Ein solches öffentliches Interesse wie am frühen Mittwoch nachmittag dürfte das Arbeitsgericht Köln nur selten erlebt haben. Bereits eine halbe Stunde vor dem Termin warteten Journalisten und Zuschauer im überfüllten Gang vor dem kleinen Saal. Grund war der Gütetermin, den das Gericht angesetzt hatte, um zu klären, ob zwischen der Stadt Köln und Simone Baum noch eine Einigung möglich sei.
Die Stadt hatte ihr Ende Januar fristlos und außerordentlich gekündigt, nachdem Medien drei Wochen zuvor unter Bezugnahme auf das „Recherchekollektiv Correctiv“ darüber berichtet hatten, daß auch Baum zusammen mit anderen CDU- und AfD-Mitgliedern an einem angeblichen Geheimtreffen rechtsextremer Kreise im November in Potsdam teilgenommen hatte. Laut dem steuerfinanzierten Recherchenetzwerk sei auf diesem Treffen die millionenfache Deportation auch bereits eingebürgerter Migranten diskutiert worden. Mehrere Teilnehmer des Treffens haben diese Darstellung jedoch in eidesstattlichen Erklärungen bestritten. Ein Teilnehmer hat bereits eine einstweilige Verfügung beantragt, um „Correctiv“ Teile seiner Darstellungen zu untersagen.
Simone Baum benötigt Personenschützer
Die Diplom-Verwaltungswirtin Baum ist CDU-Mitglied und seit 2000 hauptberuflich für die Stadt Köln tätig. Damit ist sie tariflich nicht mehr kündbar. 2017 wurde sie zur ersten nordrhein-westfälischen Landesvorsitzenden der ursprünglich CDU-nahen WerteUnion (WU) gewählt. 2019 überzeugte sie den ehemaligen Verfassungsschutzpräsidenten Hans-Georg Maaßen, sich ebenfalls in der WU zu engagieren. Heute ist Maaßen deren Bundesvorsitzender und Baum eine seiner Stellvertreterinnen.
Auf ihre Kündigung reagierte Simone Baum mit einer sogenannten Kündigungsschutzklage. Zum Gütetermin am Mittwoch erschien die als kämpferisch bekannte 63jährige zusammen mit ihrem Anwalt Rainer Thesen. Dabei wurde Baum auch von zwei Personenschützern begleitet.
„Wenn der Herr Kollege noch nicht im Bilde ist“
Aber kaum war der Schlichtungstermin im fast bis auf den letzten Platz besetzten Saal 9 eröffnet, drohte er für die Stadt Köln zur Blamage zu werden: „Ich kann da heute nur wenig dazu sagen“, räumte Marcus Michels, der Anwalt der Stadt, zur Verblüffung der Zuschauer ein. Seine fehlende Vorbereitung begründete er damit, das Mandat erst vor wenigen Tagen übernommen zu haben.
Dann bat Michels die Richterin um einen Kammertermin. Bei einem Kammertermin ist eine gütliche Einigung zwar noch immer möglich. Im Gegensatz zum Gütetermin kann es dabei jedoch zu einer Beweisaufnahme kommen, auf deren Ergebnissen das spätere Urteil basiert.
„Wir wären bereit gewesen, in der Sache selbst zu verhandeln“, entgegnete Rainer Thesen. Die Kündigung seiner Mandantin halte er „unter keinem denkbaren rechtlichen Gesichtspunkt“ für begründet. „Aber wenn der Herr Kollege noch nicht im Bilde ist“, sei er natürlich auch mit einem neuen Termin einverstanden, fügte Thesen hinzu.
Gütliche Einigung ausgeschlossen
Obwohl er in der Sache gar nicht vorbereitet war, erteilte Marcus Michels einer möglichen Verständigung dennoch eine klare Absage: „Gütliche Einigungsmöglichkeiten werden definitiv ausgeschlossen.“ Dann fügte er hinzu: „Formal werden wir nicht straucheln.“ Sein kurzer Zusatz offenbarte jedoch wenig Optimismus für seine Mandantin, denn ein späteres Urteil muß anhand der Sache gefällt werden.
Damit blieb der Richterin nur noch, einen neuen Termin bekanntzugeben. Zuerst setzte sie dafür den 8. Mai an. „Was für ein Datum“, entfuhr es einer Zuschauerin. „Kriegsende!“ Der Zusammenhang des Zwischenrufs und dem Verfahrensgegenstand blieb jedoch im Dunkeln. Nachdem sich herausgestellt hatte, daß der 8. Mai nicht für alle Verfahrensbeteiligten passend war, setzte die Richterin den 23. Mai als neuen Termin an. Womit die Verhandlung nach weniger als zehn Minuten bereits wieder beendet war.
„Erstunken und erlogen“
„Wir werden sehen, was von der Gegenseite kommt“, sagte Rainer Thesen nach dem kurzen Termin. Bislang sei die Kündigung „nicht sauber juristisch begründet“. Die Darstellungen des „mysteriösen Geheimtreffens“ halte er „für erstunken und erlogen“. Simone Baum schloß sich ihrem Anwalt an, wollte aber selbst nichts dazu sagen. Nachfragen zu ihrer Teilnahme an dem Potsdamer Treffen ließ sie erneut unbeantwortet.
Mit Baums Kündigung war die Stadt entsprechenden Forderungen linker Jugendorganisationen gefolgt. „Sollte das alles so der Wahrheit entsprechen, dann muß die Stadt auf jeden Fall handeln“, forderte der Kölner Juso-Vorsitzende Sercan Karaagac bereits am 12. Januar. „Sollte sich herausstellen, daß Simone Baum Ansichten vertritt, die nicht mit dem Grundgesetz vereinbar sind, fordern wir entsprechende Konsequenzen“, schloß sich Luca Stueber, Sprecherin der Grünen Jugend Köln, dem am selben Tag an.
Die CDU, die Baum bis 2020 im Stadtrat von Engelskirchen im Bergischen Land vertreten hat, hatte nur wenige Tage nach der Medienberichterstattung über das angebliche Geheimtreffen ein Parteiausschlußverfahren gegen sie eingeleitet. Selbst der Bürgerverein Loope, dem Simone Baum als nicht-aktives Mitglied angehört hatte, schloß sie nur fünf Tage nach den Darstellungen von „Correctiv“ aus. „An der Richtigkeit der Darstellung des Treffens und der Teilnahme von Frau Baum bestehen keinerlei Zweifel“, begründete der Verein den schnellen Rauswurf. Das aber könnte voreilig gewesen sein, denn die gerichtliche Aufarbeitung dieser Darstellungen beginnt erst jetzt. Und in Baums Fall wird sie erst im Mai fortgesetzt.