BERLIN. Der Richterwahlausschuß des Bundestages hat am Montagabend die Bundesverwaltungsrichterin Sigrid Emmenegger mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit für das Bundesverfassungsgericht nominiert. Die 48jährige war von der SPD ins Rennen geschickt worden und soll im Zweiten Senat die Nachfolge von Doris König antreten. Sie ersetzt Frauke Brosius-Gersdorf, deren Wahl wegen fehlender Unterstützung aus der Unionsfraktion abgesagt wurde.
Der Bundestag will am Donnerstag einen neuen Anlauf nehmen, drei Richterposten zu besetzen. Neben Emmenegger schlug die SPD noch die Münchner Rechtsprofessorin Ann-Katrin Kaufhold und die Union Günter Spinner vor. Für alle Wahlen ist eine Zwei-Drittel-Mehrheit erforderlich, die zugleich eine Mehrheit der Mitglieder des Bundestages abbilden muß.
Dies bedeutet in der Praxis, daß die Union, SPD und Grüne sich entweder mit der Linken oder mit der AfD abstimmen müssen, um die erforderliche Mehrheit zu erreichen. Die Union schließt aber eine Zusammenarbeit mit beiden Parteien aus. Die AfD deutet an, daß sie Spinner wählen könnte.
Linksfraktion droht mit Scheitern
Die Linkspartei gibt der schwarz-roten Koalition dafür offenbar keine Zusage. Man habe intern vereinbart, „daß es sich bei dieser Wahl um eine Gewissensentscheidung handelt und unsere Abgeordneten jeweils für sich entscheiden, wie sie sich bei der Wahl verhalten“, sagte Fraktionschefin Heidi Reichinnek am Montag. Zuvor hatte Parteichefin Ines Schwerdtner die Union vor einem erneuten Scheitern der Abstimmung gewarnt. Ohne Gespräche könne sich die CDU „überhaupt nicht sicher sein“.

Bisher habe es keine Verhandlungen zwischen Links- und Unionsfraktion über den Kandidaten Spinner gegeben. Mit SPD und Grünen habe man dagegen gesprochen. Den Vorschlag, die SPD könne als Vermittler zwischen Union und Linker auftreten, wies Schwerdtner zurück. „Dieses ganze ‘um die Ecke spielen’ halte ich persönlich wirklich für lächerlich.“ Eine Vermittlungslösung sei „in gewisser Weise ein Kindergarten“, erklärte sie. Wenn die Union eine Mehrheit wolle, müsse sie „sich selbst auch raustrauen“.
Emmenegger ersetzt Brosius-Gersdorf
Im Juli war die Richterwahl nach einer hitzigen Geschäftsordnungsdebatte im Bundestag abgesetzt worden. Ausschlaggebend war der Widerstand in den Reihen der Union gegen die SPD-Kandidatin Frauke Brosius-Gersdorf (JF berichtete). Zahlreiche Abgeordnete wollten ihr wegen Veröffentlichungen zur Ausweitung des Abtreibungsrechts die Zustimmung verweigern. Auch die anderen beiden Kandidaten, Ann-Katrin Kaufhold und Günter Spinner, wurden daher zunächst nicht gewählt. Im August zog Brosius-Gersdorf ihre Kandidatur schließlich zurück.
Für ihre Nachfolge schlug die SPD im August Emmenegger vor (JF berichtete). Sie gehört seit 2020 als Richterin dem Bundesverwaltungsgericht an und war zuvor als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Bundesverfassungsgericht tätig.
„Plagiatsjäger“ Weber wirft Kaufhold autoritäre Ideen vor
Kritik gibt es auch an der SPD-Kandidatin Kaufhold. Der Plagiatsprüfer Stefan Weber warnte vor ihrem Konzept einer „Systemaufsicht“, daß sie 2018 in einem Fachaufsatz entwickelt hatte (JF berichtete). Er sprach von autoritären Ideen und einer Gefahr für die freiheitliche Ordnung.
Die stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Sonja Eichwede zeigte sich dennoch optimistisch, daß die sozialdemokratischen Kandidatinnen eine Mehrheit erhalten. „Ich bin sicher, daß wir dieses Mal eine gute Lösung finden und der Bundestag auch zeigen wird, daß uns sehr, sehr viel daran liegt, daß wir ein starkes Bundesverfassungsgericht haben.“
Unionsfraktionschef Jens Spahn äußerte sich ähnlich zuversichtlich. In der ARD-Sendung „Caren Miosga“ bezeichnete er Emmenegger als „sehr gute“ Kandidatin, fachlich überzeugend und versiert. Seine Lehre aus dem Scheitern im Juli sei, „rechtzeitiges Reden und Kommunizieren auf allen Ebenen“. (ser/sv)