LUDWIGSHAFEN. In einem im Nachkriegsdeutschland noch nie dagewesenen Akt hat die Oberbürgermeisterin von Ludwigshafen, Jutta Steinruck, einen chancenreichen Kandidaten um das Amt ausgeschaltet. Wie aus einem neu aufgetauchten Dokument hervorgeht, forderte die früher sozialdemokratische, jetzt parteilose Politikerin den SPD-Innenminister von Rheinland-Pfalz auf, belastendes Material zu besorgen, damit sie die Kandidatur des AfD-Politikers Joachim Paul verbieten könne.
Am 21. September wird der Oberbürgermeister in Ludwigshafen neu gewählt. Amtsinhaberin Steinruck, die nicht mehr antritt, ist auch Vorsitzende des Wahlausschusses, der üblicherweise die Kandidaten zuläßt, wenn sie alle Formalien eingehalten haben. Bis zum Ausschluß von der Wahl galt es als nicht unwahrscheinlich, daß Paul die Stichwahl erreichen wird. Denn bei der Bundestagswahl im Februar war die AfD in der Stadt am Rhein zweistärkste Partei geworden.
Brief verrät Ludwigshafens OB
Das Portal Apollo-News zitiert nun aus einem Schreiben Steinrucks an den rheinland-pfälzischen Innenminister Michael Ebeling (SPD) vom 18. Juli. Darin informiert diese den Dienstherrn des Landesverfassungsschutzes über „Hinweise“, die sie zu Paul gefunden habe. Diese reichten aber nicht für einen Wahlausschluß aus. Wörtlich schreibt sie: „Da diese jedoch allenfalls Interpretationen zulassen, bin ich auf objektive Anhaltspunkte/Prüfungsergebnisse des Verfassungsschutzes, insbesondere, ob bei der betreffenden Person entsprechende gerichtsverwertbare Tatsachen vorliegen, die nicht älter als fünf Jahre sind, angewiesen“.
Rund zwei Monate vor der Wahl sollten ihr das Innenministerium und der Verfassungsschutz dabei helfen, Paul aus dem Rennen zu nehmen. Das taten beide Behörden dann auch und lieferten ein dünnes Gutachten, in dem sogar die Vorliebe Pauls für das Werk „Der Herr der Ringe“ gegen diesen verwendet wurde. Und Steinruck verbot tatsächlich am 5. August die Kandidatur des AfD-Landtagsabgeordneten – mit Unterstützung der Politiker der anderen Parteien, die ebenfalls in dem Wahlausschuß sitzen. Die AfD hat darin keinen Sitz.
Steinruck setzte Innenminister eine Frist
Steinruck forderte das Innenministerium auf, „bis spätestens 31. Juli 2025“ Belastungsmaterial zu liefern. Sollten bis dahin „keine objektiven Anhaltspunkte/Prüfungsergebnisse“ vorliegen, müsse sie Pauls Kandidatur „zur Zulassung dem Wahlausschuß vorlegen.“ Unausgesprochen war klar, daß dies verhindert werden müsse.
Paul hat inzwischen beim Verwaltungsgericht Neustadt an der Weinstraße eine einstweilige Anordnung beantragt, um in sechseinhalb Wochen doch noch bei der Oberbürgermeister-Wahl antreten zu können. Der JUNGEN FREIHEIT liegt die komplette Klageschrift vor, über die wir am Montag exklusiv berichtet haben. (fh)
Transparenzhinweis: In einer kurzzeitig veröffentlichten Version dieses Textes hieß es, Joachim Paul sei der chancenreichste Konkurrent von Oberbürgermeisterin Jutta Steinruck. Dies ist falsch, denn die Amtsinhaberin tritt nicht erneut an.