Bisher kannte nur das linke Spektrum die Berliner Rechtsanwältin Lucy Chebout. Das änderte sich nun schlagartig, als das Abgeordnetenhaus, wie das Landesparlament der Hauptstadt heißt, sie zur Richterin am Landesverfassungsgerichtshof gewählt hat. In vertraulichen Gesprächen einigten sich die Fraktionen von CDU, SPD, Grünen und Linken auf sechs neue Richter. Die AfD blieb natürlich ausgeschlossen, konnte also keinen Kandidaten nominieren. Das allerdings ist mehr als nur eine Diskriminierung, denn Richterwahlen sind immer auch politische Weichenstellungen.
Lucy Chebout kam 1984 in Naumburg an der Saale als Kind einer DDR-Lehramtsanwärterin und eines algerischen Schlossers zur Welt. Der Kontakt zum Vater brach ab, als dieser nach Ablauf des Entsendeabkommens mit Algerien das Land verlassen mußte. Chebout studierte zunächst Islamwissenschaften plus Gender Studies und schloß 2016 ein Jura-Studium an der Humboldt-Universität zu Berlin ab, wo sie wissenschaftliche Mitarbeiterin Susanne Baers war. Die Professorin für Öffentliches Recht und Gender Studies leitete das von ihr gegründete „GenderKompetenzZentrum“ der HU, bevor sie auf Vorschlag der Grünen von 2011 bis 2023 Richterin am Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe war, wo ihr Schützling Chebout die sogenannte Wahlstation ihres Referendariats durchlief.
Von Baers Lehrstuhl gab es zudem über sogenannte „Law-Clinics“ Verbindungen zu diversen „Refugee und Migration Law Clinics“, die sich der rechtlichen Hilfe von Flüchtlingen verschrieben haben. Dabei besonders pikant: Baer war Berichterstatterin im Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht um die Erhöhung von Leistungen für Asylbewerber und Menschen ohne dauerhaftes Aufenthaltsrecht. Eine Berichterstatterin entscheidet zwar nicht alleine, denn dies obliegt dem entsprechenden Senat. Als Berichterstatterin schlägt sie diesem aber eine Entscheidung vor – und hat damit eine gewisse Lenkungsfunktion.
Schadet Chebout der Justiz?
Doch zurück zu Chebout, die seit 2018 als angestellte Anwältin der am Potsdamer Platz residierenden Berliner Wirtschaftskanzlei Raue arbeitet, wo sie engagiert gleichgeschlechtlich „verheiratete“ Mütter und ihre „Regenbogenkinder“, so der PR-Begriff der Genderideologen, vertritt. Letztere haben oft nur Unterhalts- und Fürsorgeanspruch gegenüber der leiblichen Mutter, weil der das zweite Abstammungsverhältnis regelnde Paragraph 1592 des Bürgerlichen Gesetzbuchs allein die Ehe zwischen Mann und Frau erfaßt. So muß die „Ehefrau“ der Mutter zum Knüpfen familienrechtlicher Bande das Kind adoptieren. Darin sieht Chebout einen Widerspruch zur 2017 eingeführten „Ehe für alle“ sowie Verstöße gegen das im Grundgesetz verankerte Benachteiligungsverbot. Sechs ihrer Fälle liegen mittlerweile dem Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung vor. Wobei die individuellen Fälle zweitrangig sind, vor allem versteht man die Verfahren als „strategische Klagen“, um die weitere Rechtsprechung zu beeinflussen: Das heißt, sie sollen Urteile herbeiführen, auf die sich die Gender-Lobby künftig als Musterentscheide berufen kann.
Vom Gesetzgeber fordert Chebout, die sich gemeinsam mit Aktivsten entsprechender Lobby-Vereine wie „Nooption“ oder der „Gesellschaft für Freiheitsrechte“ vor einer Regenbogenfahne ablichten läßt, die Reform des betreffenden Paragraph 1592: biologische Mutter und lesbische „Mit-Mutter“ sollten künftig Elternpaar im familienrechtlichen Sinne sein. Für ihren woken Aktivismus feiern die Gendermilieus die neue Berliner Verfassungsrichterin als moderne Jeanne d’Arc. Vom Magazin Spiegel wurde sie gar bereits 2023 zur „Heldin des Alltags“ gekürt.
Kampf tobt um Deutungshoheit in Justiz
Kritik breitet sich derweil in den sozialen Medien aus. Sprachliche Verrenkungen Chebouts wie „gebärender Vater“ irritieren ihre Kritiker. Die fürchten, sie treibe die wissenschaftsferne Fehlentwicklung des Rechts durch ideologielastige Richter weiter voran.
Tatsächlich tobt nämlich längst ein Kampf um die Deutungshoheit in der Justiz und es ist nicht zuletzt ein Kulturkampf um Karlsruhe. Verfassungsrichterinnen wie Susanne Baer und die von Chebout hochgelobte Gabriele Britz prägten zwei fragwürdige Grundsatzentscheidungen: Dem Beschluß zum Personenstandsgesetz von 2017 verdanken wir den biologisch absurden Geschlechtseintrag „divers“ und das „m/w/d“-Kürzel in Stellenanzeigen. Und im auf fatale Weise epochalen Klimaschutzgesetz-Beschluß von 2021 mutierten die Grundrechte von individuellen Abwehrrechten des Bürgers gegenüber dem Staat zu einer staatlichen Verpflichtung, Klimaschutzpolitik zu betreiben. Es ist also leider nicht zu leugnen, daß sich die Berufung Chebouts, die überdies auch Vizepräsidentin des Deutschen Juristinnenbundes ist, als ein weiterer Schritt in diese Richtung erweisen könnte und die Sorgen ihrer Kritiker berechtigt zu sein scheinen.