POTSDAM. Die SPD hat laut ersten Prognosen die Landtagswahl in Brandenburg knapp gewonnen. Die Partei kommt auf 30,7 Prozent. Dicht dahinter liegt die AfD mit etwa 30 Prozent. Das BSW ist klar mit 13 Prozent im neuen Landtag vertreten. Die CDU kommt auf 12 Prozent. Die Grünen liegen unter der Fünf-Prozent-Hürde. Ihr erhofftes Grundmandat im Wahlkreis Potsdam I verpaßten die Grünen und sind damit definitiv nicht mehr im Landtag vertreten.
Sperrminorität für AfD
Die AfD erreicht mit 30 Sitzen nach dem Scheitern der Grünen eine sogenannte Sperrminorität im Landtag. Linkspartei und FDP scheitern nach derzeitigem Stand an der Fünf-Prozent-Hürde. In Brandenburg reicht der Gewinn eines Direktmandates, um die Fünf-Prozent-Hürde zu umgehen. Die FDP erhielt weniger als ein Prozent der Stimmen.
Hochrechnung 21.09 Uhr (ARD/Infratest dimap) und Gewinne und Verluste zur Wahl 2019
SPD: 30,7 Prozent (plus 4,5 Prozentpunkte)
AfD: 29,5 Prozent (plus 6,0 Prozentpunkte)
CDU: 12,1 Prozent (minus 3,5 Prozentpunkte)
BSW: 13,3 Prozent (plus 13,3 Prozentpunkte)
Linkspartei: 3,0 Prozent (minus 7,7 Prozentpunkte)
Grüne: 4,2 Prozent (minus 6,6 Prozentpunkte)
Freie Wähler: 2,6 Prozent (minus 2,4 Prozentpunkte)
Sonstige (inklusive FDP): 4,6 Prozent (minus 3,6 Prozentpunkte)
Die Wahlbeteiligung legte um 13 Prozentpunkte auf 74 Prozent zu.
Zuletzt regierte in Potsdam eine Koalition aus SPD, CDU und Grünen. Derzeit gibt es nur eine Mehrheit für ein Bündnis aus SPD und BSW mit 46 von 88 Sitzen im Landtag.
Deutliche Wahlunterschiede zwischen Alt und Jung
Einen deutlichen Unterschied haben Demoskopen zwischen den Altersgruppen ausgemacht. So wurde die AfD bei den jungen Wählern mit Abstand stärkste Kraft, während die SPD bei den Senioren triumphieren konnte.
So reagieren die Parteien
CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann sprach von einer „starken Polarisierung zwischen SPD und AfD“. Seine Partei holte das schlechteste Ergebnis seit Bestehen des Bundeslandes Brandenburg. „Das ist eine Niederlage heute ganz klar.“ Die Bundes-CDU habe keine Rolle gespielt im Wahlkampf, sagte er der ARD. CDU-Spitzenkandidat Jan Redmann sprach ebenfalls von einer „Polarisierung“ zwischen SPD und AfD, unter der die CDU gelitten habe. Insgesamt sei das ein „bitterer Abend für Brandenburg“, weil 45 Prozent für die „politischen Ränder“ gestimmt hätten.
AfD-Chefin Alice Weidel sprach in einer ersten Reaktion von einem „riesigen Erfolg“. Die AfD sei der „Sieger des Abends“. Daß die SPD vorne liegt, sei auf eine „taktische Wahl“ zurückzuführen, mit man aber leben müsse. AfD-Urgestein Alexander Gauland betonte, Deutschland müsse eine „kulturelle Einheit“ bleiben. Er sprach von einem „schönen Ergebnis“ aber auch einen „Wermutstropfen“, da die SPD derzeit vorne liege. Der Parlamentarische Geschäftsführer Bernd Baumann sagte in der Berliner Runde in der ARD, die Migrationspolitik brenne den Menschen „unter den Nägeln“. Er sprach dabei von 51.000 Vergewaltigungen durch Flüchtlinge seit 2015. Mit Blick auf die schlechte wirtschaftliche Entwicklung gab er der CDU und „16 Jahren Merkel-Regierung“ eine Mitschuld. AfD-Spitzenkandidat Hans-Christoph Berndt sprach von einer „medialen Kampagne“ gegen die AfD. Ein „Weiter so“, wie Woidke es wolle, werde nicht funktionieren. Die AfD sei „die Partei der Zukunft“.
30 %: Auch in #Brandenburg können wir einen riesigen Erfolg verbuchen. Herzlichen Dank an alle Wahlkämpfer und Wähler – der Abend wird spannend! #AfD pic.twitter.com/CdEEcuxmKR
— Alice Weidel (@Alice_Weidel) September 22, 2024
SPD-Spitzenkandidat und Ministerpräsident Dietmar Woidke sprach von einem „harten Stück Arbeit“. Wieder einmal hätten Sozialdemokraten den Rechtsextremen den Weg zur Macht verstellt. Es sei gelungen zu verhindern, daß Brandenburg einen „großen braunen Stempel“ bekommt. Gewonnen hat die SPD laut ersten Auswertungen vor allem von Nichtwählern, Linkspartei und Grünen.
Miese Stimmung bei Linkspartei, FDP und Grünen
Grünen-Chefin Lang sagte, ihre Partei sei im Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen AfD und SPD „unter die Räder gekommen“. Es gebe jedoch eine grundsätzlich schlechte Tendenz für ihre Partei, aus der man sich „wieder herauskämpfen“ müsse. Viele Menschen seien wegen dem starken Wahlergebnis der AfD besorgt. Bundesgeschäftsführerin Emily Büning sagte, das „Schlechtreden“ der Situation in Deutschland komme nur Putin entgegen. AfD und BSW seien die „Handlanger“ Rußlands.
Große Enttäuschung herrschte dagegen bei der FDP. „Es ging in diesem Wahlkampf nicht um Brandenburg, sondern um bundespolitische Themen und Taktik“, sagte Spitzenkandidat Zyon Braun. Auch er sprach von einer starken Polarisierung zwischen AfD und Sozialdemokraten. „Der Preis dafür ist ein Überlebenskampf der kleineren Parteien“. Generalsekretär Bijan Djir-Sarai machte die Politik für die Ampel für das Ergebnis verantwortlich. Er kündigte einen „Herbst der Entscheidung“ an, bei der die Probleme gelöst werden müßten.
Auch bei der Linkspartei herrscht Katastrophenstimmung. Es sei ein „desaströser Abend“ für seine Partei, sagt Spitzenkandidat Sebastian Walter. „Woidke hat uns zerschreddert“, warf er dem Ministerpräsidenten vor. Seine Partei werde jetzt wieder „von unten wieder anfangen“.
AfD gewinnt Mehrheit der Direktmandate
Die AfD lag am frühen Abend nach Auszählung von mehr als 80 Prozent der Stimmen in der Mehrheit der Wahlkreise vorne. Die Grünen können ihr erhofftest Direktmandat in Potsdam nicht gewinnen.
Woidke setzte alles auf eine Karte
Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) hatte im Wahlkampf mehrfach angekündigt, seine politische Karriere beenden zu wollen, sollte die AfD stärkste Kraft werden. „Wenn die Wähler mehrheitlich AfD wählen, dann bin ich weg.“ Gegen den Amtsbonus des 62jährigen Ministerpräsidenten schien CDU-Herausforderer Jan Redmann eine überzeugende Strategie zu fehlen – obwohl es im Bundestrend für die CDU gut läuft.
Besonders bitter für die CDU: In einem Doppelinterview mit Woidke wünschte sich dessen sächsischer Kollege Michael Kretschmer (CDU) „sehr, daß wir weiter gemeinsam Verantwortung übernehmen“. Woidke habe „dem Land sehr gutgetan“. Auch die einstige Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth, CDU-intern bedeutungslos, sprach sich für den seit 2013 amtierenden Regierungschef aus.
Daß Redmann im Sommer bei einer Trunkenheitsfahrt auf einem Elektroroller mit 1,28 Promille erwischt wurde und ein halbes Jahr auf seinen Führerschein verzichten mußte, hatte ihn zwar bekannter gemacht, aber sein Ansehen wohl nicht erhöht.
Campact unterstützt Potsdamer Grüne
Massiv eingemischt hatte sich auch die von ausländischen Organisationen mitfinanzierte linke Plattform Campact. Der grünen Direktkandidatin Marie Schäffer in Potsdam griffen sie mit 72.000 Euro unter die Arme. Die Stoßrichtung war klar. „Nur mit Grün verhindern wir eine AfD-Veto-Macht im nächsten Landtag“, heißt es auf der Internetseite Schäffers, die in Potsdam bereits 2019 direkt gewählt worden war. Fünf Jahre später geht es um die Grundmandatsklausel.
Du willst, dass sozial gerechter Klimaschutz und klare Kante gegen rechte Narrative weiter im Landtag vertreten sind?
Dann gilt gerade in Potsdam: beide Stimmen Grün! 🌻
Denn dank Grundmandatsklausel reicht ein Direktmandat um sicher einzuziehen. pic.twitter.com/7LTHvZ4PSL— Marie Schäffer (@MarieSchaeff) September 13, 2024
In Brandenburg reicht der Gewinn eines Direktmandats aus, um die Fünf-Prozent-Hürde außer Kraft zu setzen. Klappt der Coup, wären die Grünen mit drei oder vier Abgeordneten im Landesparlament. „Höchst problematisch“, empörte sich Brandenburgs Kulturministerin Manja Schüle (SPD), eine Gegenkandidatin Schäffers ohne Absicherung auf der Landesliste.
AfD könnte Sperrminorität erreichen
Das BSW schickte Arbeitsrichter Robert Crumbach ins Rennen. Der Landesverband existiert noch keine vier Monate, doch das BSW brauchte sich nicht über mangelnden Zuspruch zu beklagen. Während Wagenknecht die großen Linien der „Friedenspolitik“ zieht, beackerte der Ex-Sozialdemokrat mit 40 Jahren SPD-Vorleben Landesthemen wie Wohnungsbau, mehr Polizisten, mehr Lehrer.
Sicher ist bisher allerdings schon, daß die AfD, deren Landesverband vom Verfassungsschutz als rechtsextremistischer Verdachtsfall eingestuft wird, ungeachtet des Wahlergebnisses außen vor bleiben soll. Nicht ausgeschlossen, daß die AfD auch in Brandenburg mit einer Sperrminorität weitreichende Entscheidungen wie Verfassungsänderungen beeinflussen kann. In der Schlußphase des Wahlkampfes hatte die Evangelische Kirche Berlin-Brandenburg noch eine Kampagne gegen die AfD aufgelegt.