelner Unternehmen in seiner Anzeigefunktion beeinträchtigt werden. Nach dem Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen sind daher ebenso wie in der EG wettbewerbsbeschränkende Vereinbarungen von Unternehmen weitgehend verboten, Zusammenschlüsse von Unternehmen bedürfen der Genehmigung durch das Bundeskartellamt bzw. die EU-Kommission. Fusionen sind zu untersagen, wenn sie zum Entstehen oder der Verstärkung einer marktbeherrschenden Stellung führen. In Deutschland kann aber der Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit auf Antrag die Erlaubnis zu einem vom Bundeskartellamt untersagten Zusammenschluß erteilen, wenn der Zusammenschluß durch ein überragendes Interesse der Allgemeinheit gerechtfertigt ist; vor der Entscheidung ist eine Stellungnahme der Monopolkommission einzuholen. Mit dieser Begründung hat der zuständige Minister Wolfgang Clement (SPD) vor einigen Monaten den Zusammenschluß der Energiekonzerne RWE und Ruhrgas genehmigt. Gegenwärtig ist wieder ein solches Erlaubnisverfahren anhängig. Das Bundeskartellamt hat den Erwerb des Berliner Verlages (Berliner Zeitung) von Gruner & Jahr durch die Verlagsgruppe von Holtzbrinck (Der Tagesspiegel) untersagt, weil durch diesen Zusammenschluß eine marktbeherrschende Stellung von Holtzbrinck mit einem Marktanteil von mehr als 60 Prozent auf dem Lesermarkt der Berliner Abonnementzeitungen entstehen würde: Das heißt mit einem nahezu doppelt so hohen Marktanteil wie der des Mitbewerbers, der Springer-Gruppe mit den Zeitungen Die Welt und Berliner Morgenpost. Die Holtzbrinck-Gruppe begründet den Erlaubnisantrag damit, daß sie anderenfalls – wegen der seit Erwerb des Tagesspiegel aufgelaufenen und auch durch weitere Rationalisierung nicht zu vermeidenden jährlichen Verluste – den Tagesspiegel einstellen müßten. Es sollen aber nur das Anzeigengeschäft und der Vertrieb zusammengelegt werden, die Redaktionen beider Zeitungen dagegen sollen weiter unabhängig voneinander bleiben. Durch eine Einstellung des Tagesspiegel würde die Pressevielfalt auf dem Berliner Zeitungsmarkt – ein überragendes Interesse der Allgemeinheit – wesentlich beeinträchtigt werden. Es würden auch qualifizierte Arbeitsplätze fortfallen – argumentierte die Holtzbrinck-Gruppe. Der Springer-Verlag hat seinerseits für den Fall einer Ministererlaubnis mit der Einstellung seiner beiden Zeitungen Welt und Morgenpost gedroht, weil Die Welt jährlich einen Verlust von 70 Millionen Euro verursache, der u. a. durch den Gewinn aus der Berliner Morgenpost ausgeglichen werde, die jedoch durch den Zusammenschluß geschwächt werden würde. Dieses Erlaubnisverfahren zeigt erneut sehr deutlich, wie fragwürdig es ist, bei Zusammenschlüssen, die zu einer marktbeherrschenden Stellung führen und deshalb vom Bundeskartellamt untersagt wurden, dennoch die Möglichkeit einer Erlaubnis wegen überragenden Interesses der Allgemeinheit vorzusehen. In der EG-Fusionskontrolle ist mit Recht eine solche Möglichkeit (auf ausdrückliches Verlangen Deutschlands) nicht vorgesehen worden; denn erfahrungsgemäß führt schon auf mittlere Sicht ein wirksamer Wettbewerb zu besseren gesamtwirtschaftlichen Ergebnissen als ein solcher Verzicht auf wirksamen Wettbewerb. Die Möglichkeit einer Erlaubnis wegen überragenden Interesses der Allgemeinheit führt günstigstenfalls zu einer Abwägung sich widersprechender Rechtsgüter nach bestem, doch zwangsläufig sehr unsicherem Wissen. Die Praxis zeigt aber, daß Entscheidungen eher unter dem Druck starker wirtschaftlicher Interessen oder aufgrund politischer Wertvorstellungen gefällt werden. Das gilt auch dann, wenn eine solche Ministererlaubnis, wie bisher nur selten, erteilt worden ist. Seit 1973 gab es sieben Erlaubnisse – überwiegend mit Auflagen – gegenüber fünf Ablehnungen. Fünf Anträge wurden später zurückgenommen. Mit Recht hat die deutsche Monopolkommission empfohlen, die Ministererlaubnis abzulehnen. Begründung: Die Prognose über die Entwicklung der Arbeitsplätze mit oder ohne Fusion hänge von ungewissen Annahmen ab; die für das Vorliegen eines Gemeinwohlgrundes erforderliche Kausalität sei nicht nachgewiesen. Das gleiche gelte für die Begründung „Sicherung der Pressevielfalt“. Eine Erlaubnis wäre ein Verstoß gegen die Neutralitätspflicht des Staates und eine Verletzung des Grundsatzes der Gleichbehandlung; denn damit würde der Minister erklären, daß eine bestimmte Zeitung eine für die demokratische Meinungsbildung besonders wertvolle und daher zu erhaltene Publikation sei. Dann könnten mit derselben Begründung auch andere Zeitungen, die gegenwärtig in wirtschaftlichen Schwierigkeiten sind, eine Ministererlaubnis beanspruchen. Bereits für das Bundeskartellamt war nicht ersichtlich, daß auf dem Berliner Markt nicht drei unabhängige Verlage mit großen regionalen Abonnement-Tageszeitungen auf Dauer bestehen können. Im übrigen gab es neben Holtzbrinck auch andere Kaufinteressenten mit dem Ziel, die Berliner Zeitung neben dem Tagesspiegel und der Berliner Morgenpost fortzuführen. Wenig überzeugend ist die Drohung des Springer-Verlages, im Falle einer Erlaubnis Die Welt und die Berliner Morgenpost einzustellen; denn im Springer Verlag bestehen schon seit längerer Zeit Überlegungen, den Verlustbringer Die Welt einzustellen. Eine Ministererlaubnis wäre ein willkommenes Alibi, dies zu tun, ohne sich dem Vorwurf auszusetzen, den Willen Axel Springers zu mißachten. Die Berliner Morgenpost bringt sogar Gewinn. Vor wenigen Tagen hat Springer seine Drohung nach Protest der beiden Redaktionen zurückgenommen. Es ist daher zu wünschen, daß Minister Clement die Erlaubnis zur Übernahme versagen wird. Prof. Dr. Folkmar Koenigs lehrte Handels- und Wirtschaftsrecht an der TU Berlin.

Anzeige
Anzeige

Der nächste Beitrag

ähnliche Themen
Hierfür wurden keine ähnlichen Themen gefunden.