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„Wir haben eine breite Bresche für die Pressefreiheit geschlagen“

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„Wir haben eine breite Bresche für die Pressefreiheit geschlagen“

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Herr Stein, hätten Sie im Juni 1986, als die erste JF erschien, geglaubt, 20 Jahre später als Verleger einer Wochenzeitung gleichen Namens in Berlin zu sitzen?

STEIN: Natürlich nicht. Ich wurde damals gerade 19 Jahre alt. Dank zweier Ehrenrunden machte ich das Abitur erst 1988. Danach ging’s 15 Monate zur Bundeswehr. Geträumt habe ich schon davon, daß daraus mehr werden würde …

Stimmt es, daß die JF nicht die erste Zeitung war, die Sie herausgebracht haben?

STEIN: Ja. Im Grunde ist meine Patentante schuld. Sie schenkte mir meine erste Schreibmaschine, als ich zehn Jahre alt war. Eine Olympia (Foto auf Seite 15).

Ohne diese Schreibmaschine wären Sie nicht Verleger geworden?

STEIN: Vielleicht nicht. Die Buchstaben jedenfalls, die man mit dieser Schreibmaschine tippen konnte, erzeugten für mich eine magische Kraft! Ich spürte, welche Energie vom gedruckten Wort ausging. Auf dieser Schreibmaschine tippte ich als Zwölfjähriger 1979 die erste Ausgabe der Allgemeinen Familienzeitung. Auflage 1 Exemplar. Es erschienen sieben Ausgaben! Später gründete ich mit anderen Schülern die Schülerzeitung Lindwurm an meinem Gymnasium in Stegen bei Freiburg.

Ganz ehrlich: Was haben Sie damals 1986 geglaubt, wie sich die JF einmal entwickeln würde? Welche Vision hatten Sie damals?

STEIN: Ich habe einfach losgelegt. Die JF wurde in einer Auflage von 400 Exemplaren gedruckt. Ende des Jahres hatten wir sagenhafte 36 Abonnenten. Es war ein Experiment!

Welche politischen Fragen bewegten die JF-Gründergeneration?

STEIN: Es ging damals darum, für junge konservative Schüler und Studenten eine publizistische Plattform zu bieten. An erster Stelle stand für uns die deutsche Frage. 1986, drei Jahre vor dem Mauerfall, hatte die politische Klasse von SPD bis CDU/CSU die Wiedervereinigung von der politischen Tagesordnung gestrichen. Wer damals die deutsche Teilung thematisierte und sich für die Einheit stark machte, wurde bestensfalls belächelt. Wie der CDU-Bundestagsabgeordnete Bernhard Friedmann – mit ihm führten wir 1987 das erste "Prominenten-Interview" -, der 1986 sein Buch "Einheit statt Raketen" schrieb und für eine deutsche Konföderation plädierte. Helmut Kohl hat Friedmanns Thesen damals als "blühenden Unsinn" verächtlich gemacht. Noch heute beschleicht mich kalte Wut, wenn ich an die Nationsvergessenheit der Generation denke, die damals den Ton angab.

Wenn man sich all die Schwierigkeiten in Erinnerung ruft, mit denen die Zeitung zu kämpfen hatte, hätten sie diesen Weg eingeschlagen?

STEIN: Als ich damals begann, mich zusammen mit Freunden politisch und publizistisch zu engagieren, glaubte ich in aller Naivität, daß es das Allernormalste in einer Demokratie sei, seine eigene, oppositionelle Meinung zu artikulieren. Als ich auf das Phänomen stieß, daß die demokratischen Spielregeln nicht für alle gelten und insbesondere konservative Positionen von einer totalitären Political Correctness bedroht sind, motivierte mich das erst recht weiterzumachen.

Woher kommt dieser Gerechtigkeitssinn bei Ihnen?

STEIN: Als wir Kinder waren, las uns mein Vater Balladen vor. Meine Lieblingsballade ist bis heute "Pidder Lüng" von Detlev von Liliencron. Pidder Lüng stirbt dort mit dem plattdeutschen Ruf auf den Lippen "Lewwer duat üs Slaav – Lieber tot als Sklave". Dieser unbeugsame Freiheitswille hat mich ins Herz getroffen.

Insofern ist die Schlagzeile der ersten Ausgabe – "Der Freiheit eine Gasse!" – für Sie ein Lebensmotto?

STEIN: Tatsächlich. Ich ahnte aber nicht, wie schwer es werden würde, der Freiheit mit der JF eine Gasse zu bahnen.

Was waren die Höhe- und Wendepunkte der Zeitungsgeschichte?

STEIN: Der erste große Sprung war die Umstellung auf das Berliner Zeitungsformat, der zeitgleiche Gang an die Kioske und die Gründung der JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH – alles 1990. Dann 1993 der Umzug von Freiburg nach Berlin und der Wochenzeitungsstart im Januar 1994. Die Jahre 1994/95 boten dann die schwerwiegendsten Prüfungen: Eine unzählige Serie linksextremer Attacken auf Redaktion, Druckerei und Vertrieb, die im Brandanschlag auf unsere damalige Weimarer Druckerei im Dezember 1994 gipfelten und schließlich die zehnjährige Diskriminierung der JF durch den NRW-Verfassungsschutz, der mit dem im April 1995 vorgestellten Jahresbericht für 1994 begann, uns kontinuierlich mit dem Verdacht "rechtsextremistischer Bestrebungen" zu überziehen.

Sie prozessieren seit 1996 deswegen gegen das Land NRW.

STEIN: Dies mündete auch in unseren größten Triumph: Wir erstritten in einem zähen Rechtsstreit eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (24. Mai 2005), die die NRW-Praxis für verfassungswidrig erklärte. Die JF ist weitgehend rehabilitiert und hat Verfassungsgeschichte geschrieben. Hier haben wir tatsächlich eine breite Bresche für die Pressefreiheit geschlagen, dies hat die juristische Fachpresse anerkennend festgestellt. Ich glaube, daß diese Karlsruher Entscheidung in ihrer grundsätzlichen Bedeutung für alle Medien bei den übrigen Journalisten überhaupt noch nicht richtig begriffen worden ist. Immerhin schrieb damals selbst die Frankfurter Rundschau über die Karlsruher Entscheidung: "Ein nicht unbedeutender Tag für die Republik".

Haben Sie auch schon mal Angst gehabt, das gesamte Projekt würde scheitern?

STEIN: Ja, bis zum Jahr 2000, als eine allmähliche Konsolidierungsphase begann, stand die Zeitung immer wieder kurz vor dem Ruin. Es war stets ein atemberaubender Drahtseilakt.

Was hat Sie nach vorne gerissen?

STEIN: Bemerkenswerterweise waren gerade immer wiederkehrende Unkenrufe, daß die JF sowieso zum Scheitern verurteilt sei, für mich Motivation weiterzumachen. Dann hieß die Parole: Jetzt erst recht! Wir zeigen es allen!

Die JF ist eine der letzten Zeitungen mit konservativer Ausrichtung. Macht es Sie stolz, daß die JF alleine gegen den Strom schwimmt oder macht es Sie traurig?

STEIN: Die geistige Uniformität der Medienlandschaft ist für eine Demokratie ein ernstes Problem. Die politische Selbstaufgabe eines Medienkonzerns wie des Springerverlages nach dem Tod des legendären Verlegers 1985 sei nur beispielhaft erwähnt. Nicht von ungefähr erscheint die legendäre, in Springers Welt etablierte "Pankraz"-Kolumne seit 1995 in der JF. Für eine Renaissance konservativer Werte reicht die JF alleine aber nicht aus. Sie kann einen Anstoß geben, der Funke muß aber auf andere Blätter und Projekte überspringen. Die Zeitschrift Cicero ist ein positives Beispiel dafür, daß es Bedarf an geistreicher, politisch-kultureller Publizistik gibt – hier ist aber auch wieder die Gefahr der Häppchenkultur und Beliebigkeit, um wieder nicht zu herausfordernd zu wirken.

Die JUNGE FREIHEIT zeichnet sich durch eine ganz besonders treue und engagierte Leserschaft aus? Wie kommt das?

STEIN: Die JF hat wahrscheinlich die engagierteste Leserschaft überhaupt. Mir ist kein anderes Beispiel bekannt, bei dem Leser so hochgradig dazu beigetragen haben, das Überleben und das Wachstum einer Zeitung zu sichern, wie bei der JF. Das beginnt schon mit dem Wochenzeitungsstart. Wir hatten damals praktisch Null Kapital, um zu beginnen. Wir gründeten deshalb eine Kommanditgesellschaft, die zwei Millionen DM sammeln sollte, um die Anschubfinanzierung sicherzustellen.

Die JF gehört ja quasi auch ihren Lesern. Stimmt das?

STEIN: Das ist so. Als wir 1994 starteten, hatten wir 200.000 Mark, die von 50 Lesern in kleinen und mittleren Beträgen zusammengekommen waren. Heute hat unsere Kommanditgesellschaft 300 Gesellschafter mit einem gezeichneten Kapital in Höhe von 1,5 Millionen Euro. Bis heute haben darüber hinaus rund 4.000 Leser im Rahmen der Aktion "Freunde der JF" insgesamt fast 4 Millionen Euro gespendet, um das Überleben und den Ausbau der Zeitung zu fördern. Das ist eine phantastische Geschichte! Die JF ist dank ihrer Leser zu einer großen publizistischen Bürgerinitiative geworden, die von Tausenden Idealisten getragen wird. Den Lesern gehört anläßlich des Jubiläums der größte Dank!

Wie hat sich die Zeitung in Ihrem Profil über die 20 Jahre gewandelt? Und wo soll das einmal hinführen?

STEIN: Natürlich bin ich auch 20 Jahre älter geworden und auch die anderen Redakteure sind nicht mehr Studenten, sondern gut ausgebildete Journalisten. Die JF hat sich notwendigerweise professionalisiert. Von den Sonntagszeitungen abgesehen ist die JF die drittgrößte, im Zeitschriftenhandel vertriebene politisch-kulturelle Wochenzeitung, nach der Zeit und dem Rheinischen Merkur. Wir sind eine meinungsbildende Zeitung, die aus dem deutschen Medienspektrum nicht mehr wegzudenken ist und deren Name ein fester Begriff geworden ist. In den nächsten zehn Jahren ist es für mich das Ziel, die 100.000er Marke mit der JF-Auflage zu überwinden.

Was sehen Sie als die Kernkompetenz der JF an?

STEIN: Aus Leserumfragen wissen wir, daß die Leser am meisten an unserer Zeitung Informationen schätzen, die andere Zeitungen ausblenden oder nur bruchstückhaft übermitteln. Schlüsselbeispiel war für viele die Affäre um den CDU-Abgeordneten Martin Hohmann. Alle Medien behaupteten, seine Rede anläßlich des 3. Oktober 2003 sei antisemitisch gewesen – was nicht stimmte. Wir waren die einzige Zeitung, die die Rede sofort komplett dokumentierte, damit die Leser ihr eigenes Urteil fällen konnten.

Egon Bahr hat einmal in einem JF-Interview gesagt "Ich kenne keine deutsche Zeitung, die die Erinnerung an den 20. Juli so leidenschaftlich engagiert, so ernst und so ausführlich behandelt hat wie die JUNGE FREIHEIT." (JF 46/04). Warum hat der 20. Juli für Sie eine derartige Bedeutung?

STEIN: Der 20. Juli 1944 ist eines der Schlüsseldaten der deutschen Geschichte. Das Datum weist hin sowohl auf die Finsternis, in die der Nationalsozialismus Deutschland geführt hat, gleichzeitig aber auch auf die lichte Tradition, die über das Dritte Reich hinausreicht. Die Helden des 20. Juli ermöglichen es einem Deutschen heutiger Generation, sich mit der gesamten deutschen Geschichte positiv zu identifizieren und den Glauben an einen ungebrochenen Begriff deutscher Ehre zu gewinnen, der gleichzeitig zur Scham über die in deutschem Namen begangenen Verbrechen des NS-Regimes führt, aber eben auch zu einer heißen Vaterlandsliebe, die die opportunistische Verachtung der eigenen Nation zurückweist. Man kann sich deutscher Verbrechen überhaupt nur schämen, wenn man einen deutschen Ehrbegriff hat. Alles andere sind Lippenbekenntnisse. Das wird oft vergessen!

Die JF ist also nicht nur ein rein journalistisches Projekt?

STEIN: Die JF hatte immer einen politischen Auftrag: die deutsche Einheit. Auch nach der Wiedervereinigung 1990 fehlt uns die "innere Einheit", die Aussöhnung der Deutschen mit sich selbst. Deutschland ist ein zutiefst neurotisiertes Land, das sich in den Kosmopolitismus flüchtet, obwohl wir eine Renaissance des Nationalen rund um den Erdball erleben.

Weitere Informationen, mit Fotos, Grafiken u.ä. finden Sie in der PDF-Datei "20 Jahre JUNGE FREIHEIT". oder im Portal JUNGE FREIHEIT

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