Eine Koalition ist keine Liebesheirat. In ihrem Vertrag vereinbaren die Partner jedoch einen fairen Umgang miteinander. Dazu gehört, daß die Koalitionsfraktionen im Bundestag ihre Gemeinsamkeit demonstrieren und ihre Abgeordneten keine Initiativen anderer Parteien unterstützen. Auch dürfen Gesetzesvorlagen und Anträge nur gemeinsam eingebracht werden. Seit Beginn der Koalition von CDU/CSU und SPD, die angesichts schlechter Wahlergebnisse längst keine „große“ mehr genannt werden kann, ist nicht alles, aber vieles anders als früher geworden.
Das mußte jetzt Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) bei seiner Haushaltsrede (JF berichtete) erleben. Seine Unionsabgeordneten hielten treu zu ihm und klatschten bei jeder Gelegenheit. Ganz anders das Bild bei der SPD: Wann auch immer Merz eine rhetorische Spitze setzte und Beifall erzielen wollte, rührten sich beim Koalitionspartner nur wenige Hände.
Das Protokoll ist eindeutig
Das amtliche Protokoll der Sitzung bringt dies gut zum Ausdruck, wenn während der Rede des Kanzlers permanent festgehalten wird: „Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD“. Selbst zum Abschluß, als die Abgeordneten der Kanzlerparteien CDU und CSU schon traditionell zum langanhaltenden Beifall ansetzten, blieb es diesmal in den Reihen der SPD verdächtig leise.
Das war früher anders: Kanzler wie Olaf Scholz (SPD), Angela Merkel (CDU) oder Gerhard Schröder (SPD) konnten sich der kräftigen Zustimmung der jeweiligen Koalitionspartner sicher sein. Wenn das Onlineportal Focus von der „klatschfaulen SPD im Bundestag“ schreibt, ist das sicher richtig, aber die Ursachen sind tiefer zu suchen. Diese Koalition ist Folge der zunehmenden Partitionierung des deutschen Parteiensystems, das immer noch von CDU und CSU dominiert wird.
Die Unionsabgeordneten klatschen immer
Gegen sie kann nicht regiert werden; da die Union aber jede Zusammenarbeit mit der AfD ausschließt („Brandmauer“), bleibt ihr nur das Zusammengehen mit der SPD, die andererseits zu schwach ist, um ein von ihr favorisiertes breites linkes Bündnis zu installieren. In anderen europäischen Ländern wäre es möglicherweise zu einer Minderheitsregierung der stärksten Partei gekommen, die sich dann um wechselnde Mehrheiten bemüht hätte.
Da aber Merz und die Union auf keinen Fall Mehrheiten mit Stimmen der AfD zusammenbringen wollen, blieb ihnen keine andere Wahl als das Bündnis mit der SPD, die sich das teuer bezahlen ließ und an wenig mehr als Kühlschrank-Stimmung in der Koalition nicht interessiert zu sein scheint. In der Haushaltsdebatte sah das dann so aus, daß für Merz an einer Stelle laut Protokoll aus den Reihen der Sozialdemokraten nur deren Fraktionsvorsitzender Matthias Miersch klatschte. Die anderen Genossen rührten keine Hand.

Ähnliche Erfahrungen mußten auch andere Unionsredner wie der Fraktionsvorsitzende Jens Spahn oder CSU-Landesgruppenchef Alexander Hoffmann machen. Umgekehrt gilt das nicht: Bei SPD-Rednern wie Miersch vermerkt das Protokoll „Beifall bei der SPD und der CDU/CSU“.