BERLIN. Der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion, Dirk Wiese, hat Aussagen von Unionsfraktionschef Jens Spahn zur Besetzung des Bundesverfassungsgerichts widersprochen. Spahn hatte in einer internen Fraktionssitzung erklärt, die Union habe der Nominierung der umstrittenen SPD-Kandidatin Frauke Brosius-Gersdorf nur zugestimmt, weil die Sozialdemokraten zugesichert hätten, daß sie nicht Vizepräsidentin des Gerichts werden solle.
Dem widersprach Wiese. „Über die Frage, wer Prof. Dr. Doris König letztendlich als Vizepräsidentin des Bundesverfassungsgerichts nachfolgt, entscheidet aber nicht der Bundestag, sondern souverän der Bundesrat“, sagte er der Welt. „Hier gibt es folglich keine Vorfestlegung.“ Alle drei Nominierungen für das Bundesverfassungsgericht seien „herausragend qualifiziert“, unterstrich Wiese.
Im Bundesrat könnten die unionsgeführten Landesregierungen einen Aufstieg Brosius-Gersdorfs zur Vizepräsidentin blockieren. Sie verfügen gemeinsam über 37 Stimmen und damit über die absolute Mehrheit. Voraussetzung wäre jedoch, daß alle betroffenen Länder geschlossen votieren oder sich enthalten, da Enthaltungen als Nein-Stimmen gewertet werden.

Wahlausschuß nominiert Richterkandidaten
Am Montagabend hatte der Wahlausschuß des Bundestags die drei von SPD und Union vorgeschlagenen Juristen für das höchste deutsche Gericht nominiert. Neben Brosius-Gersdorf setzte sich auch die zweite SPD-Kandidatin, die Münchner Professorin Ann-Katrin Kaufhold, durch. Für die Union wurde der Richter am Bundesarbeitsgericht, Günter Spinner, benannt.
Alle drei Kandidaten erhielten die nötige Zweidrittelmehrheit im Wahlausschuß, der aus zwölf Abgeordneten besteht. Die Koalitionsparteien Union und SPD stellen dort sieben Mitglieder. Die AfD hatte im Vorfeld angekündigt, Spinner mittragen zu wollen. Er mache „einen vernünftigen Eindruck“, sagte Fraktionsvorsitzende Alice Weidel. Brosius-Gersdorf und Kaufhold lehnte sie als „linke Aktivistinnen“ ab.
Bundestag wählt Richter in geheimer Abstimmung
In der Unionsfraktion stößt die Personalie Brosius-Gersdorf weiterhin auf Widerstand. The Pioneer zufolge bezeichnen einzelne Abgeordnete die Kandidatin als „untragbar und unwählbar“. Ein Fraktionsmitglied äußerte demnach die Einschätzung, sie werde „keine Mehrheit bekommen“. Allerdings ist ein Scheitern bei der Abstimmung im Bundestag nur bei einer hohen Zahl von Abweichlern möglich. Sollten SPD, Grüne und Linke geschlossen für die Kandidatin stimmen, müßten nahezu 60 Unionsabgeordnete davon abweichen.
In der Union hadern viele mit der SPD-Kandidatin für das BVerfG.
Ein MdB sagt mir: „Die Kandidatin wird keine Mehrheit bekommen.“
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— Karina Moessbauer (@K_Moessbauer) July 8, 2025
Kritisiert wurde insbesondere Brosius-Gersdorfs Haltung zur Abtreibung, die nach Ansicht einzelner Abgeordneter eine vollständige Entkriminalisierung beinhalten könnte. Um den Koalitionskompromiß nicht zu gefährden, warb Spahn dennoch für eine geschlossene Zustimmung und verwies auf die angebliche SPD-Zusage.
Die endgültige Entscheidung über die Besetzung der drei freiwerdenden Richterposten fällt am Freitag im Bundestagsplenum. Für die Wahl ist auch dort eine Zweidrittelmehrheit der abgegebenen Stimmen erforderlich. (sv)