Der Dramatiker Peter Hacks (1928–2003) nahm das Ende der DDR gelassen zur Kenntnis; den Triumph des sogenannten freien Westens hielt er für den Pyrrhus-Sieg eines Untoten. Wenigstens darüber herrschte Einigkeit zwischen dem klassizistischen Goetheaner und seinem künstlerischen Antipoden Heiner Müller, dem Meister der offenen Form.
Lenins brausender Oktober /
Half der Menschheit auf den Sprung, /
Freilich wieder nur in grober /
Paradieses Näherung – /
Manches dauert gar zu lang.(aus „Plagejahre“)
— Peter Hacks (@Peter_Hugs) March 3, 2022
Während Müller nach 1989 schwarzen Geschichtspessimismus zelebrierte und die sibyllinische Sentenz zur Kunstform veredelte, drehte der aristokratische Hacks als Kommunist erst richtig auf und pflegte die neostalinistische Sottise: „Der Erdenwunder schönstes war die Mauer./ Mit ihren schmucken Türmen, festen Toren. / Ich glaub, ich hab mein Herz an sie verloren.“
Am 4. November 1992 traf er sich mit einem österreichischen Theatermann zu einem langen Gespräch, das sich um den Briefwechsel zwischen Goethe und Zelter, um Voltaires Romane, um Brecht natürlich und Zbigniew Brzezinski als den Spiritus rector der Neuen Linken drehte. Das Ende der DDR hielt er für ein Werk der Stasi, die 1989 im Auftrag Gorbatschows („kaukasischer Gewohnheitslügner“) ein „Lumpenkleinbürgertum“ auf die Straße geschickt hatte.
„Es ist ein bißchen Prophezeiung dabei.“
In dem Gespräch ging es auch um die mögliche Wiederkehr des Faschismus oder Nazismus. Das Thema lag in der Luft. Das kürzlich zuvor vereinte Deutschland benahm sich wie ein tumbes Riesenbaby auf Sinnsuche und delektierte sich an Gruselgeschichten vom „Vierten Reich“. Es gab mystische Umzüge, Lichterketten, Teufelsaustreibungen, rituelle Selbstgeißelungen; hochgefährliche Neo-Nazi-Führer wurden präsentiert, von denen sich einige später als V-Leute entpuppten. Das alles gehörte zur Initiation des „Kampfes gegen Rechts“ als gesamtdeutsche Staatsräson.
Auch Hacks hielt einen neuen Faschismus für möglich, und zwar als Entäußerung eines kriselnden Kapitalismus. Jedoch war der Faschismus beziehungsweise Nazismus – für Hacks handelte es sich um Synonyme – historisch kompromittiert. Daher würde er nicht unter dem alten Namen zurückkehren, „sondern (als) jemand, auf den man nicht kommt“. Etwas weiter: „Ich nehme an, in Deutschland werden es die GRÜNEN (Herv. i. Orig.) und dieses sogenannte Bündnis 90 sein.
Also, es werden nicht die Nazis von Herrn Frey und nicht die Nazis von Herrn Schönhuber sein, sondern es werden die sein. (…) die GRÜNEN werden eine Rolle spielen“, denn „diese weinende Kleinbürgerorganisationen, die gegen alles sind, was ist, mit Recht, und überhaupt nicht wissen, wofür sie sind, weil sie nur dumm sind, die eignen sich“. Es fällt auch das Wort vom „grünen Faschismus“. Sein Gesprächspartner äußerte Verblüffung und Widerspruch. Darauf Hacks: „Es ist ein bißchen Prophezeiung dabei. Wir werden sehen.“
Sehen wir nach, wie es mit der Dummheit und Weinerlichkeit aktuell bei den Grünen bestellt ist. Aus der führenden Riege: Baerbock, Göring-Eckardt, Lang, Lemke, Roth, Nouripour, Özdemir, hat niemand eine Leistung aufzuweisen, die sie, die ihn zu hohen politischen Ämtern qualifiziert. Annalena Baerbock, zur „Frau für alle Fälle“ (Spiegel) ausgerufen, verlegt den Panzerkrieg ins 19. Jahrhundert, erfindet Stromleitungen mit Speicherkapazität, fordert Putin zur 360-Grad-Wende auf, halluziniert den Kriegszustand mit Rußland herbei und dehnt das deutsche Kolonialreich posthum auf halb Afrika aus.
Ihrer Karriere hat das nicht geschadet. Im Gegenteil, in Springers Welt jubiliert ein Neocon-Autor: „Die Frau ist ein Segen – klug, lustig, taff, moralisch völlig eindeutig. Ein besserer Mensch, ein besserer Politiker hat das deutsche Außenministerium nie angeführt.“ Was wiederum zeigt, daß die grüne Verdummung sich nicht auf die Partei und ihre Wählerklientel beschränkt. Sie ist ein gesamtgesellschaftlicher Prozeß, der sämtliche Bereiche und Institutionen erfaßt hat.
Alle Maßstäbe, die Wirklichkeit selbst gehen verloren und werden durch Subjektivismus und Sentimentalität ersetzt. Nennt man die Dummheit beim Namen, führt das bei den Adressaten zunächst zu tiefer „Betroffenheit“, die in Aggression umschlägt: Unfähig zur sachlichen Entgegnung, wird der Kritiker wegen „Haß“ und „Hetze“ mit dem Staatsanwalt bedroht.
Burnout und Ohrensausen als Ticket zur Macht
Komplexer als die Genannten und hinsichtlich der Hackschen Prognose aufschlußreich ist Robert Habeck. Ihn als „Kinderbuchautor“ abzutun ist allzu billig. Von Wirtschaft versteht er zwar nicht die Bohne, und in einem normalen Staat und unter normalen Umständen wäre er längst aus dem Amt gefegt worden, doch deswegen ist er nicht dumm.
Zunächst war er der fotogene, von weichem Licht umflorte Visionär, mit Denkerfalten auf der Stirn oder in freier Natur ferne Horizonte in den Blick nehmend: Ein vergeistigter Brad Pitt, der eine „Von hier an anders“-Politik versprach. Ein abgeschmacktes Versprechen gewiß, aber es wirkt immer wieder neu. Als Gegenwind aufkam und er mit blamablen Auftritten für Spott sorgte, reagierte er ebenfalls weinerlich, klagte über Burnout und Ohrensausen und barmte mit Dackelblick um Zuneigung. Die geneigten Medien verklärten ihn zur „Leidfigur“, zum säkularen Christus, auf dessen Schultern unser aller Klimasünden lasten.
Doch der Charme war weg, auch hatte er im Amt zugelegt, ein Doppelkinn-Ansatz zeichnete sich ab, weshalb sein Dreitagebart ihn nicht mehr sexy, sondern wie einen Clochard wirken ließ. Dann straffte er sich wieder: Die schmal geratenen Augen verengten sich zu Sehschlitzen, Verschlagenheit blitzte daraus hervor. Inzwischen hat er sich zum normalen Polit-Bonzen mit Aussitzerqualitäten konsolidiert, der die Arroganz der Macht verströmt. Der romantisch-intellektuelle Visionär, als der er sich auf den frühen Fotos zeigte, war die Selbstprojektion eines Narzißten.
Der Klimawandel als Transformationsdrohung
Diesem gut getarnten Egozentriker hat FAZ-Herausgeber Jürgen Kaube den Börne-Preis zuerkannt. Die Auszeichnung wird dem Politiker an diesem Sonnabend in der Frankfurter Paulskirche verliehen. „Wir leben in der steten Gefahr, daß im politischen Gespräch Argumente nichts mehr zählen, sondern ‘Narrative’. Habeck ragt unter denen heraus, die sich dem als Politiker und politischer Publizist widersetzen. Gesellschaftswissenschaftlich informierte und lebensweltlich grundierte Reflexion prägen seine Äußerungen. In den Zwängen der Politik erkämpft er sich auf beeindruckende Weise Freiräume durch Nachdenklichkeit“, schrieb Kaube zur Begründung.
Ja, so möchten die Grünen wahrgenommen werden, doch das ist Blödsinn. Habeck bedient und zehrt selbstverständlich von einem Narrativ, von der „Großen Erzählung“ vom menschengemachten Klimawandel, der eine totale – totalitäre – Transformation unserer Lebensweise erfordert. Er vertritt mit – zugegeben – dialektischem Geschick eine Ideologie und leitet aus ihr einen knallharten Herrschaftstanspruch ab, der seinen Narzißmus befriedigt.
Neototalitarismus im Gewand eines Hippiestaats
Der taz-Kolumnist Peter Unfried hat mit ihm ein Interview-Video „Eine Stunde Zukunft“ produziert. Unfried ist Autor des Buches „Öko“ (2008), laut dem Blogger Alexander Wallasch die Programmschrift für den Marsch in die grüne Dystopie. Für die Klimapolitik, ist dort zu lesen, sei „Moral ein guter Inhalt aufgrund seiner Ingredienzen Schuld, Läuterung und Wiedergutmachung“. Denn der Klimawandel spricht „das Individuum in dreierlei Hinsicht an: als tätiges Subjekt, als von der selbstverschuldeten Apokalypse bedrohtes Objekt, als Konsument eines Spektakels, bei dem ‘Politik in ein Woodstock-Gefühl eingeschrieben wird, ein coming-together, um die Welt zu verbessern’“. Das ist Neototalitarismus im Gewand des grünen Hippiestaates.
Im Gespräch mit Habeck wirft Unfried die Frage auf, „ob die Demokratie in der Lage ist, unangenehme Maßnahmen zu ergreifen auch gegen – sagen wir mal – das Freiheitsverständnis von Minderheiten, indem sie sich selbst und diese Gesellschaft schützt und eben militärisch oder auch klimapolitisch Maßnahmen ergreift, die nach unserer bisherigen Kultur nicht als superdemokratisch verstanden werden“. Kurzum, darf man, muß man gewaltsam gegen Menschen vorgehen, die die grüne Politik für Wahnsinn halten? Oder, wie eine Bild-Persiflage in Heinrich Bölls „Die verlorene Ehre der Katharina Blum“ lautet: „Soll man gegen Unmenschen menschlich bleiben?“
Minister Habeck kann Unfrieds Anregung nicht so einfach bejahen. Formal hat er stets zwischen „Klimaschutz“ und „Klimatotalitarismus“ unterschieden und bemerkt, man dürfe den Wählern nicht im Namen einer höheren Wahrheit mit „moralischer Impertinenz“ entgegentreten, sondern müsse um die besten Konzepte streiten. „Der Satz ‘Mit dem Klima läßt sich nicht diskutieren’ bedeutet nicht, daß nicht mehr diskutiert werden soll. Im Gegenteil. Wir müssen uns nicht mehr hinter der Behauptung verstecken, die Wahrheit zu besitzen, wir haben die Argumente für die Gegenwart.“
Nicht Lumpenproletarier, sondern Lumpenkleinbürger
Was sich auf den ersten Blick wie ein Bekenntnis zu aufgeklärter Liberalität liest, verkehrt sich auf den zweiten ins totalitäre Gegenteil. Man kann mit dem Klima zwar nicht diskutieren, doch als sein berufener Sprecher kann man sehr wohl auftreten. Und flugs besitzt man eine höhere Wahrheit und braucht sich um Argumente nicht mehr kümmern.
Gegenüber Unfried wird Habeck entsprechend deutlich: „Aber wir sollten nicht darüber streiten, daß wir alle verantwortlich sind, Konzepte vorzulegen. Lassen Sie uns Klima nicht zu einem kulturellen Hegemonie-thema machen, sondern zu einem politischen Thema, das von allen verantwortet wird.“ Was heißt: Das grüne Klima-Narrativ bleibt unanfechtbar, höchstens darf über Einzelheiten der praktischen Umsetzung geredet werden.
Die Grünen eine „Verbotspartei“ zu nennen ist eine Verkennung ihrer totalitären Mission. Noch immer wird ihre diktatorische Übergriffigkeit vornehmlich auf einen überschießenden Idealismus zurückgeführt. Immerhin hat der idealistische Anstrich erhebliche Kratzer abbekommen, seitdem ihre Clanstrukturen öffentlich geworden sind; Personen, die auf dem normalen Arbeitsmarkt kaum vermittelbar wären – Hacks’ „Lumpenkleinbürgertum“ trifft es – machen sich den Staatsapparat zur Beute. Das haben die Grünen mit anderen Parteien gemein, doch der Umfang und die Geschwindigkeit sind rekordverdächtig.
Der „Kampf gegen Rechts“ als Ablenkungsmanöver
Hacks’ Halbsatz, daß die Grünen „nur dumm sind, die eignen sich“, besagt wohl, daß – anders als Habeck – die meisten gar nicht durchschauen, welche Funktion ihnen zugewiesen ist. Doch gerade ihre Beschränktheit befähigt sie, sie effektiv auszufüllen. Die sich für Akteure halten, sind Marionetten. In Goethes „Faust“ heißt es: „Der ganze Strudel strebt nach oben. Du glaubst zu schieben, und du wirst geschoben.“
Für den Marxisten Hacks war der Faschismus eine Herrschaftsform des Kapitals. Der „Kampf gegen Rechts“ erscheint in dem Zusammenhang wie ein Ablenkungs- und Täuschungsmanöver. Die AfD-Politikerin Beatrix von Storch hat hier kürzlich zahlreiche Belege dafür aufgelistet, daß die internationale Finanzindustrie sich die Grünen als ihre Agenten auserkoren hat und sie an ihrem „goldenen Faden“ hängen (JF 22/23).
https://twitter.com/NancyFaeser/status/1605855326762405888?lang=en
Die zunehmend totalitäre Gängelung der Bürger, die Ausplünderung und Verarmung der deutschen Mittelschichten unter dem Vorwand des Klimaschutzes, die sukzessive Lahmlegung und Ausweidung der deutschen Wirtschaft ist Teil ihres Geschäftsmodells. Nebenbei: In Ernst Jüngers „Marmorklippen“ personifiziert der Oberförster das faschistoide, totalitäre Unheil, das sich über das Land legt. Die Kleider des Försters sind grün.