Die CDU ringt angesichts der AfD-Umfragerekorde mit sich und dreht sich dabei im Kreis. Denn derzeit liegt die rechte Konkurrenz der CDU laut Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Civey derzeit bei 20 Prozent auf dem zweiten Platz hinter der Union. Am Wochenende trafen sich die Christdemokraten unter diesem Vorzeichen zu einem kleinen Parteitag in Berlin. Neben inhaltlichen Debatten über Themen wie Klima-, Migrations- oder Bildungspolitik war aufschlußreich, worüber nicht gesprochen wurde.
Das Schreckgespenst AfD klammerten die CDU-Mitglieder nämlich bestmöglich aus, wie die Neue Zürcher Zeitung (NZZ) berichtete. Doch ganz ignorieren ließ sich das Thema nicht. So nutzte Partei-Chef Friedrich Merz während des Konvents am Sonnabend die Gelegenheit, sich erneut abzugrenzen. Zugleich warb der Sauerländer für mehr Mut, Probleme deutlich anzusprechen. „Wir müssen auch in der Lage sein, mal Probleme zu adressieren. Auch mal mit Formulierungen, die nicht jedem gefallen. Das ist dann nicht gleich rechts. Und das ist dann auch nicht gleich rassistisch. Und das ist vor allen Dingen nicht irgendwo AfD-Sprech“, betonte er laut der Berliner Zeitung.
Zur Unterscheidung von der AfD formulierte er weiter: „Dem Volk aufs Maul zu schauen, ist Demokratie. Dem Volk nach dem Mund zu reden, ist Populismus.“ Eine Volkspartei müsse darauf achten, „was in der Bevölkerung diskutiert wird, wie die Emotionen sind in einem Land“, mahnte Merz.
„Wir müssen auch mal in der Lage sein, Probleme im Land mit klaren Worten anzusprechen. Ich nehme das für mich in Anspruch. Das ist dann auch nicht ‚rechts‘ und kein ‚AfD-Sprech‘. Die #AfD diktiert uns doch nicht den Sprachraum! Den bestimmen wir selbst.“ ™ #Grundsatzkonvent
— Friedrich Merz (@_FriedrichMerz) June 17, 2023
JU-Chef äußert Selbstkritik beim Thema AfD
In seiner Rede zu den Leitlinien der Partei zeichnete der CDU-Vorsitzende die Leitlinien seiner Partei. Er plädierte dabei für eine Begrenzung der Migration und Kontrollen an den EU-Binnengrenzen. Das sei notwendig, „damit wir wissen, wer zu uns kommt und wir falls nötig Menschen zurückweisen können“.
Unterstützung für den Abgrenzungskurs gegenüber der AfD bekam Merz aus Sachsen. Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) sagte der Bild am Sonntag: „Eine Zusammenarbeit mit der AfD ist und bleibt für die Union ausgeschlossen. Das ist eine Partei, die sich zunehmend radikalisiert. Es ist beängstigend. Diese Leute dürfen nicht in Verantwortung kommen.“ Ins gleiche Horn stieß auch der CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt. Er pochte darauf, die AfD sei „der politische Gegner der Union und kein Partner“.
Der Chef der Jungen Union, Johannes Winkel, war es, der selbstkritische Worte zum Umgang mit der AfD fand. Deren Sympathisanten dürfte man nicht pauschal „als Nazis darstellen“, sondern müsse ihnen ein Angebot machen.
Ob die CDU dies noch seriös könne, daran zweifelte unterdessen der bayrische Wirtschaftsminister und Chef der Freien Wähler, Hubert Aiwanger. Er äußerte gegenüber der Bild-Zeitung: „Wenn es uns nicht gäbe, würde es auch in Bayern eine große Wählerwanderung zur AfD geben.“ Da die CDU nicht mehr konservativ sei, helfe ihr auch keine angebliche Brandmauer gegen Rechts, führte Aiwanger weiter aus.
Wüst will CDU als „moderne Volkspartei der Mitte“
Während Merz noch versuchte, sich mit einem Plädoyer für eine strengere Migrationspolitik hervorzutun, konterte der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Hendrik Wüst in Berlin mit seiner Programmrede. Darin betonte der Christdemokrat, der an Rhein und Ruhr gemeinsam mit den Grünen regiert, den Weg der CDU als „solidarische, heterogene, moderne Volkspartei der Mitte“.
Während die CDU noch darum bemüht ist, das Thema AfD-Umfragehoch weitgehend totzuschweigen, stimmte Wüst wieder das Lied der „modernen Volkspartei“ an. Manch Christdemokrat dürfte sich an die Merkeljahre erinnert fühlen.
Aufregung um Äußerungen von Claudia Pechstein
Viel Beifall erhielt die Eisschnelläuferin Claudia Pechstein für ihre in Polizeiuniform auf dem CDU-Grundsatzkonvent gehaltene Rede. Pechstein sprach sich für konsequentere Abschiebungen von Flüchtlingen aus, deren Asylanträge in Deutschland abgelehnt wurden. Sie nannte die 300.000 ausreisepflichtigen abgelehnten Asylbewerber, bei denen es nicht sein könne, daß sie einfach so blieben.
Claudia #Pechstein spricht in ihrer Rede wichtige Alltagsprobleme an und hat Recht damit. Die #CDU muss sich wieder auf ihre Wurzeln besinnen und eine Partei der bürgerlichen Mitte sein. pic.twitter.com/6pjmwWsGFu
— Paul Bressel (@bressel_paul) June 18, 2023
Pechtsein forderte mehr Sicherheit in Öffentliche Verkehrsmitteln, die man wieder „ohne ängstliche Blicke“ nutzen können sollte. Das gehöre zu den Problemen, die besonders Ältere und Frauen belasteten. Verbesserungen dort sollten wichtiger sein, „als darüber nachzudenken, ob wir ein Gendersternchen setzen oder ob ein Konzert noch deutscher Liederabend heißen darf oder ob es noch erlaubt ist, ein Zigeunerschnitzel zu bestellen“, sagte Pechstein unter lautem Beifall.
Wir hatten einen exzellenten @CDU Grundsatzprogrammkonvent mit breiter Beteiligung aus der Zivilgesellschaft. Besonders beeindruckt hat mich z.B. die Caritas-Präsidentin Eva Maria Welskop-Deffaa. C. Pechstein sollte ihre Perspektive zu Sport und Ehrenamt beitragen. https://t.co/E54IoRDk5v
— Karin Prien (@PrienKarin) June 18, 2023
Unter anderem die stellvertretende CDU-Vorsitzende Karin Prien klatschte demonstrativ nicht bei Pechsteins Rede und distanzierte sich später mehrfach auf Twitter von ihrer Parteikollegin. Pechstein hätte lieber „ihre Perspektive zu Sport und Ehrenamt“ vortragen sollen. Gleichzeitig widersprach sie Jens Spahn, der am Wochenende gefordert hatte, die Kulturkämpfe der Ampel aufzunehmen und zu erwidern. „Kulturkampf nutzt am Ende nur den Radikalen“, so Prien, die zum linken Parteiflügel um Schleswig-Holsteins Landeschef Daniel Günther und NRW-Parteichef Hendrik Wüst zählt.
Union in Sachsen und Bayern bekräftigt Abgrenzung zur AfD
Indes bekräftigten am Wochenende die Spitzen der CDU in Sachsen und der CSU in Bayern die „Brandmauer“ zur AfD. „Eine Zusammenarbeit mit der AfD ist und bleibt für die Union ausgeschlossen“, sagte Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) der Bild am Sonntag. Gegenüber derselben Zeitung schloß CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt ebenfalls jegliche Kooperation mit der AfD aus: „Die klare Abgrenzung nach Rechtsaußen ist von zentraler Bedeutung für die Union als Partei der gesellschaftlichen Mitte.“