BERLIN. Politiker von SPD und Grünen haben dienstrechtliche Konsequenzen gegen den früheren Präsidenten des Bundesamts für Verfassungsschutz, Hans-Georg Maaßen, gefordert. „Es ist eine Schande, daß jemand, der einmal einer der obersten Verfassungshüter war, nun anscheinend selbst gegen diese arbeitet“, sagte die SPD-Bundestagsabgeordnete Carmen Wegge der taz. Hintergrund ist die Bekanntmachung, daß er vom Inlandgeheimdienst als – angeblich rechtsextremes – Beobachtungsobjekt eingestuft ist.
Für den Chef der Werteunion könnte die Speicherung seiner Person durch den Verfassungsschutz ernsthafte Folgen haben. Maaßen hatte am Mittwoch ein 20 Seiten langes Dossier des In landsgeheimdienstes über sich veröffentlicht. Darin wird ihm unter anderem vorgeworfen, mutmaßliche Rechtsextremisten würden seine Äußerungen loben. Brisant: Ab dem 1. April 2024 tritt ein neues Gesetz in Kraft, das die Kriterien für Verfassungstreue bei politischen Beamten im einstweiligen Ruhestand verschärft. Das Innenministerium wäre dann berechtigt, ein Disziplinarverfahren gegen den 61jährigen einzuleiten.
Untersuchungsausschuß gegen Maaßen?
Ein solches Verfahren forderte nun Wegge, denn Maaßen müsse sich auch im Ruhestand an beamtenrechtliche Treuepflichten halten. „Ich finde deshalb die Prüfung von Disziplinarmaßnahmen richtig. Das Bundesinnenministerium als Dienstherrin ist nun gefragt.“ Sollte dieses Verfahren ergeben, daß er verfassungsfeindlich eingestellt sei, könnte er seine Versorgungsansprüche verlieren.
Dieselbe Forderung stellte auch der Grünen-Bundestagsabgeordnete Marcel Emmerich. „Wenn man bedenkt, daß Hans-Georg Maaßen qua Amt jahrelang oberster Verfassungsschützer war, ist die jüngste Einordnung als Rechtsextremist ein Alarmzeichen und wirft viele Fragen hinsichtlich seiner Amtszeit auf“, sagte er der taz. Der ehemalige Verfassungsschutzchef beweise seit längerem durch vermeintliche „menschenverachtende Aktivitäten“ eine Entfremdung vom Grundgesetz. „Der demokratische Rechtsstaat muß sich gegen Verfassungsfeinde wehren.“ Das Innenministerium äußerte sich bisher nicht zu den Forderungen. Zu Fragen um dienstrechtliche Konsequenzen gegen Maaßen wurden in der Vergangenheit aus Datenschutzgründen keine öffentlichen Stellungnahmen abgegeben.
Die fraktionslose Bundestagsabgeordnete Martina Renner (Linkspartei) forderte derweil einen Untersuchungsausschuß im Bundestag. „Es ist die Pflicht des Parlamentes, öffentlich aufzuklären, ob Maaßen die Ressourcen im Bundesamt für Verfassungsschutz darauf ausgerichtet hatte, hemmungslos gegen linke und antifaschistische Kräfte vorzugehen und gleichzeitig extrem rechte Kräfte und Aktivitäten gewähren ließ oder sogar unterstützte.“ Für dieses Gremium bräuchte Renner die Unterstützung von mindestens einem Viertel der Bundestagsabgeordneten.
Kontaktschuld als Begründung
Als Begründung für die Beobachtung seines ehemaligen Chefs führt der Verfassungsschutz unter anderem an, Maaßen habe die Verhaftungen der selbsternannten Reichsbürger um Heinrich XIII. Prinz Reuß im Dezember 2022 als „unverhältnismäßig“ bezeichnet. Auch die Verwendung des Wortes „Globalisten“ als „antisemitische Chiffre“, des Begriffs „Staatsmedien“ und „Parteienkartell“ werden aufgelistet.
Ebenso genannt werden „anerkennende bzw. positive Äußerungen“ von Rechtsextremisten. Lobend erwähnt hätten Maaßen der Kopf der „Identitären Bewegung“, Martin Sellner, und der thüringische AfD-Chef Björn Höcke. (sv/st)
>> Das gesamte Maaßen-Spitzeldossier des Verfassungsschutzes.